Eine reine Sprache erfreut die Zuhörer

Der Inhalt einer Unterhaltung ist zwar von sehr großer Bedeutung, aber nicht allein entscheidend. Eine einwandfreie und gute Aussprache hebt den Wert eines Berichts oder einer Plauderei sehr wesentlich. Was wir früher über Körperhaltung gesagt haben, gilt sinngemäß auch für das Verhalten bei Gesprächen. Wer sich im gleichmäßigen Gang des Alltags im Sprechen gehn läßt, wird auch in der Unterhaltung bei geselligen oder festlichen Anlässen immer unter dem Durchschnitt bleiben.

Wir wollen hier nicht von falschem Sprechen, von einem Verwechseln von mir und mich und andern bösen Verstößen gegen die Grammatik reden, denn, daß jemand, der gewandt reden oder plaudern will, von solchen Fehlern frei sein muß, ist selbstverständlich. Aber es soll hier von kleinen Sünden und Nachlässigkeiten die Rede sein, die den Wert des Inhalts einer Unterhaltung sehr in Frage stellen können.

Dazu zählt zunächst einmal das lässige Verschlucken einzelner Silben, die man bei hastigen oder nervösen Menschen beobachten kann, die in dem unbewußten Bestreben, ungewöhnlich schnell zu sprechen, in einer bestimmten Zeitspanne möglichst viele Worte machen möchten. Sie verschlucken oft die letzten Silben eines Satzes, um mit blitzartiger Geschwindigkeit zum nächsten überspringen zu können. Wie ein Ball über einem Springbrunnen hüpfen Wort und Tonfall hinauf und herab. – »Guck' mal, die herrliche Fichte,« wollen sie ausrufen. Man hört aber »Ku ma ...« Das hört sich auf die Dauer entsetzlich an. – Oder sie wollen fragen: »Haben Sie vorhin ...?« und man hört: »Hammse vorhin ...?« – Statt »nicht wahr?« sagen sie »nich?« usw.

Häßlich ist auch das völlig unbegründete und überflüssige Einflicken von Redewendungen wie »Verstehste?« oder »Hör' mal zu!« und ähnliche. Wenn man sich mal den Spaß macht, bei der Erzählung eines Volksgenossen solche Schwächen zu zählen, beispielsweise, wie oft er die Verlegenheitsphrase »Passen Sie mal auf!« gebraucht hat, so wird der Sprecher das Ergebnis sicher nicht glauben,[95] denn er weiß ja selbst nicht, daß er seine Rede so oft verunstaltet hat.

Übermäßig lautes Sprechen ist meist ein Zeichen von Egoismus oder sogar von Brutalität. Es kann sich dahinter auch ein Mangel an Selbstvertrauen oder ein selbstempfundener Mangel an die Überzeugungskraft der eigenen Worte verbergen. Der Gipfel der Rücksichtslosigkeit ist darin zu erblicken, daß ein Zeitgenosse mit besonders kräftigem Organ drauflos trompetet, um die Beweisgründe des Gegners einfach zu überschreien und das Recht für sich zu beanspruchen, allein gehört zu werden. Wenn solche Geschmacklosigkeiten sogar irgendwo im öffentlichen Leben zutage treten, kommt hinzu, daß das, was vielleicht nur für einen kleinen Kreis bestimmt ist, auch von Unbeteiligten gehört und natürlich entsprechend beurteilt wird.


Eine reine Sprache erfreut die Zuhörer

Extreme sind meistens taktlos. So ist auch ein andauernd leises Sprechen sehr vom Übel. Das kann sowohl ein Zeichen körperlicher oder seelischer Kraftarmut, wie aber, in den meisten Fällen übrigens, auch ein Beweis für Lässigkeit oder auch für Blasiertheit sein. In einem leisen, undeutlichen Sprechen ist in jedem Fall eine Geringschätzung des oder der Zuhörer zu erblicken. Anstatt klaren Sprechens hört man ein halblautes Gemurmel. Die Worte bemühen sich offenbar mittels möglichst geringen Kraftaufwandes zwischen fast geschlossenen Zähnen und Lippen hindurchzuquetschen. Der Sprecher selbst macht sich wenig Gedanken darüber, ob die Zuhörer trotz angespanntester Aufmerksamkeit alles erfassen oder nicht. Auf seine Schwäche zartfühlend hingewiesen, erwidert solch ein taktloser Zeitgenosse etwa: »Die sollen ihre Ohren aufknöpfen und besser zuhören!« – Wie unbeliebt er sich mit derlei rücksichtslosen Schrullen überall macht, wird er selbst nicht empfinden. Sonst hätte er sich diese Marotte längst abgewöhnt.

Nun kann aber, wie angedeutet, das zu leise Sprechen auch auf einen körperlichen Fehler zurückzuführen sein. Das trifft vor allem dann zu, wenn die Zähne nicht in Ordnung[96] sind. Trotz regelmäßiger Zahnpflege und bester zahnärztlicher Betreuung ist es nicht immer möglich, alle Zähne zu erhalten. Mit den Jahren macht sich hier und da eine Lücke bemerkbar. Nun stößt die Zunge beim Sprechen bekanntlich gegen die vorderen Zähne des Ober- und Unterkiefers. Es ist also einleuchtend, daß Zahnlücken das Sprechen erschweren und undeutlich machen. Nun wissen wir alle, daß ein Mund mit sichtbaren Zahnlücken einen sehr häßlichen und unästhetischen Eindruck macht. Dabei ist die Zahntechnik heute so hoch entwickelt, daß in jedem Falle ein Zahnersatz geliefert werden kann, der hinsichtlich des Aussehens wie des Gebrauchs dem echten Zahn fast gleichkommt. Ein Mund mit Zahnruinen ist immer eine Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt. Ein Mensch, der überall gern gesehen sein möchte, wird so etwas nie bei sich dulden.

Wer etwas Gesprochenes nicht verstanden hat, sollte höflich fragen. Es klingt hart- und ein wenig taktlos, kurz »was?« oder gar »wa?« zu fragen. Viel netter hört sich »wie bitte?« oder »Verzeihung?« an.

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 95-97.
Lizenz:
Kategorien: