72 [67] Brief an August Macke

Berlin, 27.1.1912


Lieber August, ... Ganz so, wie Du es darstellst, ist es nun nicht mit dem ›Nicht-auffordern‹ zum Blauen Reiter. Du kamst so gründlich ›geladen‹ gegen den Prospekt und alles mögliche im Blauen Reiter und verwahrtest Dich gleich zu Anfang gegen eine Beteiligung mit Reproduktionen, so ähnlich wie Du es jetzt auch machst, wenn Du schreibst: ›Ich werde sehr schwer zu bewegen sein, etwas für den Blauen Reiter herzugeben etc.‹. Auf mich wirkt dies auch etwas großtuerisch. Denn geholfen kann einer Sache wie dem Blauen Reiter nur werden, indem wir uns mit unseren ganzen Kräften, ohne Empfindelei und Hinterhalt, in die Sache stellen; das tut Kandinsky auf seine Weise (als ›Asiate‹!) und ich auf meine. Du darfst es ja auf Deine Weise machen, aber nicht nur räsonnieren (wodurch du allerdings schon einiges Gesunde bewirkt hast), sondern durch Mittun. Nun hör mal: schlage etwas von Deinen Sachen vor oder hilf mir wenigstens in der Auswahl, die mir sehr schwierig scheint. Am natürlichsten für Reproduktion schiene mir der Sturm aus dem Katalog, nur natürlich größer; schade ist nur, daß er durch den Katalog schon durch so viele Hände gegangen ist. Bei manchen so guten Sachen von Tegernsee und Bonn, die ich so liebe, spielt mir doch oft das Gefühl herein, daß eine einzelne Reproduktion (z.B. des Berges mit den Blumentöpfen) Dich nicht stark und schlagend vertritt; und gerade dies möchte ich, das wirst Du mir doch ehrlich glauben. Im stillen hoffte ich immer auf die Seeschlacht, sprach auch mit Maria davon und hatte sie mir schon fest für die Blaue-Reiter-Ausstellung vorgestellt neben dem Kandinskys, – nun hast Du's wieder überschmiert. Was ist mit dem großen, den Spielenden Kindern, von dem[67] Du erzählt hast? Ich meine immer, Du müßtest irgend so etwas im Blauen Reiter bringen. Ehrlich gesagt und ohne Deiner Wertung der ›Guitarrenspielerin‹ zu widersprechen (– ich bin nur froh, wenn es wirklich besser ist, als es mir damals schien), habe ich den Gedanken, daß eine Reproduktion Anklänge an Matisse zeigte, die Dich selbst nicht freuen würden und ein völlig unklares Bild von Dir geben. Also bitte hilf mir und gib Deine Vorschläge, was Du Dir für den Blauen Reiter zu reproduzieren denkst. Ich weiß ja auch gar nicht, was Du jetzt alles in Bonn hast. Aber eins bitte ich Dich: Mach möglichst bald die Photographie, je größer, je besser. Antworte nicht mehr hierher, sondern bis 1. Febr. in Kandinskys Wohnung, ab 1. Sindelsdorf ... Nun sei nett und hilf mir bei der Auswahl Deiner Reproduktionen, statt mir bloß mit den Händen vor dem Gesicht herumzufuchteln. Grüße 2 mal 2

Dein Fz. M.

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 67-68.
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