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[155] 29.VIII 15.


Liebste, heut vor einem Jahr bin ich ausgezogen, – weißt Du noch, wie ich in der Nacht alarmiert wurde? Dank für Deinen lieben Brief v. 26. (mit dem Gruß vom Golling drauf). Du wendest Dich in Deinen Gedanken und Vorwürfen viel zu sehr an die einzelnen Führer, Regierungen etc., statt die Schuld in der Gesamtheit, im Gesamtverhalten resp. dem Verhalten jedes einzelnen zu suchen. Regierungen haben sich nicht über Völker gesetzt, sondern die Völker haben sich Regierungen geschaffen, die das Verhalten des einzelnen autoritativ decken. Du hörst ja unser Volk! Darüber ist so viel zu sagen. Am Menschengedanken muß man mit der Arbeit einsetzen, nicht an der Politik. – Ich schreib Dir nächstens ausführlich. – Ein paar Tännchen wirst Du im Frühjahr eben doch einsetzen. Willst Du Dir nicht doch ein Kätzchen anschaffen, wegen der Mäuse? Welf wird ihm nichts tun. – Spielst Du? – Mir geht es jetzt wirklich gut. Du kannst in dieser Zeit mit großer Ruhe an mich denken. Heute schrieb Deine Mutter eine Karte aus Gendrin mit der Ansicht des Gutes, – das hat mich auch tief wehmütig gestimmt. Wohin, wohin ist das alles? Wo sind die Jahre? ...

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 155.
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