Cantharides

[226] Cantharides.

Cantharides, frantzösisch, Mouches Cantharides, teutsch, spanische Fliegen, sind Fliegen, von mittelmäßiger Grösse, länglicht, von Farbe schön gläntzendgrün und lasurblau, und schier wie Gold, stincken sehr heftig. Im Sommer werden sie um Paris herum, und an andern Orten mehr, auf dem Laube der Eschen und Pappelbäume, auf den Rosensträuchern, auf dem Getraide, und in Wiesen gefunden. Sie wachsen als kleine Würme, und haben bey nahe die Gestalt der Raupen. Wann diese Fliegen sind gesammlet worden, so werden sie mit dem Dampfe von heissen Eßig getödtet, und darauf an der Sonne getrocknet.

Es giebet allerhand Sorten der spanischen Fliegen, welche an Gestalt, Grösse und Farbe von einander unterschieden sind. In Franckreich bekommen wir sie in mancherley Grösse zu sehen; allein in Italien finden sich ihrer, die sind so groß, wie die Heuschrecken, auch viel länger, und gegen den Schwantz zu spitzig. Die grössesten, die ich habe um Paris herum gesehen, sind fast den kleinen Käfern gleich, welche Scarabei genennet werden. Dieser ihre Figur ist länglicht und breit, an beyden Enden rundlicht, und haben einen kleinen Kopf. Die Farbe der Spanischen Fliegen ist nur darinne unterschieden, daß die einen mehr blaulicht sind, die andern grüner, und noch andere gar braun, fast wie Kastanien.

Die dicken Cantharides werden zu der Artzeney gar nicht gebraucht: allein die kleinen, welche bey den Materialisten zu kauff zu haben, brauchet man: sie sind bey nah so dicke wie die Wespen, iedoch ein gut Theillänger.

Man muß diejenigen erwehlen, welche recht trocken sind, frisch und fein gantz: dann, wann sie alt sind worden, so zerfallen sie von sich selbst in einen sehr leichten, graubraunen Staub, und bleibet fast nichts mehr übrig, dann nur die Flügel, welche bey dem Blasen ziehen schier keine Wirckung thun. Diese getrockneten Fliegen führen viel beissendes, brennend und flüchtiges Saltz, mit etwas Oel, phlegma und Erde untermischt.

Sie sind gar durchdringend und corrosivisch: machen, daß Blasen auf der Haut auffahren, und sehr viel Wasser daraus läufft. Preßhaften Gliedern kommen sie zu statten, und kehren die Flüsse anders wohin, die darauf fallen wollen. Sie geben das Grundstück zu den blasenziehenden Pflastern, welche hinter die Ohren, ins Genick und zwischen die Schultern, wider die Gebrechen der Augen, des Zahnfleisches und der Nase, wider den Schlag und die Lähmung der Glieder ausgeleget werden. Auch werden sie auf die Schenckel geleget, wider die Flüsse, und wider die Lendengicht.

Die spanischen Fliegen darff man nicht innerlich gebrauchen, dann sie sind ein Gift, welches sich insonderheit an die Blase anleget, und tödtliche Geschwüre verursachet. Für diejenigen, die das Unglück gehabt und sie genommen haben, dienet ein starcker Trunck Milch, emulsiones, oder aus diesen und jenen Samen bereitete Milch, süß Mandelöl,[226] oder sie mögen sich ein decoctum von Eibischwurtzel, Seeblumen, Lactuc, Wallrath und Leinöl, in die Blase einsprützen lassen, oder sich bis an den halben Leib in laulicht Wasser setzen.

Nothwendig muß das schleimichte Wesen, damit das inwendige Häutlein der Blase überzogen ist, also beschaffen seyn, daß es die scharffen saltzigten Theilgen von den spanischen Fliegen, viel eher kan empfahen und anhalten, weder dasjenige, welches die inwendige Seite der übrigen Eingeweide überziehet; weil man allzeit verspüret hat, wann diese Fliege innerlich ist eingenommen worden, daß sie absonderlich die Blase angegriffen, dieselbige gestochen und gereitzt, auch endlich gar Geschwüre verursachet, da sie doch den übrigen und andern Leibestheilen gar wenig Schaden zugefüget. Ich selbst habe angemercket, wann man die Blasen ziehenden Pflaster hat etliche Tage auf dem Fleische liegen lassen, und vor allen die, so auf den Rücken und die Schenckel aufgelegt gewesen, daß selbige zuweilen ziemlich starckes Brennen des Urins gemacht, welches iedoch gar bald gestillet worden, sobald man nur das Pflaster weggethan. Dieses erweiset, daß die saltzigten und flüchtigen Theilgen der spanischen Fliegen, welche durch die Wärme des Leibes in Bewegung gebracht worden, durch die Schweißlöchlein sich hinein geschlichen und eher an die Blase, als wol sonst wohin gelegt; und das um angeführter Ursach willen: eben als wieder Staub und die kleinen Federn, die in dem Zimmer herum stüben, viel eher sich an Leim, der offen steht, als sonst an was zu legen pflegen. Jedoch hat diese Schärffe des Urins, der von den Blasen ziehenden Pflastern ist verursachet worden, bey weiten nicht so viel zu bedeuten, als wann man sie hat gar in sich geschluckt: dann weil ihre Wirckung allhier gantz geringe ist, deshalben kan auch leicht und alsobald gerathen werden, wann nur, gleichwie gesagt, das Pflaster weggenommen und diese oder jene emulsion getruncken wird.

Cantharides kommt von κάνϑαρος, Scarabæus, ein Käfer, dieweil die spanschen Fliegen unter die Käfer gerechnet werden.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 226-227.
Lizenz:
Faksimiles:
226 | 227
Kategorien: