Crystallus

[369] Crystallus.

Crystallus, frantzösisch, Cristal, teutsch, Crystall, ist ein weisser, klarer, gläntzender und durchsichtiger Stein, welcher aus einem überaus hellen und zusammen geronnen Wasser bereitet wird, das mit einer steinartigen Materie erfüllet ist, welche es gantz und gar dissolviret und aufgelöset hat. Er wird in allerhand Gestalt und Dicke, an unterirdischen und holen Orten gefunden, wo es viel Wasser giebt. Die Sandkörnlein sind gleichergestalt kleine Crystallen, gleichwie man gar leichtlich vermittelst eines microscopii und Vergrösserungsglases gewahr werden kan. Bisweilen, iedoch sehr selten, wird auch schwartzer Crystall gefunden.

In dem Felde, um Rom herum, finden sich, unter der Erden, gewisse kleine Crystallen; die sind so groß, als eine Haselnuß, schwärtzlicht, zwölffeckigt, oder aus zwölff Fünffecken bestehend. Diese kleinen Crystallen liegen strichweise, wie Adern, einer an dem andern. Der Herr Maraldi, Mitglied der königlichen Academie der Wissenschaften hat sie zu erst entdecket.

Der Herr Homberg, auch ein Glied von ermeldeter Academie, hat in Acht genommen, daß der Crystall, welcher in den Felsen gefunden wird, weder durchs Feuer, noch durch einen Brennespiegel geschmoltzen werden möge, wann er nicht mit etwas Kalch vermischet worden: wiewol Kalch alleine, durch ietzterwehnte Feuer nicht geschmoltzen werden kan, so wenig, als wie der Crystall. Nothwendig müssen die feurigen Theilgen, die im Kalche stecken, in den Crystall hinein tringen, und ihn zum Flusse bringen helffen.

Eben dieser Herr Homberg hat beobachtet, daß der geschliffene Crystall aus den Felsen könne gefärbet werden, wann er in tropfiges Drachenblut, welches mit Weinspiritus aufgelöset ist, geweichet werde: dann, da spalte sich der Crystall, und bekomme überalle gantz kleine unvermerckliche Risse, darein lege sich die Farbe, und mache den Crystall durch und durch roth. Auf eben diese Weise kan man dem Crystall allerley Farben geben: doch müssen dieselbigen mit Weinspiritus zugerichtet seyn.

Will man den Crystall zu Pulver stossen, so lasse man ihn im Feuer wol durchglühen, und lösche ihn auf einmahl in kalten Wasser ab, so wird er weich, und kan auf einem Steine oder in einem Mörsel zart abgerieben werden.

Er hält an und den Durchfall auf. Auch will man ihm die Kraft zuschreiben, daß er den stillenden Weibern die Milch vermehre, und den Blasen- und Nierenstein zermalme. Doch beydes hat mir die Erfahrung annoch niemahls erweisen wollen. Die dosis ist von einem halben bis auf zwey Scrupel.

Derjenige Crystall, welcher Crystallin genennet wird, ist von Sand und alicantischer Suda bereitet; die werden, in sehr heftigem Feuer, in den Glasöfen vitrificiret und zu Glase geschmoltzen; hernach verfertigen sie die crystallinen Gläser und andere Geschirre daraus, dergleichen wir zu gebrauchen pflegen. Dieser gekünstelte Crystall wird auf mancherley Weise gefärbet, indem er noch im Flusse steht; dann, sie werffen allerhand Materien drein, z.E. Cuivre de rosette. Rösleinkupfer, wann sie ihn schönhellroth haben wollen: Gold und dergleichen[369] Kupfer, wann er rubinroth werden soll, Magnesia oder Braunstein, oder Periguex zur Purpurfarbe, Meßing zum grünen, Minie, wann er wie Agtstein oder gelb soll werden, Silber und Schwefel, soll er eine Farbe wie Agat bekommen. Diese Farben werden von den Glasmachern Emaux clairs, feine Schmeltze, genannt.

Der best und tauglichste Sand zu dem gekünstelten Crystall muß rein und zarte seyn, dabey weiß: er wird gewaschen, getrocknet und durch ein Sieb geschlagen.

Die Proportion des Gemenges ist insgemein 65. Pfund alicantischer Suda auf 100. Pfund Sand. Wann dieses Gemenge zugerichtet worden ist, so calciniren sie es zum erstenmahle, das nennen sie fritta; diese setzen sie in einen Ofen, den sie zuvorher angewärmet haben, halten ein mäßiges Feuer etwan eine Stunde lang darunter, und rühren sie ohne aufhören, mit einem eisernen Instrumente um. Hernach verstärcken sie das Feuer, und halten damit fünff Stunden an, rühren indessen die Materie beständig um, bis daß sie bröcklicht und gelb, und endlich weiß wird. Sie erkennen, daß die fritta fertig, wann sie sich zu Stücken brechen läst, an Grösse fast wie eine Haselnuß, und dieselben sind leichte und weiß: diese fritta nennen alsdann die Arbeiter Tarce. Wann diese Arbeit zu Ende, und die Materie hat sich abgekühlt, so ziehen sie dieselbe aus dem Ofen, und legen sie an einen frischen Ort, der doch fein trocken ist, damit sie nicht gar zu sehr feuchte werde. Darauf bedecken sie dieselbige und verwahren sie in solchem Stande, drey bis vier Monat lang, damit die Suda und der Sand sich desto besser vereinbaren; nach diesem bringen sie dieselbe in die Glasöfen.

Die diese Arbeit noch feiner und einen recht schönen Crystall bereiten wollen, nehmen an statt des Sandes, allerhand harte und weisse Steine, und stossen dieselbigen zu gantz subtilen Pulver. Allein, diese letztere Zurichtung kostet weit mehr, als die erstere, und der Crystall ist um ein grosses theurer.

Denjenigen Crystall soll man erwehlen, der recht schön, rein und durchsichtig ist.

Crystallus kommt von κρὺος, frigus, die Kälte, der Frost, und ὕδωρ, aqua, Wasser, als ob man sprechen wolte, zusammengefrornes Wasser.

Der natürliche Crystall, der aus den Felsen gebrochen wird, heist auf frantzösisch, Cristal de roche, das hiesse etwa soviel als Felsencrystall, dieweil er insgemeine in den Felsen formiret wird.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 369-370.
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