Mus

[752] Mus.

Mus, Ratus, frantzösisch, Rat, teutsch, Ratze, grosse Maus, ist ein vierfüßiges Thier, dessen es ein Hauffen Arten giebet. Doch will ich nur von der Hausratte handeln. Diese ist gemeiniglich einer Hand lang und der Faust dicke, sehr behende, immerzu ohne Ruhe und stets in Bewegung. Ihr Kopf ist klein, die Augen munter und durchtringend scharff, damit sie bey der Nacht kan sehen. Die Schnautze ist länglicht und spitzig, mit einigen Haaren[752] oder Bärten auf beyden Seiten besetzet. Die Zähne sind scharff und schneidend: die Ohren kurtz, steiff und gerade in die Höhe gerichtet. Der Schwantz ist sehr lang und sitzt nicht eben gar zu veste dann, man darff ihn nur ein wenig harte ziehen, so reisset er vom Leibe ab. Das Haar ist insgemeine aschenfarbig oder braun. Dieses Thier versteckt sich in den Rissen in den Mauern, zwischen dem Geräthe, in den Kellern und Scheunen, damit es seinem Todfeinde, der Katze entgehen möge. Es nähret sich mit allem, was es nur erlangen kan, mit Frucht und Körnern, mit Käse, Brod und Licht. Es reucht übel und verdrießlich: führet viel flüchtiges Saltz, phlegma und Oel.

Es soll gut seyn, wañ einer wider Willen das Wasser gehen läst; und man giebt es denen, die ins Bette seichen, zu essen. Aeusserlich aufgelegt, zertheilet es.

Im Jahr 1702. ward mir eine Ratte aus der Barbarey überbracht, die war von sonderbarer Schönheit und so groß als eine von den allergrösten Ratten, die nur in Franckreich zu finden. Ihr Kopf war etwas grösser als ein Taubeney, oben ein Paar Finger breit und wurde immer schmäler und schmäler, bis vorne an die Schnautze, die doch nicht allzuspitzig ware. Die Länge des gantzen Kopfs betrug drey Finger und etliche Linien. Ihre Ohren waren der gemeinen Ratten ihren gleich, iedoch weit kleiner, von Farbe grau, und stunden sehr weit hinten. Die Augen waren groß, schön und gar munter: die Zähne trefflich scharff: an beyden Seiten der Schnautze hatte sie einige graue Haare oder Bärte, die etwas breit waren. Der Hals war kurtz, der Leib fünff Daumen lang, gegen den Schwantz hinzu viel dicker als anderswo, die Pfoten waren schier so lang, als wie des Eichhörnleins, allein die hintern waren etwas länger dann die vordern. An ieder Pfote hatte es fünff ziemlich lang und dünne Zehen, welche mit sehr kleinen Klauen gewaffnet waren. Das Thier war über und über, bis auf den Schwantz, mit ziemlich starren, schönen, glatt und gleissenden Haar bedecket, welches mit trefflich schönen, bunten Streiffen von allerhand Farben, grau und braun, weiß und isabell, gezeichnet ware, und fein ordentlich in gleicher Weite nach der Länge geordnet, und solches von der Schnautze an bis an den Schwantz und auf die Schenckel. Der Schwantz war viel länger als der gantze Leib, dünne, iedoch über und über mit schönem, des Fingers langen Haar gezieret und bekleidet, welches rund umher als wie ein schöner Federbusch erhaben stunde, und fast eben so gefärbet und auch also geordnet ware; welches ein treffliches Vergnügen gabe. Dieses Thier war in der Barbarey im Holtze gefallen, und ein Männlein: sie hatten auch das Weiblein zugleich mit gebracht, das war aber unter wegs gestorben. Die Kälte kunte es nicht wol vertragen und zitterte fast stets, insonderheit im Winter, ob es schon fleißig beym Feuer gehalten wurde, oder in einem Muffe stacke: es lieff nicht gar zu hurtig: selten kletterte es, und schrie wie eine Ratte: es versteckte sich geschwinde, wann es eine Katze hörete oder spürete. Es fraß Nüsse, Brod, Mandeln, Milch und Zucker, und setzte sich, wann es frasse, wie das Eichhorn, auf den Hintern: hube die Vörderpfoten, die ihm statt der Hände dieneten, in die Höhe, und nahm, was[753] man ihm gabe, in die Klauen, dasselbe nach dem Maule zu bringen, hielt es auch damit so lange, bis es alles aufgeknaustert hatte. Es war sehr zahm, und ließ sich gern in einem Muffe herum tragen, dieweil es sich darinne in der Wärme fand. Es lebete bey uns nicht gar zu lange, entweder wegen Kälte unserer Landesgegend, oder weil ihm das Weiblein fehlte, dann es gerieth dermassen in die Brunst, das ihm die Geburtsglieder vor den Leib heraus traten und gar sehr aufschwallen, davon entstunde dran eine Ersterbung und der Brand. Dieses Thier hatte etwas von der Ratten und Eichhörnleins Natur an sich.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 752-754.
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