Orchis

Orchis.
Orchis.

[814] Orchis.

Orchis, teutsch, Knabenkraut, Stendelwurtz, ist ein Gewächs, dessen es viel Arten giebet. Ich will allhier nur zwey der vornehmsten beschreiben.

Die erste wird genannt

Orchis morio mas foliis macularis, C.B. Raji Hist. Pit. Tournef.

Orchis major, tota purpurea, folio maculaso, J.B.

Cynosorchis morio mas, Ger. emac.

Testiculus morionis mas, Dod. Lugd.

Testiculus primus, Matth.

Die stöst aus ihrer Wurtzel sechs oder sieben Blätter, auch manchmahl noch wol mehr, die sind lang, nicht eben allzubreit, und sehen den Lilienblättern oder Kraute ähnlich, nur daß sie um ein gut Theil kleiner und mit braunrothen Flecken gezeichnet sind, wiewol sie auch bisweilen keine haben. Der Stengel ist ungefehr des Schuhes hoch, rund und gestreifft, mit einem oder auch zwey Blättern umgeben und bringet auf der Spitze eine lange Aehre angenehmer Blumen, welche purperfarbig, gegen den Grund zu weißlicht und mit einigen dunckelpurperfarbenen Puncten durchworffen sind, auch gar annehmlich riechen. Jedwede dieser Blumen besteht aus sechs ungleichen Blätterlein, davon die obersten fünffe krumm sind, und als wie eine Haube geben. Das unterste Blatt ist viel grösser als die andern, hat anfangs als wie einen Kopf und an dem Ende als wie einen Sporen. Wann diese Blüte vergangen ist, so wird der Kelch zu einer Frucht, die einer dreyseitigen Laterne nicht unähnlich und die Samen in sich hält, welche als wie Sägespäne sehen. Die Wurtzeln sind zwey kleine Knötlein, die schier gantz rund, fleischig und so dicke sind als wie Muscatennüsse: das eine ist voll und hart, das andre runtzlicht und schwammig, und haben einige Zasern.

Die andere heist

Orchis morio fœmina, J.B. Raji Hist. Pit. Tournef.

Orchis minor purpurea & aliorum colorum cum alis virentibus, J.B.

Cynosorchis morionis fœmina, Dod. Lugd.

Triorchis serapias mas, Fuch Lugd.

Die treibet vier bis fünff Blätter, die auf dem Boden liegen und denen an der vorigen gleich sind, nur daß sie kleiner, weit schmäler und nicht so sehr gefleckt, ein wenig aderig oder streiffig. Der Stengel ist ohngefehr der Hand hoch, mit einigen Blättern eingefast, und trägt auf seiner Spitze eine Aehre, die viel kurtzer als die an der vorigen; ist auch mit solchen Blumen besetzet, die jedoch auch ein gut Theil kleiner sind, purperfarbig oder incarnat, oder weiß und mit einigen dunckeln purperfarbenen Flecken besetzet, von[814] lieblichen Geruch. Die Wurtzeln sind, wie an der vorhergehenden, zwey kleine Knötlein.

Diese Gewächse wachsen an feuchten Orten, in den Wiesen, im Moraste und in Höltzern: ihre Wurtzeln werden zur Artzney gebraucht.

Man muß diejenigen auslesen, welche dicke und fein voll, recht völlig, veste und von süssen Geschmack, und im Frühjahre ausgegraben sind: sie führen viel Oel und flüchtig Saltz.

Sie werden insgemein gebraucht die Geburtsglieder zu stärcken, guten Samen zu machen, und zur Empfängnüß zu verhelffen. Sie werden, getrocknet und zu Pulver gestossen, eines Scrupels bis auf ein halbes Quintlein schwer für jedesmahl genommen.

So werden auch diese Wurtzeln mit Zucker eingeleget und gegessen.

Orchis heist soviel als testiculus; dieser Titel ist diesem Gewächs deshalben gegeben worden, weil seine Wurtzeln wie die Geilen dieses oder jenes Thiers aussehen.

Orchis kommt von ὀρέγω, appeto, ich begehre, verlange; weil der Gebrauch der Wurtzeln dieses Kraut zu schlüpfrigen Verlangen Anlaß giebt.

Cynosorchis kommt von κυνὸς, canis, Hund, und ὄρχις, testiculus, eine Geile: als ob es heissen solte Hundehödlein.

Morio, μὸριον bedeutet soviel als ein Geburtsglied.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 814-815.
Lizenz:
Faksimiles:
814 | 815
Kategorien: