23.

Gestern Abends gab der Sprosser

– Pēhlĕwī nur sprach sein Mund –

Hoch vom Zweige der Zipresse

Lehren hohen Sinnes kund:

»Komm, denn wie das Feuer Moses«

– Sprach er – »glüht die Rose auch;

Merke dir was über Einheit

Dich hier lehrt der Rosenstrauch.«

In gereimten Tönen scherzen

Vogel in dem Gartenhain:

Bei altpersischen Ghaselen

Trinke denn der Meister Wein!

Es geniesst auf grober Matte

Sichern Schlaf der Bettelmann:

So ein Glück trifft man nicht immer

Auf dem Fürstenthrone an.

Nur das Mährchen von dem Glase

Liess Dschĕmschīd der Welt zurück;

Hüte dich dein Herz zu binden

An das eitle Erdenglück!

Treffend sprach zum Sohn der Bauer

Den gebeugt der Jahre Last:

»O mein Augenlicht! Du erntest

Nur was du gesäet hast.«

Deines Auges Blicke haben

Schwarz gefärbt der Menschen Haus;

Mög' der Hochmuthsrausch dir schwinden,

Denn noch triebst du ihn nicht aus.

Lass ein Wunder dir erzählen

Vom verkehrten Menschenloos:

»Jener Freund mit Issa's Hauche

Gab mir, ach, den Todesstoss!«

Gab der Schenke denn Hafisen

Mehr als was gebührend war?

Denn dem Mēwlĕwī-Turbane

Hängt verwirrt herab das Haar.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 63-65.
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