31.

Wohl lebt in allen Maghentempeln

Kein einz'ger toller Mann, gleich mir,

Denn für den Wein hab' ich verpfändet

Die Kutte dort, die Bücher hier.

Mein Herz – der Spiegel eines König's –

Ist wie mit dichtem Staub bestreut:

Gott sende mir den Umgang dessen

Der heller Einsicht sich erfreut!

Es flossen meines Auges Bäche

Hinab auf meines Kleides Saum,

In Hoffnung, dass vielleicht man pflanze

An's Ufer einen hohen Baum.

O bringe mir das Schiff des Weines:

Wenn ich den Freund nicht schauen kann,

Wird jeder Winkel meines Auges

Aus Herzensgram zum Ocean.

Dem Götzen, der da Wein verkaufet,

Gelobt' ich es, ich sei bereit

Nie Wein zu trinken fern von Jenem

Der dem Gelage Schmuck verleiht.

Es gibt wohl nur der Kerze Zunge

Was Liebe sei gar sinnig kund:

Dem armen Falter schliesst dagegen

Die rücksichtsvolle Scheu den Mund.

Mit mir, der ich die Mädchen liebe,

Sprich ja von etwas And'rem nie,

Denn ich bekümm're mich um Niemand

Als um das Weinglas nur und sie.

Wenn die Narcisse prahlt, sie äugle

So hold wie du, so zürne nicht:

Denn einem Blinden folgt ja nimmer

Wer da besitzt sein Augenlicht.[87]

Wie lieblich tönten mir die Worte

Die bei der Pauk' und Flöte Klang,

Am Thore einer Schenke weilend,

Ein Christ am frühen Morgen sang:

»Nennt man des Muselmanes Glauben

Das was Hafis beständig übt,

Dann wehe, wenn es nach dem Heute

Ein Morgen der Vergeltung gibt!«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 85-89.
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