38.

Reich' von jenem Wein der Liebe

– Jeden Rohen kocht er gahr –

Sind wir gleich im Fastenmonde,

Ein gefülltes Glas mir dar!

Tage schwanden seit ich Armer

Nicht berührte zärtlich warm

Eines Buchsgestalt'gen Wade

Eines Silberleib'gen Arm.

Es erscheint, o Herz, die Faste

Als ein Gast hochangeseh'n:

Ein Geschenk ist sein Verweilen,

Eine Huld sein Weitergeh'n.

Auf die Klosterpforte flieget

Wohl kein kluger Vogel jetzt,

Weil man ihm in jeder Predigt

Eine Falle hingesetzt.

Wenn ein Frömmler mich verfolget,

Klag' ich nicht: es will der Brauch,

Dass, wenn erst der Morgen graute,

Ihm der Abend folge auch.

Setzt mein Freund um lustzuwandeln

Auf die Wiese hin den Fuss,

Bote Ostwind, o dann bringe

Du von mir ihm einen Gruss;

Sag' ihm: »Wird, wer Früh und Abends

Stets nur reinen Wein geniesst,

Sich des Mannes wohl erinnern,

Der nach Hefe durstig ist?«

Wird, Hafis, dir vom Ăssāfe

Deines Herzens Recht verwehrt,

Dann erreichst durch Eigenwillen

Du gar schwer was du begehrt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 109-111.
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