9.

Der du immer nur mit Hochmuth

Blickest auf dein eig'nes Ich,

Wenn du keine Liebe fühlest,

So entschuldiget man dich.

Drehe um verliebte Thoren

Dich im Kreise nicht herum,

Du, der durch Verstandesadel

Dir erwarbest hohen Ruhm!

Von der Trunkenheit der Liebe

Trägt dein Haupt wohl keine Spur:

Ziehe hin, denn trunken bist du

Von dem Wein der Beere nur!

Eine gelbgefärbte Wange

Und ein leiderfülltes Ach

Weisen, als bewährte Zeugen,

Der Verliebten Krankheit nach.

Ohne Glanz und Schimmer wäre

Selbst der ew'ge Gartenhain,

Fehlte ihm der Huris Lippe

Und der reingeklärte Wein.

Um die Liebe jenes Mondes

Dich zu mühen sei dir Pflicht,

Glichest du an Weltberühmtheit

Selbst dem hellen Sonnenlicht.

Über eig'ne Ehr' und Schande

Setze dich hinaus, Hafis;

Ford're einen Becher Weines,

Denn berauscht bist du gewiss.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 27-29.
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