144.

Von des Herzens und der Seele Tafel

Wird dein Bild mir nimmer weggewischt,

Wie auch deine wandelnde Zipresse

Nimmer im Gedächtniss mir erlischt.

Nicht entschwindet meinem wirren Hirne

Der Gedanke an dein Angesicht;

Selbst bei aller Unbild des Geschickes

Und bei aller Qual der Zeiten nicht.

Einen Bund mit deinem Lockenhaare

Schloss mein Herz im Urbeginn der Zeit

Und, in Ewigkeit nicht von ihm weichend,

Ist's zu halten den Vertrag bereit.

Alles was mein Herz enthält, das arme,

– Nur dein Kummer nicht, der schwer es drückt –

Wird entrückt einst werden diesem Herzen,

Aber er, er wird ihm nie entrückt!

In der Seele setzte und im Herzen

Deine Liebe sich so mächtig fest,

Dass, im Falle ich das Haupt verlöre,

Sie die Seele nimmer doch verlässt.

Wenn mein Herz der Schönen Spur verfolget,

So entschuld'ge seine Leidenschaft:

Schmerzen hat es; kann sich nicht enthalten

Dem zu folgen was ihm Heilung schafft.

Wer da will, dass ihm der Kopf nicht schwindle,

Was schon oft der Fall Hafisens war,

Der verschenke nicht sein Herz an Schöne

Und verfolge sie nicht immerdar.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 675-677.
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