20.

Geh' und sorge um dich selber,

Prediger! was sprichst du? sprich!

Zwar mein Herz hat sich verwirret,

Aber was beirrt das dich?

Des Geliebten zarte Mitte

Schuf aus Nichts des Schöpfers Hand,

Als ein Räthsel, das zu lösen

Kein Geschöpf sich unterstand.

Bettler Deines Dorfes tragen

Die acht Himmel in der Brust;

Sclaven deiner Bande leben

Frei von beider Welten Lust.

Zwar mich gab der Rausch der Liebe

Der Verwüstung Preis; allein

Meines Lebens Bau erstehet

Nur durch dies Verwüstetsein.

Herz, bejamm're nicht die Härte

Deines Freundes, denn der Freund

Hat dir dieses nur beschieden,

Was denn auch gerecht erscheint:

Bis sein Mund mir meinen Gaumen

Nicht berührt, gleich einem Rohr,

Ist der Rath der ganzen Erde

Eitel Wind nur meinem Ohr.

Geh', Hafis, lies keine Mährchen,

Keine Zauberformeln mehr:

Diese Mährchen, diese Formeln

Kenn' ich leider allzusehr.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 101-103.
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