21.

Es ist die Lippe meines Freundes

Ein feuchter, blutiger Rubin,

Und freudig gebe ich die Seele,

Bloss um ihn zu erblicken hin.

Vor jenem schwarzen Auge schäme

Und vor den langen Wimpern sich,

Wer schaute, wie er Herzen raubet

Und es gewagt, zu schmähen mich.

O Führer der Kameele, schaffe

Nicht mein Gepäck zum Thor hinaus!

Am Königswege liegt ein Dörfchen,

Und dort steht meines Liebsten Haus.

Ich bin des eig'nen Schicksals Sclave,

Denn jetzt, wo Noth an Treue ist,

Ist's jenes trunk'nen Luli's Liebe

Die mich zu kaufen sich entschliesst.

Die würz'ge Scheibe einer Rose,

So wie ihr Kelch, der Ambra streut,

Enthalten Theilchen nur des Duftes,

Den mein Gewürzverkäufer beut.

O Gärtner, treibe gleich dem Weste

Nicht aus dem Gartenthore mich!

Denn deinen Rosenhain bewäss're

Mit Thränen, gleich Granaten, ich.

Nur Kandelsaft und Rosenwasser,

Die meines Freundes Lipp' enthält,

Ward mir von seinem Aug' verschrieben,

Das sich mein Herz zum Arzt bestellt.

In lieblicher Ghaselen – Dichtung

Genoss Hafis den Unterricht

Des Freund's, der süsse Reden führet,

Und wunderselt'ne Dinge spricht.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 103-105.
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