3.

Zur Morgenzeit, wenn aus dem Köschke,

Dem einsamstillen, der Natur,

Des Ostens Fackel Strahlen sendet

Nach allen Gegenden der Flur;

Wenn aus des Horizontes Busen

Der Himmel seinen Spiegel' zieht,

Worin in tausendfachen Formen

Man das Gesicht der Erde sieht;

Wenn in des Lustgebäudes Zellen,

Wo der Dschěmschīd des Himmels lebt,

Sŏhrē die Orgeltöne stimmet

Und sich zum Reigentanze hebt,

Da scheint der Harfe Ton zu sagen:

»Wer läugnet was die Liebe thut?«

Und lachend scheint das Glas zu fragen:

»Wer hat zu hindern es den Muth?«

Betrachte des Geschickes Treiben,

Und greife nach der Lust Pocal,

Denn als die trefflichste der Thaten

Bewährt sich dies auf jeden Fall.

Ein Trug nur ist und eine Schlinge

Das Haar des Liebchens »Welt« genannt:

Das haben, fern von allem Streite,

Die Weisen alle schon erkannt.

Begehre dass der König lebe,

Ist dir das Heil der Erde werth:

Er ist ein gnadenreiches Wesen,

Das Huld und Vortheil nur gewährt;

Als Gegenstand der ew'gen Gnade,

Als Hoffnungsauge hell und klar,

Als Weltgeist strahlt voll Kraft und Wissen

Schědschā', der König, immerdar.

Hafis, verweil' an seinem Thore,

So wie ein Knecht bei seinem Herrn;

Er ist ein Fürst der Gott gehorchet,

Und ihm gehorchen alle gern.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 151-153.
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