10.

Auf alles, was ich Zartes sagte

Zu jener Reize Preise,

Erwiederte, wer es vernommen:

»Gott lohn's auf jede Weise!«

Ich sprach: »Wann wird die schwache Seele

Erbarmen bei dir finden?«

Er sprach: »Wann einst die Scheidewände

Der Seelen werden schwinden.«

Die Liebe und die Kunst des Zechens,

Die Anfangs leicht geschienen,

Verbrannten endlich meine Seele,

Die heiss gestrebt nach ihnen.

Man hört vom Dache eines Hauses

Den Wollekrämpler singen;

Erkundigt Euch beim Schafiiten

Doch nicht nach solchen Dingen!

Ein Freund, ein Schelm, ein holder, zarter

War's, dem das Herz ich weihte.

Und der gar schöner inn'rer Gaben

Und äuss'rer sich erfreute.

Ich war, wie dein berauschtes Auge,

In Winkeln nur zu schauen;

Nun neig' ich mich zu den Berauschten,

Gleich deinen eig'nen Brauen.

Die Sündfluth hab' ich hundert Male

Im Augennass gefunden,

Doch ohne dass vom Blatt des Busens

Dein Bildniss wär' verschwunden.

Mir wehret, ach, der Herzensräuber

Die Gunst zu ihm zu kommen,

So sehr dazu von allen Seiten

Ich Anlass auch genommen!

O Freund, es schützt die Hand Hafisens

Vor Blicken, die verwunden:

Wann wird sie, Herr, um deinen Nacken

Als Amulet gebunden?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 205-207.
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