9.

Der Liebe Duft hab' ich gerochen,

Und des Genusses Blitz geseh'n:

Komm, kühler Nord, und lass vor Wonne

Bei deinem Wohlduft mich vergeh'n!

Du Führer von des Freund's Kamehlen

Halt' an und komm in's Standquartier,

Denn die Geduld, die schöne, mangelt

Aus Sehnsucht nach der Schönheit mir!

Lass, o mein Herz, die Klage fallen,

Die dir der Trennung Nacht erpresst,

Zum Dank', dass des Genusses Morgen

Den Vorhang wieder steigen lässt;

Und weil der Freund den Frieden wünschet

Und die Vergebung will erfleh'n,

Kann man die Pein des Nebenbuhlers

In jeder Lage überseh'n.

Komm, denn den Vorhang meines Auges,

Wie Rosen roth und siebenfach,

Benützte ich um auszuschmücken

Der Wahngebilde Werkgemach.

Mir wohnt in dem beengten Herzen

Das Wahnbild deines Mundes nur;

O folgte Niemand doch, mir ähnlich,

Der Wahngebilde eitler Spur!

Betrübt, und zwar aus gutem Grunde,

Bin ob des Seelenfreundes ich:

Betrübt ja sonst ob seiner Seele

Kein Sterblicher mit Vorsatz sich.

Ermordet liegt, durch deine Liebe,

Hafis, der Fremdling, hier; allein

Kömmst du vorbei an meinem Grabe,

So soll mein Blut gerecht dir sein!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 203-205.
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