64.

Ziele mit dem Wimpernpfeile

Nimmer nach dem Herzen mir,

Denn vor deinem kranken Auge

Sehn' ich mich zu sterben hier.

Deiner Schönheit Summe reichet

Zur Vollendung schon hinan:

Gib denn mir davon den Zehent,

Mir, dem gar so armen Mann.

Jener Vogel, der sein Liedchen

Morgens und allabendlich

Von des Himmelsthrones Dache

Laut erschallen lässt, bin ich.

Fülle mir mit Wein den Becher,

Denn, da Liebe mich beglückt,

Bleibt mein Glück ein ewig junges,

Wenn mich auch das Alter drückt.

Meines Busens Räume füllten

Also mit dem Freunde sich,

Dass das Denken an mich selber

Mir aus dem Gemüthe wich.

Nur der Wein und nur der Sänger

Sei'n in Rechnung mir gebracht,

Wenn das Rohr des Schreiberengels

Sich zum Schreiben fertig macht;

Und in jenem Streit, wo Keiner

Freundlich um den Andern frägt,

Werde ich zu grossem Danke

Für des Wirthes Huld bewegt.

Wirst du wohl noch lang, o Frömmler

Mich bethören, wie ein Kind,

Dessen Köder Gartenäpfel

Oder Milch und Honig sind?[369]

Mit den Weinverkäufern habe

Ich geschlossen den Vertrag

Mich nur an das Glas zu halten,

Nahet einst des Grames Tag.

O des frohen Augenblickes

Wo der Stolz des Rausches mir

Unabhängigkeit gewähret

Von dem König und Wesir!

Denn in meinem Busen bergen

Mannigfache Schätze sich,

Blicket auch der Widersacher

Mit Verachtung nur auf mich.

Abgewandt hat von Hafisen

Sich mein Herz in dem Moment

Wo zum Freund mir ward der Schenke,

Er, von dem mich nichts mehr trennt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 367-371.
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