66.

Ich gab den Unterricht des Morgens

Für Sehnsucht nach dem Weinhaus hin,

Und opferte dem Seelenfreunde

Der Andacht heiligen Gewinn.

Die Garbe hundert weiser Männer

Wird lichterloh in Brand gesetzt

Durch jenes Maal das ich, der Tolle,

Mir in das eig'ne Herz geätzt.

Der ew'ge Herrscher hat die Schätze

Des Liebesgrames mir beschert.

Seit den Ruinen dieses Hauses

Das Angesicht ich zugekehrt.

Nie wurde noch ein gröss'rer Heuchler

Bedeckt von einem Ordenskleid,

Dem ich als Grundbau unterlegte

Das Mienenspiel der Trunkenheit.

Ich öffne keiner Götzenliebe

Die Herzensbahn wie einst zuvor,

Denn Seiner Lippe Siegel legte

Ich nun an dieses Hauses Thor;

Und jenen Kuss, um dessentwillen

Der Frömmler mir gereicht die Hand,

Ich legte ihn mit reinem Sinne

Hin auf des Weinpocales Rand.

Gottlob, des Herzens und des Glaubens

War, wie ich selber, auch beraubt

Der Mann, an dessen Weisheitspflege

Und helle Einsicht ich geglaubt.

Dies Schiff, stets hin und her getrieben,

Wie fördert es den ferner'n Lauf?

Ich opferte ja meine Seele

Für diese selt'ne Perle auf.

Ich war, Hafisen gleich, zufrieden,

Erschienst du mir im Bilde nur;

O Herr, wie dürftig ist mein Streben

Und wie befremdender Natur!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 373-375.
Lizenz:
Kategorien: