73.

Bin nicht der Zecher der's vermöchte

Dem Wein und Schönen zu entsagen;

Auch weiss der Vogt dass ich wohl nimmer

Solch' eine Handlung würde wagen.

Ich, der so lang auf Jene schmähte

Die es verschworen Wein zu trinken,

Ich wäre toll, verschwör' ich selber

Den Wein zur Zeit wo Rosen winken.

Die Liebe gleicht dem Perlenkorne: –

Ich tauche d'rum in's Meer der Schenke;

Wo wird das Haupt zum Vorschein kommen,

Das Haupt, das ich darein versenke?

Ich, der ich einen Schatz besitze

An Perlen- und Rubinenthränen,

Ich sollte mich nach Segensspenden

Der hochgestirnten Sonne sehnen?

Ich, der, als Bettler, Schätze habe

Die eines Herrschers würdig wären,

Ich sollte auf den Himmel hoffen

Der nur Gemeine pflegt zu nähren?

Narcissen zechen, Tulpen bechern!

Und mich, mich will man Wüstling nennen?

Ich hab', o Herr, der Händel viele:

Wen soll als Richter ich erkennen?

»Sei fromm!« sprichst du zur Zeit der Rosen;

»Von ganzem Herzen« würd' ich sagen,

Müsst' ich nicht erst um ihre Meinung

Die Schönen und den Becher fragen.

Wenn Freundesgnade die Verliebten

Zur Feuerqual verdammen sollte,

Soll ich erblinden, wenn mein Auge

Nach Himmelsquellen spähen wollte;[393]

Und würd' ich plötzlich eine Weide,

Und leer wie sie, die Früchtelose!

Wie sollt' ich dann das Haupt erheben

Aus Scham vor dem Gesicht der Rose!

Und wusch das Sammelbuch der Rose

Der Morgenwind im Gnadenthaue,

So soll mein Herz ein falsches heissen:

Wenn ich auf Bücherblätter schaue.

Zwar mich befleckt der Staub der Armuth;

Doch müsst' ich vor mir selbst erröthen,

Hätt' ich, um mir den Saum zu netzen,

Das Nass des Sonnenquell's vonnöthen;

Und weil Vertrag und Bund des Himmels

Nicht die gehoffte Achtung finden,

Schliess' ich mit dem Pocal Verträge,

Und will mich mit dem Glas verbinden.

Den Zaum ein wenig angehalten,

Mein Türke, Aufruhr du der Städte,

Dass Wangengold und Thränenperlen

Ich auf die Reisebahn dir bette!

Ein Minnespiel, nach Art der Zecher,

Kann meinem Handeln jetzt nicht frommen:

Doch sollt' ich – einmal d'rein verfallen –

Auf andere Gedanken kommen?

Aus dem Rubin – so sprach man gestern –

Strömt Kandel dir; allein bedenke

Dass, bis mein Mund ihn nicht verkostet,

Ich jenem Wort nicht Glauben schenke.

Die Altarnische deiner Braue

Begehr' ich von der Gunst der Sterne,

Damit ich dort so Früh als Abends

Die Wissenschaft der Liebe lerne.

Ich, der des wahren Paradieses

Schon heute freudig kann geniessen,

Ich sollte einem Pred'ger glauben

Der mir's erst morgen will erschliessen?

Ein Sclav' bin ich Mănssūr's, des König's,

Doch dürfte es ganz nahe liegen,

Dass ich des Ostens lichten König

Durch Kraft vermöge zu besiegen.[395]

Gescherzt hat gestern mit Hafisen

Dein Mundrubin; allein bedenke

Ich sei es nicht der solchen Mährchen

Von seiner Seite Glauben schenke.

Zur Zeit der Rosen Tugend üben?

– Sei klug Hafis – welch ein Beginnen!

Ein »Zu dir flücht' ich« will ich beten,

Und eines Ander'n mich besinnen.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 391-397.
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