1.

[89] Bist du mir ein liebender Gefährte,

Musst du Wort mir halten treu und wahr

Und im Stübchen, Bad und Rosenhaine

Mir Gesellschaft leisten immerdar.

Gib die Krause der verwirrten Locke

Nimmermehr dem Winde in die Hand;

Sage nicht: »Verwirrung möge herrschen

Im Gemüth, das Liebe nur empfand!«

Wenn an Chiser's Seite dich zu setzen

Ein Gefühl der Sehnsucht dich beschlich,

Nun, so sei dem Lebenswasser ähnlich

Und verbirg vor Alexandern dich!

Schmeichlerische Liebespsalmen singen

Kann nicht jeder Vogel unbedingt:

Komm denn du und sei die junge Rose

Dieses Sprossers, der Ghasele singt!

Fortzuwandeln auf des Dienstes Pfade,

Und der Pflicht der Knechtschaft mich zu weih'n.

O gestatt' es mir um Gotteswillen

Und du selber sollst mein Sultan sein!

Hüte dich und falle ja nicht wieder

Mit dem Schwert die heil'ge Beute an,

Und empfinde Reue über Alles,

Was du meinem Herzen angethan!

Bist des Kreises Kerzenlicht; drum habe

Eine Zunge nur und nur Ein Herz,

Und im Geist des Falters Streben schauend,

Lächle freundlich auch im grössten Schmerz![89]

Nur im Augenspiele zeigt vollendet

Schönheit sich und Liebenswürdigkeit:

Sei daher durch Zärtlichkeit der Blicke

Einer von den Selt'nen deiner Zeit!

Schweig', Hafis, und ist der Freund auch grausam,

So beklage dich darüber nicht:

Denn wer hatte staunen dich geheissen,

Schautest du ein schönes Angesicht?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 89-91.
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