1.

[75] An das Ufer des Araxes,

Ostwind, deine Flügel lenkend

Küsse jenes Thales Erde,

Deinen Hauch mit Moschus tränkend:

Dort erscheint Sělmā's Behausung,

– Der ich hundert Grüsse schicke –

Laut durchlärmt von Maulthiertreibern

Und Geläute, deinem Blicke;

Küss' der Seelenfreundin Sänfte

Und dann sprich mit bangem Flehen:

»Es verbrennt mich deine Trennung:

Theure, komm mir beizustehen!

Mich, der der Ermahner Rede

Einen Klang der Zither nannte,

Nahm die Trennung bei den Ohren

Was zur Gnüge mich ermannte.«

Schwärme Nachts, von Furcht geborgen:

Sind doch in der Stadt der Liebe

Alle, die die Nacht durchschwärmen.

Wohlbekannt dem Vogt der Liebe.

Liebe ist kein Spiel zu nennen:

Herz, da ist der Kopf zu wagen;

Denn nicht mit der Gierde Schlägel

Lässt der Liebe Ball sich schlagen.

Gern wird trunk'nem Freundesauge

Jedes Herz die Seele spenden,

Gibt auch sonst, wer nüchtern heisset,

Seine Wahl nicht aus den Händen.[75]

Während fröhlich Papageie

Auf dem Zuckerrohr sich wiegen,

Schlagen sehnsuchtsvoll die Pfötchen

Über's Haupt die armen Fliegen.

Wenn dem Freund Hafisens Name

Von des Rohres Zunge glitte,

Hätt' ich an den hohen König

Wahrlich keine and're Bitte.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 75-77.
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