Die dreißig Silberlinge, um welche der Iskarioth Christum den Herrn verrathen, seynd den Verstorbenen zu Nutzen kommen.

[370] Wie Judas die gefällte Sentenz und blutige Urtheil über Christum in dem Pallast des Pilati vernommen, da hat ihn alsobald das böse Gewissen, als ein einheimischer Henker, dergestalten peiniget und gleichsam tyrannischer Weise gefoltert, daß er gleich einem rasenden und tobenden Menschen über die Gasse geloffen, die Hohepriester und Fürsten der Synagog allenthalben gesucht, und da er die meisten derselben im Tempel angetroffen, welche für die herzunahende österliche Zeit alle gehörigen Anstalten machten, hat er ihnen das empfangene Blutgeld wieder zurückgeben, und anbei öffentlich bekennt und ausgesagt, daß Jesus unschuldig sey. Indem sie endlich solches Geld geweigert anzunehmen, hat er solches ihnen vor die Füße geworfen und nachmals sich aus den Augen gemacht, dann er schämte sich wegen solcher unerhörter Lasterthat vor ehrlichen Leuten, deren doch damal wenig waren, zu erscheinen. Die geistlichen Herren und Vorsteher der Synagog thäten sich alsobald[370] berathschlagen, zu was besagtes Geld möchte angewendet werden, haben endlich sämmtlich beschlossen, daß man hievon einen Acker soll kaufen, worin künftige

Zeit die Fremden möchten begraben werden. Dieses wäre ein stattliches Mittel und glückseliger Vorschub gewesen, spricht mein hl. Vater Augustinus, daß solche gottlosen Hohepriester hätten leicht können zur göttlichen Gnade und Nachlaß der Sünden kommen, wann sie nur hätten wollen, Invenit tandem mens coeca remedium. Dann unserm lieben Herrn fast nichts werthers und wohlgefälligers ist, als wann man sich der Todten annimmt und forderist der abgestorbenen Christgläubigen sich erbarmet, welche in jener Welt noch die harte und schwere Strafe des Fegfeuers haben auszustehen. Ich glaube zwar wohl, daß diese meine wenigen Schriften auch denjenigen unter die Augen kommen, welche das Fegfeuer für ein äsopisches Gebäu halten; ich weiß mich aber gleichwohl zu entsinnen, daß ich selbst vor etlich dreißig Jahren zu Ulm einen ehrlichen Mann nach langer Ansprach gefragt, ob sein Vater noch bei Leben sey? der mir aber fast seufzend geantwortet mit Nein, sondern sein lieber Vater (tröst ihn Gott) also pflegte er zu sagen, sey bereits vor acht halb Jahren mit Tod abgangen; nun gedachte ich bei mir zu was dieser Wunsch (tröst ihn Gott) dienen soll; dann so er in der ewigen Glückseligkeit, alsdann scheint unnöthig, ihm solches zu wünschen, massen er diese allbereits besitzt: ist er aber in der ewigen Verdammnuß, so ist der Wunsch ebenfalls fruchtlos und ohne Nutzen. Urtheilet also, daß solcher löbliche Wunsch einen Ursprung mußte haben von uralten[371] Zeiten her, da man noch an dem Fegfeuer nicht gezweifelt. Zu dessen besserm Licht setze ich anbei diese große Fackel der Kirche, meinen heiligen Vater Augustinum, dessen feuriges Herz jederzeit ein herzliches Mitleiden getragen gegen die armen Seelen im Fegfeuer.


Ciet extincta tumultum.


Nimiae impudentiae est, negare animas interdum ad nos redire, Deo jubente vel permittente habemus enim Testimonium gravissimorum Autorum. lib. de cura pro Mort. Pag. 15.

Es spricht unser hl. Vater Augustinus: »Daß jemand sehr frech und unverschämt sey, der da läugnen darf, daß bisweilen die Seelen durch Befehl oder Zulassung Gottes wiederum zu uns kommen und uns erscheinen können, zumal solches von den bewärthesten Lehrern bestätiget wird.«


Es ist zwar nicht ohne, daß bei dergleichen Erscheinungen gar oft viel Betrug unterlaufe, entweder durch den bösen Feind, welcher die Tücke und Arglist, womit er anfangs, die Eva übervorthelt, noch immerfort bei den unbehutsamen Adamskindern spüren läßt, oder aber durch schlimme und vermessene Leute, welche unter dem Schein der Erscheinungen nicht selten einige Bosheit suchen und vermänteln, so geschieht auch oft, daß unsere einbilderischen Phantaseien oder schwache und verwirrte Sinn bisweilen seine Geisterscheinungen von freien Stücken sich selbst schnitzeln; dergleichen geschieht in einer solchen Menge, daß man ganze Bücher könnte damit anfüllen. Es hat unlängst ein solcher eingebildter Geist etliche Leute aus der Stube hinaus dergestalt gejagt, daß einer über den andern[372] trippelweis über die Stiege hinunter gefallen, und als man hernach die Sache weiters erwägt, und besser nachgesucht, so war der Geist nichts anders als ein gebratner Apfel in dem Ofenrohr, so wegen der Hitz angefangen zu seufzen und zu pfeifen. Unangesehen vieler solcher phantastischen Einbildungen oder andern frechen Bubenstück, wodurch zuweilen vermessene Leute andere suchen zu erschrecken, das zu ihrem bösen Vortheil zu gebrauchen, kann ohne große Thorheit nicht widersprochen werden, daß nicht mehrmal dergleichen wahrhafte Erscheinungen der Geister sich begeben.

Kaiser Ferdinandus, seligster Gedächtnuß, hatte stets bei sich und um sich einen geheimen Sekretair, dem seine Majestät als einem allertreuesten Diener alles anvertraut, nachdem solcher auch die Schuld der Natur bezahlt, und durch den zeitlichen Hintritt in die Ewigkeit passirt, so ist er nicht lang hernach dem Kaiser, als seinem zuvor allergnädigsten Herrn, ganz sichtbarlich erschienen, welchen dann der fromme Kaiser mit unerschrockenem Gemüth angeredet, und um die Ursache seiner Ankunft aus jener Welt befragt, weil aber hierüber keine Antwort erfolget, sondern anstatt dessen der Geist Ihro Majestät seine Hand dargereicht, welche der unerschrockene Monarch auch nicht geweigert, aber wegen übermäßiger Hitze seine Hand alsobald mußte zurückziehen, worauf auch der Geist verschwunden, und nicht mehr nachmals erschienen, weil der mildherzigste Kaiser sehr viele hl. Messen für ihn hatte lesen lassen.

Nachdem der heiligen Elisabeth, einer königlichen Tochter in Ungarn, ihre Frau Mutter mit Tod abgangen,[373] ist sse einmal bei der Nacht besagter ihrer Tochter, in schwarzem Aufzug und betrübtem Angesicht, erschienen, sich zu dero Füßen geworfen, liebste Tochter, sprach sie, ich beschwöre dich, daß du mit deiner bedrängten Mutter wollest ein Mitleiden tragen, dann ich leide unermeßliche Qualen und Tormenten in dem Fegfeuer, dieweil ich etlichmal lau und nachläßig gewesen in dem Dienst Gottes! O Tochter! O Tochter! ich klopfe mehrmal an die Porten deiner Barmherzigkeit, ich bitt, ich bitt, ich bitt etc. Wie nun die hl. Elisabeth hierüber sich zu dem Gebet begeben, und mit vielen untermengten Zähren, mit tiefen Herzensseufzern die göttliche Milde um Erlösung ihrer Frau Mutter ersucht, ist sie nicht lang hernach in ein sanftes Schläfel gerathen, worin sie gesehen, daß ihre liebste Mutter, vermög ihres Gebets, ganz frohlockend aus solchem feurigen Kerker in die ewige Seligkeit übertragen worden.

Unzählbar solche Erscheinungen findet man schier in allen Büchern, ja es streicht mehrmal nicht Ein Jahr vorbei, in welchem nicht da und dort dergleichen Begebenheiten sich ereignen, allein begegnet hierinfalls eine Beschwernuß und harte Frag, wie und was Gestalt man erkennen kann, ob sothane Erscheinung wahrhaftig sey, oder aber grundlos und mit Spiegelfechterei gefüttert.

Wann erstlich die Person, so dergleichen Erscheinung vorgibt, einen frommen und unsträflichen Wandel führt, so muß man doch dero Erzählungen ein willkührliches Ohr vergönnen und ihre Wort nicht gleich in Wind schlagen.

Wann nachmals eine solche Person hindurch kein[374] Interesse oder zeitlichen Gewinn sucht; dann gar oft eine gemeine Dienstmagd mit solchen Erscheinungen aufzieht, dadurch bei ihrer Herrschaft besser in Gnaden zu kommen, und folgends mehr belohnt zu werden.

Wann das Begehren des Geistes in billigen Sachen besteht und nicht einige Andachten untermischt, worin viel Aberglauben sich anhängt, wie nicht unlängst ein Geist soll begehrt haben, man soll seinet wegen bis nach Alten-Oetting Wallfahrten gehen, aber mit solchen Schuhen, mit denen man niemals über einen Freudhof oder Gottsacker gangen.

Wann der Geist erscheint in menschlicher Gestalt und nicht in Gestalt der wilden Thiere, als Katzen, Hunde, Bären, Wölfe oder andern Bestien, massen solche Erscheinungen mehr dem bösen Feind, als den guten Geistern zugemessen.

Wann der Geist kein Scheuen trägt ob dem heiligen Kreuzzeichen, an dem süßesten Namen Jesu und Maria, heiligen Reliquien, Weihwasser, Agnus DEI etc.

Wann der Geist zufrieden ist mit dem, was er anfangs begehrt und allbereit für ihn schon verricht worden, dann sofern er nach Abstattung der verlangten guten Werke noch fernere Ungelegenheit im Haus und der Person macht, kann dießfalls gar leicht ein Betrug und Falschheit des bösen Feinds oder auch der Person vermuthet werden.

Wann endlich die Erscheinung des Geistes anfangs einen Schrecken verursacht und sich die Natur darob erstlich entsetzt, nachgehends aber ein sonderer Herzenstrost entsteht, so scheint es ein gewisses Kennzeichen[375] eines guten Geistes, der da Hülfe sucht zu seiner Erlösung; soll aber der Geist zu Anfang das Gemüth mit Trost erfüllen, zuletzt aber Angst, Furcht und allerlei Entrüstungen verursachen, so kann man gar leicht abnehmen, dieses sey ein böser Geist und zwar nicht allemal eine verdammte Seele, sondern meistens der böse Feind und Satan selbst, welcher viele Orte solcher Gestalt aus göttlicher Verhängnuß pflegt zu beunruhigen.

Rathsam und heilsam ist es, so oft man nächtlicher Weile ein unnatürliches Getös oder Klopfen spüren thut, wie ich es selbst erfahren, da in Gegenwart meiner und eines andern Gespan, eine unsichtbare Hand alle großen eisenen Leuchter zur Mettenzeit, in dem Chor ordentlich an ihr Ort gestellt etc. Gut ist es, daß man bei dergleichen Zufällen ohne weitern Verzug das hl. Gebet ergreift, und solches Gott dem Allmächtigen aufopferte für jene Seele, so da aus Zulassung Gottes auf solche Weise Hülfe verlangt, wie dann wir auch gethan für den Pater, so des vorigen Tags mit Tod abgangen.

Gleich wie auch in der Charwoche nach Auslöschung der Kerzen auf dem dreieckigen Leuchter, pflegt ein Getös und Schlagen zu geschehen, wovon die Mette den Namen schöpfet die Pumpermette, also geschiehts mehrmals, wann unsere Freunde und Anverwandte mit Tod abgehen und gleichsam wie die Kerzen auslöschen, daß nachmals im Haus ein Tumult zuweilen gespürt wird, welches meistens dahin deutet, daß wir ihnen in jener Welt sollen eine Hülfe leisten.


[376] Non nisi spicula torquet.


Hic ignis, etsi non sit aeternus, miro tamen modo gravis est, supetat enim omnem poenam, quam homo unquam passus est in hac vita, vel pati potest.

Es spricht der hl. Vater Augustinus: »Daß jenes Feuer, ob es schon nicht ewig, doch auf eine wunderliche Weise schwer sey, ja es übertreffe alle Pein und Marter, die ein Mensch auf der Welt einmal gelitten hat oder leiden kann.« S.P. Augustinus Serm. de igne purgat.


Nachdem Jonas seine Bußpredigt zu Ninive vollendet, begab er sich aus der Stadt hinaus, und setzte sich unweit derselben auf einen Hügel, den Ausgang zu erwarten, was doch der Stadt möchte wiederfahren, machte sich auch anbei eine kleine Lauber-Hütte, damit ihm die Sonnenhitze nicht so hart könnte zusetzen, auch ließ der allmächtige Gott eine Kürbis aufwachsen, dessen große breite Blätter dem Propheten einen angenehmen Schatten gemacht, worüber er sich nicht ein wenig gefreut, aber solche Begnügung hatte einen kleinen Bestand, massen aus Befehl des Allerhöchsten in aller Frühe, noch vor Aufgang der Morgenröth, ein kleines Würmel den Kürbis zerbissen, worauf er alsobald verdorret, und nachmals den brennenden Sonnen-Strahlen freien Paß auf das Haupt des Propheten geben, welches ihm so großen Verdruß verursachet, daß er vor lauter Zorn und Ungeduld sich gegen Gott, nicht ein wenig beklagt, ja sogar ohne Scheu sich hören lassen, daß er auf solche Weis lieber todt als lebendig wolle seyn.

Ei du ungeduldiger Jonas! so kannst du nicht leiden kleine Sonnen-Hitz? so machen die Sonnen-Strahlen[377] so große Qualen? aber du bist nicht allein so heicklich, deinesgleichen findt man, sieht man, hört man unzählbare Adams-Kinder, welche die allergeringste Hitze nicht können ausstehen, wann sie von einem einigen Tropfen Petschier-Wachs getroffen werden, so muß das auweh hundert und neun und neunzigmal wiederholt, wann sie nur mit bloßen Händen ein Licht butzen, so schnellen sie mit den Fingern, als hätten sie dem feuerspeienden Berg Aetna in den Busen griffen, wann sie mit einem heißen Löffel-Suppen das Maul verbrennen, so jammern und lamentiren sie, daß auch die Augen derentwegen in die Schwemm reiten, o Gott! o Himmel! wie wird euch dann das Fegfeuer ankommen, gegen dessen Schmerzen, alle Pein der Welt nur für ein Scherzen zu halten.

Ein Druck unter der Preß, sagt, ich leide; ein Haar oder Flachs durch die Hächel, sagt, ich leide; ein Amboß unter dem Hammer, sagt, ich leide; ein Brett unter dem Hobel, sagt, ich leide; ein Weihrauch auf der Glut, sagt, ich leide; ein Braten an dem Spieß, sagt, ich leide; eine Erd unter dem Pflug, sagt, ich leide; ein Treidkörnel unter dem Mühlstein, sagt, ich leide; ein jeder Mensch, so geplagt wird, sagt, ich leide, ich leide. Aber hört ein wenig, macht die Ohren auf, wann man euch sagt, daß all euer Leiden nur Freuden seyn gegen das Fegfeuer.

Laß dir mit glühenden Pfriemen ausstechen die Augen, diese gläsernen Kuppler; laß dir mit glühendem Messer abschneiden die Nase, diesen polirten Rauchfang; laß dir mit glühender Scheer abschneiden die Ohren, diese zwei Audienz-Zimmer; laß dir mit glühendem[378] Schnitzer ausschneiden die Zung, diesen so künstlichen Sprachmeister; laß dir mit glühenden Zangen ausbrechen die Zähn, die elfenbeinene Zuschroder; laß dir mit glühendem Beil abhauen die Finger, die so spitzfindigen Künstler; laß dir mit glühendem Stemmeisen abhacken die Zehen, diesen so steifen Fußboden; laß dir mit glühendem Scheermesser Riemen schneiden aus der ganzen Haut, aus diesem so heicklichen Ueberzug, so ist doch Alles dieses nur ein Schatten, weiter nichts als ein Schatten gegen der mindesten Pein im Fegfeuer.

Alles auweh wegen des Augenweh, alles auweh wegen Zahnweh, alles auweh wegen des Halsweh, alles auweh wegen des Brustweh; alles auweh wegen des Ruckweh, alles auweh wegen des Seitenweh, alles auweh wegen des Herzweh, alles auweh wegen des Milzweh, alles auweh, so der Mensch am Leib, im Leib, um den Leib erlitten hat, und noch leidet, und ferners leiden wird, ist, ist, ist, was? ist nur eine Einbildung, ein Gedicht, nur ein gemaltes Wesen gegen dem Fegfeur.

Wie ist dir Jeremias gewesen in der Grube? übel, das glaubt man. Wie ist dir Joseph gewesen in der Gefängnuß? übel, das glaubt man. Wie ist euch Bürgern gewesen in der Brunst zu Sodoma und Gomorrha? übel, das glaubt man. Wie ist dir Achan gewesen unter dem Steinhaufen? übel, das glaubt man. Wie ist dir Absolon gewesen an dem Eichbaum? übel, das glaubt man. Wie ist dir Samson gewest, da du an Händ und Füß gebunden worden? übel, das glaubt man. Wie ist euch armen Seelen im Fegfeur? übel,[379] übel! Aber das will kein Mensch glauben, und kanns kein Mensch glauben, o Gott!

Die Kostnizer Chronik registrirt eine wunderseltsame Geschicht, so sich nach Christi Geburt Anno 1134 soll zugetragen haben. Herr Albrecht, Freiherr von Zimmern, bediente mehrmals den Hof des Herzogs Friedrich in Schwaben, einsmals begleitete er den Herzog, samt dem fürstlichen Hof bis nach Monheim zu dem Grafen Chringer, allwo neben andern Lustbarkeiten auch eine Jagd wurde angestellt, meistens darum, weil in dem nächst entlegenen Wald vor vielen Jahren her, ein Hirsch von einer ungeheuren Größe, so aber niemal von den Jägern konnte ertappt werden. Als nun der Fürst mit dem häufigen Adel in wirklicher Jagd begriffen, und Herr Albrecht von Zimmern hierein nicht der mindeste seyn wollt, hat sich ungefähr zugetragen, indem besagter Kavalier auf die Seite in etwas geritten, daß ihm der große Hirsch unter die Augen kommen, dem er mit allem Eifer und möglichsten Fleiß nachgesetzt, dergestalten, daß er sich von der Hof-Staat gänzlich verloren, und als er vermeinte den Hirschen schon zu haben, da ist anstatt dessen ein großer Mann vor ihm gestanden, wovon der sonst unerschrockene Kavalier sich nicht ein wenig entrüst, endlich redet ihn dieser Geist folgender Gestalten an, fürchte dir nicht Albrecht, dann ich habe einen besondern Befehl von Gott, dir etwas hochwichtiges anzudeuten, reite mit mir, so wird eine unerhörte Sach geoffenbaret werden. Albrecht von Zimmern weil er von Gott gehört, weigerte solches gar nicht, folgte ohne weitere Furcht dem Geist, bis sie endlich[380] zu einem herrlichen Pallast gelangt, in dessen Mitte ein sehr kostbarer Saal zu sehen war, darin eine große Tafel voller hochansehnlicher adelicher Gäst, welche alle sich zeigten, jedoch mit höchstem Stillschweigen, als thäten sie essen; wie nun Herr Albrecht Alles genau besichtiget, und sich nicht genug hierüber konnte verwundern, bekommt er von dem Geist einen Befehl, daß er sich wieder auf den Zurückweg solle begeben, welches auch ohne fernern Verzug geschehen; der Geist aber fragte ihn, was er von dieser Sach halte, und was er vermeine, wer diese seyn? als solches der Freiherr mit Nein beantwort, sodann offenbarte ihm der Geist, wie daß solches seine Freundschaft sey, so schon vor vielen Jahren mit Tod abgangen, anjetzo aber wegen gewissen Sünden noch in zeitlicher Strafe liege, und unglaubliche Peinen leide, worüber dieser Geist auch verschwunden. Herr Albrecht wollte noch einmal umschauen, und den wunderschönen Pallast noch einmal anblicken, sieht aber, daß selbiger in völligem Feuer und Flammen, mit erschrecklichem Prasseln des Schwefels und Peches, dann auch ein wehmüthiges Schreien und Lamentiren, worüber er dergestalten erschrocken, daß uneracht er ein Kavalier von etlich dreißig Jahren, am ganzen Kopf schneeweiß worden wie ein eisgrauer Mann, welches den Herzog und die gesamte Hof-Staat in höchste Verwunderung, gestellt; bald hernach ist zu Trost der verstorbenen Christgläubigen, forderist seiner Freundschaft, eine schöne Kirche samt einem Jungfrau-Kloster dahin gebaut worden.

Reden läßt sich viel, aber nicht genug, erzählen[381] läßt sich viel, aber nicht genug, malen läßt sich viel, aber nicht genug, schreiben läßt sich viel von dem Fegfeuer und dessen größte Pein, aber nicht genug, nie genug; gleichwie nun ein Igel über und über voller Spitz und Spieß, und gänzlich nichts linds an sich, sondern alles nur zum Verwunden und Beleidigen, also ist in jenem zeitlichen Kerker nichts zu sehen, zu hören, zu riechen, zu kosten, zu fühlen, als lauter weh, weh, weh.


Prospere si propere.


Festinate orare pro Defunctis Ecclesiae. S. Pater Augustinus. Serm. 44. ad ffr. in Erem.

»Eilt, eilt zu beten für die verstorbenen Christglaubigen,« spricht der hl. Vater Augustinus.


Nachdem die übergebenedeite Jungfrau Maria durch Ueberschattung des heil. Geistes Gottes Sohn in ihrem reinsten Leib empfangen, hat sie sich alsobald auf die Reis' gemacht, ihre liebste Maim und Baas Elisabeth, so dazumal im sechsten Monat groß Leibs gangen, zu besuchen und folgsam zu bedienen, sie hat aber solche Reis' in aller vollzogen, massen sie den ersten Tag des Aprils an einem Freitag (wie Kolvenerius zeugt) ausgangen, und am Montag schon bei Zeiten in das Haus Zachariä, ungeacht des großen und harten Gebirgs sich eingefunden, also in so wenig Tagen 95 welsche, das ist 19 deutsche Meilen gemacht, welches an dem so zarten Jungfräulein höchst zu vermundern, wie dann solches der Evangelist selbst umständig beschreibet. Daß sie nämlich eilends gegangen, über das Gebirg in die Stadt Juda etc. Weil[382] sie wußte, daß durch ihre Ankunft der kleine Joannes noch im Mutterleib von dem Band der Erbsünde sollte losgemacht werden, also hat sie solche Reis ohne einigen Aufenthalt aufs Allerschleunigste vollzogen, ganz eilends, uns zu einer sonderbaren Lehr; wann wir doch wollen dermalen unserm Nächsten aus einem Elend helfen, daß wir solche Hülf im Geringsten nicht aufschieben, sondern ohne weitern Verzug unsere barmherzigen Händ darreichen, eilends, eilends.

Nichts tyrannischer und grausamer kann erdacht werden, als wann wir die Hülf gegen die abgestorbenen Christgläubigen auf so lange Bank schieben. Wann ein Todfall geschieht, ist meistens das erste Schicken zum Schneider, damit die Klagkleider ohne Hindernuß verfertiget werden, unterdessen bratet und brennet er; man schickt zu zwei oder drei Tischlern, welcher um leichtern Werth die Truhe mache, unterdessen bratet er, und brennet er; man deutet es der Obrigkeit, an wegen der gewöhnlichen Sperr, unterdessen bratet und brennt er; man thut es der ganzen Freundschaft zu wissen, unterdessen bratet er, und brennt er; mit harter Mühe des folgenden Tags wird ein oder andere Meß gelesen. Die Pia Legata können dermal nicht abgestattet werden, dann das Testament hat eine Klausel, aus welcher vermuthlich ein Prozeß geschmiedet wird, der sich aber vor Jahr und Tag nicht enden wird, unterdessen bratet er und brennt er. Kurz vor seinem Tod hat mir mein Vater auferlegt, ich sollt diese Schuld bezahlen, welches auch, geliebts Gott, geschehen soll, aber ich will erst warten, in was für einen Preis heuer das Treid werde[383] kommen, unterdessen bratet er und brennet er; die Kirchfahrt, die er nach Marien-Zell verlobt, soll ich sobald es nur möglich, anstatt seiner verrichten, aber dermal, weil es Herbstzeit und der Weingarten ein wachsames Aug braucht, kanns nicht seyn, will sehen wie es sich im Frühling wird schicken, unterdessen bratet er und brennt er. O Grausamkeit eines solchen Tigerherzens, eines solchen steinharten Gemüths!

Wie der verlorne Sohn wieder aus den Ländern und Elenden kommen, und dem alten Vater zu Füßen gefallen, wie der Vater gesehen, daß er vor Hunger so ausgemergelt, und so wenig Fleisch, als des Samsons gebrauchter Esels-Kinnbacken; wie er wahrgenommen, daß er salv. ven. keinen Schuh an Füßen, und nur zum Kraut-Eintreten gericht, der als ein Unkraut gelebt; wie er vermerkt, daß sein Rock so voller Löcher, als hätten die Erdmäus darinnen ihren Tummelplatz; wie er gesehen den elenden Aufzug und mühseligen Stand seines Sohns, da hat er, der liebe Vater, befohlen, cito, proferte etc. geschwind, daß man ihm ein neues Kleid anlege, cito, geschwind, daß man zu der Kuchel schaue, und ein Mittagmahl zurichte, cito, geschwind und eilends etc. Mein Vater, laßt lieber den saubern Gesellen noch etliche Tage in seinen Hadern herumschlampen, vielleicht buhlen die Papiermacher um ihn, laßt ihn einige Zeit fasten, er hat ohnedas zu viel gelöffelt, laßt ihn noch eine Weil leiden, damit es ihm eine Witzigung sey. Ach nein, sagte der Vater, ich könnt es über mein Herz nicht nehmen, er ist mein Fleisch und Blut,[384] ich kann nicht auch eine Viertelstund mehr zusehen, daß er solche Noth soll leiden, cito, cito.

Wie könnt dann ihr Kinder um Gotteswillen, wie könnt ihr ein so stachelhartes Herz haben, und zulassen, daß eure liebsten Eltern nicht nur eine Viertelstund leiden, sondern so viel Jahr und Zeit; dann erwägt nur, daß eine einige Viertelstund, an welcher ihr die heilige Meß, das Almosen aufschiebt, ihn viel Jahr gedunkt zu seyn. Nur gar zu bekannt ist jene Geschicht, so sich mit zwei frommen und gottseligen Religiosen zugetragen, welche als vertrauteste Freund unter ihnen diesen Pakt gemacht, daß welcher vor dem andern werde mit Tod abgehen, vor den soll der Lebendige alsobald das heilige Meßopfer verrichten, und zwar ohne den geringsten Verzug, welches auch also vermög des Versprechens geschehen, aber nach vollendeter hl. Meß erscheinet der Tobte dem Lebendigen, rupfte ihm vor seine Nachläßigkeit, daß er seinem Schwur und so treuen Versprechen nicht nach kommen, um weil er grausamer Weis' ihn zwanzig ganzer Jahr im Fegfeuer gelassen; mit nichten, antwortet der Lebendige, dem sey nicht also, es sey erst eine halbe Stunde, daß er Tods verblichen, und den Augenblick gleichsam nach seinem Hinscheiden habe er die heil. Meß angefangen. Wann dem also, sagt hinwieder der Todte, so muß man bekennen, daß einem im Fegfeuer eine einige halbe Stund vorkomme wie 20 ganzer Jahr.

Cito, Cito, wohlan dann barmherzige Gemüther, verweilet nicht einen Augenblick, den Verstorbenen zu helfen, schiebt es nicht eine viertel Stund auf für[385] sie zu beten, laß doch um Gottes Willen nicht hören, das Morgen, das Uebermorgen, das ein andermal, sondern gleich jetzt, jetzt, da die Seel vom Leib geschieden, werft ein Allmosen in die Händ der Armen, jetzt, da der Körper noch warm, schickt in die Kirchen, und Gottes-Häuser zu beten, jetzt, da man ihm die Augen zudrückt, erhebt eure Augen gen Himmel, und seufzet um Barmherzigkeit bei dem allmächtigen Gott.

Cito, Cito, wann des Nächsten Haus brennt, und Alles im Feuer stehet und steckt, ist doch Niemand, der nicht lauft und schnauft, und sucht zu löschen, und wir solchen können zusehen, daß etliche Tage, etliche Monat, ja viel Jahr und Zeit unsere Eltern, unsere Freund und Anverwandten sollen im Feuer und Flammen liegen? Ach nein, das soll man von eines Menschen Herzen nicht vermuthen.

Abraham Abraham, der gottesfürchtige Patriarch, macht nun viel zu Schanden. Er hat auf eine Zeit drei fremde Männer erblickt, denen er nicht allein entgegen gangen, sondern geloffen, cucurrit, selbe demüthigst ersucht, sie wollen doch die Einkehr bei ihm nehmen, er sey erbietig, ihnen die Füße zu waschen, und sie mit einem Bissen Brod zu bedienen. Das war noch nicht genug, Abraham eilte in die Hütte zu der Sara, eile, sagt er, und backe geschwind ein weißes Brod für die Leut, er aber lief zum Vieh und holte das beste Kalb, gab es dem Knaben, und dieser eilte, und kochte es, Gen. 18. Wer seynd doch diese gewesen, wessenthalben sie zu bedienen man allerseits eilte in dem Haus des Abrahams? Abraham currit, Uxor festinat, Puer accelerat etc. Fremde[386] seynd sie gewest, die der Abraham nie gesehen noch gekennt.

Pfui der Schand bei uns! Abraham springt den Fremden so eilends bei, und wir unsern nächsten Bluts-Verwandten in jener Welt so lau und langsam; er spendirt ihnen alsobald ein weißes Brod, und wir lassen oft etliche Tag und Wochen verstreichen, bis wir ihnen ein Bissel vergonnen und vorlegen von dem schneeweißen Brod der Engel. Ich will, sagt mancher, wohl etliche heilige Meß lesen lassen, aber ich muß vorhero wissen, ob es die Verlassenschaft austrägt, was für Schuldner sich nach und nach werden einfinden, damit ich mit der Welt nicht mit lauter Meß-Opfer das Meinige auch aufopfere; unterdessen heißt es so viel, als laß ihn brennen und braten. O eiskalte Herzen? habt ihr doch ein Mitleiden, wann ein Hund mit einem Stein geworfen wird, und durchs Geschrei und Wimseln seine Zuflucht zu euch nimmt; wie könnt ihr dann zusehen, zulassen, zuhören, daß eure eigne Befreundte, oder beßte Bekannte, so lang warten müssen im Fegfeuer und Flammen euer Hülf! Cito, Cito, ach eilet, eilet doch um Gottes Willen, ihnen zu helfen, und feiert nicht einen Augenblick wegen des unbeschreiblichen Feuers, nehmet dießfalls die Schnelle des Hirschen an euch, damit ein jeder zu seiner Zeit mit dem Psalmisten David sprechen könne: »Perfecit pedes meos tanquam Cervorum. Psal. 17. Er hat meine Füß den Hirschen gleich gesetzt.«


[387] Accipit et reddit.


O Homo, ut tui misereatur Deus, fac ut proximo miserearis in purgatorio; nam tantum tibi miserebitur Deus, quantum tu misereberis proximo. Ora ergo pro Defunctis. S.p. Augustinus Serm. ad FFr. in Eremo.

»Willst du, o Mensch,« sagt der hl. Vater Augustinus, »willst du, daß Gott sich deiner erbarme, stehe zu, daß du im Gleichen deinem im Fegfeuer liegenden Nächsten Barmherzigkeit erweisest, dann in so viel wird Gott dir in seiner Erbarmung mittheilen, wie viel du dich über deinen Nächsten wirst erbarmet haben; so bitte dann für die Abgestorbenen.«


Wie Anno 1683 der ottomanische Erb-Feind durch sondere Verhängnuß Gottes, mit einer so großen Kriegsmacht den meisten Theil des Unterösterreichs überschwemmt, und auf grausame Weis' mit den Christen verfahren, da haben sich etliche zu Solenau, ein Ort gegen fünf Meilen von Wien entlegen, um weilen ihnen aller Weg zum Fliehen, abgeschnitten war, reterirt in das Todtenbeinhaus, auf dem Friedhof, worin sie, ungeacht so viel und mannigfaltiger Nachstellung, etliche Wochen sich aufgehalten, und nur zuweilen bei nächtlicher Zeit behutsam heraus gekrochen, da und dort einige Lebensmittel gesucht, und solche wieder mit sich in die Todten-Retirada genommen; nachdem endlich der ottomanische Mondschein eine Finsternuß gelitten, und dieser christliche Erb-Feind hat müssen das Fersen-Geld geben, seynd obgedachte nicht ohne sondern Trost aus ihrem Todten-Haus hervor gangen, Gott dem Allmächtigen höchstens gedankt, um weil sie, die Todten, das Leben erhalten.

Das zeitliche Leben ist endlich nicht so hoch zu[388] achten, zumalen es nur ein verdrießlicher Arrest der Seele, in dem wilden Kerker des sterblichen Leibs ist; entgegen ist mit höchstem Fleiß auf alle erdenkliche Weis' dahin zu trachten, wie wir können das ewige Leben erwerben, so aber gewisser und sicherer nicht geschehen kann, als durch die Todten, da wir nämlich uns der Todten annehmen, und den verstorbenen Christgläubigen in jener Welt einige Hülf reichen werden.

Dann zu wissen, daß, wann wir alle unsere guten Werk den armen Seelen im Fegfeuer schenken, solche auf keine Weis' in Verlust gehen, sondern noch doppelt, ja hundertfältigen Nutzen hieraus schöpfen; und geschieht es auf gleiche Weis' wie mit den Brüdern des Joseph. Diese sauberen Gäst wurden durch die harte Hungers-Noth dahin gezwungen, daß sie mußten gar in Egypten reisen, daselbst um das baare Geld Treid einzuhandeln, es geschah aber, daß gleich dazumal das völlige Gouverno des ganzen Königreichs ihr Bruder Joseph führte, den sie schon längst für todt gehalten, oder wenigst glaubten sie, daß er etwan zu End der Welt S.V. einen Sau-Hirten abgebe; Joseph erkannte diese schlimmen Gesellen alsobald, sich aber gab er nicht zu erkennen, sondern ließ sie sauber unter dem Schein als wären sie Verräther und Ausspäher in die Keuchen werfen (auf solche Köpf gehört keine andere Laug) endlich verwilliget er neben Darlegung des Geldes, daß man ihnen das Treid solle lassen folgen, befiehlt aber in der Geheime, man solle einem jeden sein Geld ohne dero Wissen in Sack hineinlegen, so auch geschehen; wie sie nun nach langer Reis' nach Haus kommen und ihr Treid bereits ausgeschütt, da haben[389] sie mit höchster Verwunderung wahrgenommen, daß ein jeder sein Geld, so er ausgeben, wieder zurückbekommen, samt einem reichen Vorrath vom Treid.

Auf gleiche Weise begegnet allen denjenigen, welche all ihre Andacht und guten Werk den armen Seelen im Fegfeuer schenken, heil. Meß schenken, heil. Ablaß schenken, heil. Allmosen schenken, heil. Fasten schenken, heil. Kommunionen schenken, heil. Wallfahrten schenken etc., alles dieses, was sie dermalen aus mitleidendem Herzen den armen Verstorbenen spendiren, bekommen sie gleich nach ihrem Tod wiederum, und noch dabei einen großen Vorrath der göttlichen Barmherzigkeit. Massen der Allerhöchste in Ansehen solcher Lieb des Nächsten nicht anderst kann, als auch sich ihrer erbarmen. Dahero spricht mehrmal unser heil. Vater Augustinus: »Igitur pro mortuis semper orandum est, et sic mala morte perire non poterimus S.P. August. in Ps. 40. Wir sollen in allweg und allezeit für die verstorbenen Christgläubigen beten, dann solchergestalten können wir einen bösen und unglückseligen Tod nicht nehmen.«

Die heil. Jungfrau Gertraud, um weilen sie aus purem Mitleiden gegen die armen Seelen alle ihre guten Werke ihnen überlassen, thäte sich nicht ein wenig bekümmern in ihrem Todtbettl, aus Furcht, sie möchte etwan selbst wegen Mangel der guten Werk Roth leiden, indem sie nun in solchen Aengsten begriffen, erscheint ihr Christus der Herr, und redet sie, tröstlich also an: Damit du sehest und sattsam erkennest, wie werth und angenehm mir deine mildherzige Lieb sey gewesen, welche du gegen die armen[390] Seelen im Fegfeuer getragen, so laß ich hiemit alle Strafen nach, die du hättest sollen in denselben ausstehen, und weil ich für die Werk der Barmherzigkeit habe hundertfältige Belohnungen versprochen, also will ich dich nicht allein ungestraft lassen, sondern noch anbei deine Glorie der Ewigkeit vermehren.

Jener Religios, von dem Baronius registrirt, hat es genugsam erfahren, daß sich Gott eines solchen erbarme, der sich auch über die armen Seelen erbarmet hat, massen dieser nach seinem zeitlichen Hintritt mit vielen andern Seelen, so gleich dazumal in derselben Stund von ihnen abgeschieden, vor dem göttlichen Richterstuhl gestellt, und von den bösen Geistern dermassen hart angeklagt worden, daß bereits über ihn sollte gefällt werden das Urtheil der ewigen Verdammnuß. Weil er aber sein Lebtag ein sonderbarer Liebhaber der armen Seelen gewest, und selbiger in seinem Gebet nie vergessen, also hat Gott in Ansehung dieser Lieb zu den verstorbenen Christgläubigen, auch vermittelst der Vorbitt der armen Seelen, ihn verschonet, und beinebens anbefohlen, er solle wiederum zum Leben kehren, und noch genugsame Buß auf der Welt wirken.

Wer in Himmel will kommen hinauf, der schicke den armen Seelen einige Hülfe hinunter; wer erhalten will das ewige Leben, der vergesse nicht der Todten; wer gelangen will zur Seligkeit, der helf den armen Seelen aus der Mühseligkeit; wer kommen will zu dem ewigen Abendmahl, der faste für die armen Seelen im Fegfeuer; wer will, daß er ewig soll brennen in der Liebe Gottes, der lösche den armen[391] Seelen das Fegfeuer aus; wer will, daß ihm Gott solle die Sünden nachlassen, der schenke den armen Seelen einen Ablaß; wer gelangen will zu dem himmlischen Vaterland, der spendire oft den armen Seelen einige Vater unser; wer will kommen zu dem ewigen Licht, der führe die armen Seelen aus der Finsternuß; wer will, daß sich Gott seiner dazumal soll erbarmen, der erbarme sich dermalen der armen Seelen im Fegfeuer.

Unmöglich scheint es, daß jemand, so ein Mildherziger, Hülfereicher der armen Seelen ist, könne ewig verloren werden, zumalen solche Seelen unaufhörlich ihre Gutthäter zu Gott dem Allmächtigen schreien und seufzen; es gibt der Exempel genug, daß solche Seelen ihre Liebhaber bei nächtlicher Weil aus dem Schlaf auferweckt, und sie ihres herbeinahenden Sterbstündleins erinnern; es gibt der Exempel viel, daß solche Seelen ihre Patronen aus augenscheinlicher Todesgefahr errettet, damit sie nicht im Stand einer Todsünd möchten sterben; es gibt der Exempel nicht wenig, daß solche Seelen-Gutthäterinnen in ihrem Sterbstündlein beigestanden, und ihnen in solchem letzten Streit haben helfen victorisiren. Binetus schreibet selbst von einem, der sonst eines untadelhaften Wandels war, daß er in seiner tödtlichen Krankheit nicht allein von den Leibschmerzen, sondern forderist von dem Gewissensskrupel also geplagt worden, daß er bereits in der Gefahr der Verzweiflung gestanden, aber bald sah er einige Heilige vom Himmel steigen, welche ihm in dessen harten Kampf beigestanden, mit Verlauten, sie sey diejenige, die er mit seinem Gebet und guten Werken[392] aus dem Fegfeuer zum Himmel befördert habe, anjetzo wolle sie auch solche Gutthat erwiedern, und ihn den geraden Weg zum ewigen Leben führen.

Gleichwie nun dasjenige Treid, so in den obern Mühlkasten geschütt wird, nicht in Verlust gehet, sondern es kommt wieder unterhalb hervor, und zwar weit besser, schöner und nützlicher, gestalten es in das beste Mehl verwandelt worden; deßgleichen seynd alle unsere guten Werke, so wir den armen Seelen im Fegfeuer schenken und schicken, nicht umsonst hinweggeworfen, sondern wir finden sie wieder in jener Welt, und weit besser, wegen der Lieb zu unserm Nächsten, Kraft solcher Gott auch unser sich erbarmet, und uns dasjenige gütigst ertheilt, zu dem wir ihnen verhilflich gewesen seynd.


Major conceditur, negatur minor.


Illo transitorio igne, de quo paulo ante Apostolus, ipse autem salvus erit, tamen quasi per ignem; non capitalia, sed mlnuta peccata purgantur. S.P. Augustinus Serm. 41 de Sanctis.

»Durch dieses zeitliche Feuer, von dem kurz vorhero der hl. Apostel Meldung gethan, der wird selig werden, gleichwohl dergestalt durch das Feuer, I. ad Corinth. 13, werden nicht die größten Haupt- oder Todsünden, sondern die kleinen und läßlichen Sünden gereiniget,« also spricht unser heil. Vater Augustinus.


In der schwedischen Unruh, benanntlich um das Jahr Christi 1631, zog von Ingolstadt hinweg der sehr gelehrte Mann und berühmte Professor daselbst, Pater Adamus Tanner, ein Priester der Societät Jesu,[393] kam nach Passau, von dannen setzte er seine Reise weiter in Tyrol, als in sein Vaterland, es zog ihm aber auch nach der Tod, und traf ihn an in einem Dorf, mit Namen Unken, da starb er gottselig und war eine sehr große Rede von ihm, daß er bei Lebzeiten ein sehr gelehrter Mann sey gewesen. Indem aber seine Kleider ausgesucht worden, fand man bei ihm ein Mikroskopium, der künstliches, sauber gefaßtes Muckengläs'l, welches die kleinsten Dinge, so darin verschlossen werden, groß macht, und aus einer Mucke einen Elephanten, wie man pflegt zu reden, dazumal war gleich ein Floh darin eingesperrt. Die guten einfältigen Zuseher wußten nicht, was dieses Büchslein und Glas möchte seyn, gaffen doch darein, und sehen ein haariges abscheuliches Thier mit einem ungeheuren Schnabel, erschrecken hierüber nicht wenig, und werden letztlich eins, das müßte der lebendige Teufel seyn, den dieser Jesuiter mit sich herumgeführt habe, darum gar kein Wunder, daß er so ein gelehrter Mann gewesen, als der einen schwarzen Engel für einen Lehrmeister gehabt, wollten also des guten Paters, als eines vermeinten Zauberers Leichnam, nicht in das geweihte Erdreich bestatten. Dieser Ruf kam alsobald weiter, und gar nach Passau zu den Ohren eines vornehmen Manns, der ein sonderer Freund war des Pater Tanners, welcher dann ohne einige Verweilung sich aufgemacht, die guten Bauren besser zu berichten, kommt auf Unken, fangt ihnen an zu sagen, wie daß dieses kein Teufel, sondern ein armer gefangener Floh, der doch zehnmal größer scheine, als er von Natur sey, und dieses aus mathematischer Kunst; schütt hieraus,[394] nicht ohne Schrecken der umstehenden Bauren, den eingebildeten Teufel heraus, welcher doch nichts anders war, als ein bloßer Floh, laßt sich hernach einen andern Floh, herbei bringen, den die einfältigen Leute selbsten gefangen schließet solchen in das Glas, Mikroskopium genannt, hinein, und befiehlt ihnen darauf alles wohl zu besichtigen; da lachte aber ein jeder dieses unruhigen herum hupfenden Teufels, als der mehrmal zehnfach größer schien als zuvor, worüber das Spiel ein End, und wurde der fromme und wackere Mann mit sonderm Gepräng, und Zulaufen begraben.

Ich muß bekennen, daß dergleichen lächerliche Possen nicht sollen zu ernstlichen Sachen gesellet werden, allein ist solches hieher gesetzt worden, zu sehen, die wunderliche Kunst, und seltsame Griff der Mathematik, als welche meisterlich weiß kleine Sachen groß zu machen. Wir unbehutsame Adamskinder machen unsere täglichen, ja stündlichen Mängel und Unvollkommenheiten allezeit klein, die läßlichen Sünden haben bei uns den Ordinari-Titul, und werden kleine Possen und Narredei benennet, aber bei Gott dem Allmächtigen werden sie für groß gehalten, und solche Mucken für Elephanten angesehen, auch derentwegen in jener Welt durch das Fegfeuer unermeßlich gestraft.

Mahomed der andere hat einen aus seinen Edelknaben lassen lebendig aufschneiden, um weil er einen verbotenen Apfel aus seinem Hofgarten entfremdt. Ein Herzog von Mailand, schreibt Corius, hat einen Priester lassen Hunger sterben in dem Gefängnuß, weil solcher ihm vorgesagt, daß er nur 9 Jahr werde regieren.[395] Wenceslaus, König in Böhmen, hat seinen Koch lassen lebendig am Spieß braten wie ein indianisch Stuck, weil solcher ihm die Speise nicht nach seinem Gusto hat zugericht, aber der gerechte Gott züchtiget die kleine Verbrechen weit schärfer in jener Welt.

Antonius de Monte, einer von den ersten Kapuzinern zu Rom, eines sehr frommen Wandels, stunde auf eine Zeit bei der Nacht auf, und ging in die Kuchel, daselbst ein Licht anzuzünden, merkt aber von Fern in derselben ein großes Feuer, wessenthalben er sich nicht genug konnte verwundern, um weilen zu solcher Zeit nicht gewöhnlich, ein Feuer zu brennen. Als er nun in die Kuchel getreten, da erblickt er alsobald ein erbärmliches Spektackel, benanntlich zwei kohlschwarze Mohren, welche zwei Kapuziner-Brüder, so unlängst zuvor mit Tod abgangen, an ganz glühenden Spießen gebraten; der fromme Pater, nachdem er sich wegen großen Schreckens in etwas erholt, befragt diese zwei, als vorhin seine gute Bekannte, was doch dieses bedeute? ob sie dann in das ewige Feuer oder aber in das Zeitliche verurtheilt worden? worauf sie geantwort, daß sie zwar durch die grundlose Barmherzigkeit Gottes dem Ewigen entgangen, leiden aber diese erschreckliche und unermeßliche Pein derenthalben, was glaubt man hier, was ihr Verbrechen gewesen sey? Etwan haben sie ihre strengen Regel-Fasten nicht nach Pflicht und Schuldigkeit gehalten? das nicht: vielleicht seynd sie ihrem Pater Quardian rebellisch gewesen, und ihn als eine rechte und vorgesetzte Obrigkeit veracht, oder andern Spott angethan? das noch[396] weniger: etwan haben sie ihr von dem Orden vorgeschriebenes Gebet Jahr und Tag nicht verricht, oder wenigst selbst halbirt? das gar nicht; vielleicht seynd sie wegen Strenge des Ordens abtrünnig worden, etliche Jahr in der Apostasia verharret, und endlich wegen nagenden Gewissenswurms wieder zurückkehrt, aber für solches schwere Verbrechen nicht genugsame Buß gewirkt? dieses auf keine Weis', sondern Gott macht aus einer Mucke einen Elephanten: darum seynd sie auf etliche Jahr in diese grausame Pein verurtheilet worden, weil sie zu Zeiten bei dem Heerd unnütze Wort geredet, und manche Stund mit leerem Geschwätz zugebracht.

Joseph in Egypten mußte zwei Jahr liegen in der Keuche, unter der Erde, der doch mehr englisch gelebt als irdisch; Joseph mußte liegen in Eisen und Band, welcher doch gewest ist Gemüth halber ganz gulden; Joseph mußte verhaft seyn in der Finsternuß, der doch jedermann mit einem guten Exempel vorgeleucht; Joseph mußte gefangen liegen, der sich von einem leichtfortigen Weib nicht hat fangen lassen; Joseph mußte dergestalten leiden am Leib, der nicht hat leiden wollen an der Unschuld; warum aber zwei Jahr diese so harte Straf? der heilige Vater Augustinus spricht: daß Gott den Joseph über ein oder zwei Tag nicht hätte in dem Gefängnuß gelassen, weil er aber einen Fehler begangen, hat ihn der Allerhöchste derentwegen so scharf gezüchtiget.

Was hat dann Joseph gestift? vielleicht hat er einem den Hals gebrochen? nichts dergleichen; vielleicht hat er geflucht und gewunschen, der Teufel soll[397] seine Frau holen, derenthalben er in das Unglück gerathen? nichts dergleichen, sondern er hat eine läßliche Sünde begangen, als er ein gar zu großes Vertrauen gesetzt hat auf den Mundschenk, mit solchem Momento hat er sich versündiget. Eine so schlechte Sach wird so hart gestraft, das heißt ja aus einer Mucke einen Elephanten machen.

P. Jakobus Rem, ein Jesuiter, eines gottseligen Wandels, ist nach dem Tod einem andern ganz lebhaft erschienen, jedoch in wilder Kleidung und sehr verstelltem Angesicht, als er aber derenthalben befragt worden, gab er diese Antwort: Er leide harte Pein in dem Fegfeuer, um weil er ohne Wissen seiner Obrigkeit habe Disziplin gemacht und sich gegeißlet.

Vor 28 Jahren in unserm Kloster Maria Brun, unweit Wien, war ein alter Laienbruder, den wir wegen der kleinen Statur nur den frommen Thomerl genennt, sein Leben war gar einfältig, jedoch fromm und andächtig, und konnte man ihm wenig ausstellen, ausser daß er zuweilen in der Kuchel unter dem Abspielen gemurrt. Nachdem dieser mit Tod abgangen, hat der ganze Konvent etliche Nacht nach einander hören abwaschen, und kaum daß man mit Verwunderung halber die Kuchel eröffnet, und nachmals wieder gesperrt, hat das Abwaschen und Schüsselsetzen mehrmals seinen Anfang genommen; nachdem aber etliche Andachten, forderist hl. Meßopfer, für ihn verrichtet worden, ist von ihm wenigstens nichts mehr zu hören gewest.

Noch recht hat der alexandrinische Makarius gethan. Als dieser hl. Mann einst im Gebet begriffen,[398] und ihn unversehens eine Wespe gestochen, hat er sich wie menschlich gäh erzürnt und die Wespe umgebracht, nachmals aber in sich selbst gangen und gedacht, Gott möchte ihn dieser Ungeduld halber in jener Welt strafen und aus einer Wespe einen Elephanten machen, daher sich diese Buße selbst auferlegt und blutnackend durch 6 ganze Monat gestanden auf den seitischen Feldern und von den Wespen, deren allda eine unzählbare Anzahl, sich also zurichten lassen, daß man ihn nicht mehr für einen Menschen hat angesehen.

O gerechter Gott! wie wird es dann denjenigen ergehen, die nicht Eine läßliche Sünde sondern mehr, als sie Haar auf dem Kopf zählen, begangen? Wehe denjenigen, die so große und häufige Todsünden gethan, für welche sie oft in der Beicht zu einer Buß etliche Vater Unser zu beten geweigert. Wann Religiosen und Ordensleute samt ihrem strengen Leben noch so hart leiden müssen in dem Fegfeuer, was haben dann dieselbigen zu gewarten, die immerfort in Freuden und Ergötzlichkeiten ihr Leben zubringen?


Pauci Electi.


Nihil sit probat amicum, quemadmodum oneris amici supportatio. lib. 12. S.P. Augustinus.

»Nichts probirt und prüfet also einen guten Freund,« spricht der hl. Vater Augustinus, »als wann er seines Freundes Last hilft tragen.«


Freunde gibts genug, aber die da seynd wie der Aalfisch, welcher meistens ausschlüpfet und den Reißaus nimmt, wann man vermeint ihn zum besten zu halten.[399]

Freunde gibts genug, aber die da seynd wie das Quecksilber, sobald dieses zum Feuer gestellt wird und solche Feuersnoth erblickt, so nimmt es geschwind wie der Wind das Valete und wird aus einem Quecksilber ein Gehwecksilber.

Freunde gibts genug, aber die seynd wie die Schwalben, so lang die lustige und annehmliche Sommerszeit dauert, so lang bleiben sie bei uns, gleich aber da es anfängt kalt zu werden und kühl herzugehen, da nehmen sie mehrentheils hinter der Thüre Urlaub.

Freunde gibts genug, aber die da seynd wie die Sonnenuhr, welche sich so lang dienstlich zeigt, wie lang die goldene Sonne pflegt zu scheinen, sobald aber diese den Untergang nimmt, alsdann ist bei ihr der Dienst auch aus.

Freunde gibts genug, aber die seynd wie die Egel, welche so lang einem anhangen und nicht von der Haut kommen, bis sie ihre Wampe gefüllt, nachgehends schämen sie sich nicht, obschon voller Blut, den Kehraus zu nehmen.

Freunde gibts genug, aber die da seynd wie die Mäuse, welche so lang im Haus verbleiben, so lang es in einem guten Stand ist, sobald sie aber vermerken, daß selbes allgemach zu Grunde will gehen, und zu Boden fallen, sodann verlassen sie es und reteriren sich anderwärts hin.

Freunde gibts genug, aber die da seynd wie die Vögel des Nabuchodonosors Baum, auf dem sie mit stetem Singen und Pfeifen ihre Wohnung hatten, sobald aber dieser aus dem Befehl des Allerhöchsten[400] ist umgehaut worden, da haben sich die saubern Vögel auch verloren.

Freunde gibts genug, aber die da seynd wie die Melaunen, aus denen fast die mehrsten auswendig gut scheinen, wann man sie nachmals aber ein wenig beschaut, so ist kaum aus zehn einer etwas nutz.

Freunde gibts genug, aber die da seynd wie ein Bach, bei dem immerzu ein guter Rausch anzutreffen, indem von allen Bergen die Wasser zulaufen, und mit ihm in gutem Rausch leben, wann aber die größte Hitze ist, da findet man nicht einmal einen Tropfen Wasser. O wie viel gibts dergleichen Freundschaften! Wie oft hört man, dieser und dieser ist gestorben, er ist mein guter Freund gewest, wir haben oft einen guten Rausch mit einander gehabt, tröst ihn Gott. Mit diesem ist die ganze Freundschaft bezahlt, jetzt da er in der größten Hitze, in größen Qualen des Fegfeuers, da aller Rausch ein Ende hat, ist nicht Ein Freund, der ihm einen Tropfen spendirt bei dieser Hitz.

Solche Freunde seynd keine guten und rechten Freunde, die nur bei freundlichen Zeiten wollen Freunde seyn und nur bei guten Zeiten wollen gute Freunde seyn.

Wie aus der Stadt Naim eine Tochter zum Grabe getragen worden und zwar ein einziger Sohn einer reichen Wittib, da war eine große Menge der Leute bei dieser Leiche, überaus viel Herrn, überaus viel Frauen, überaus viel wackere junge Gesellen etc. Aber der Evangelist sagt, daß sie nicht den Todten haben begleitet, sondern die recht wohlhabende Wittib, welche bei stattlichen Mitteln etc. »Turba Civitatis multa cum illa, viel Volks aus der Stadt war[401] mit ihr.« Es hatte ja der Verstorbene auch gute Freunde gehabt? Ja, ja, nur gar viel, mit denen er Tag und Nacht lustig und guter Dinge gewest und eben derenthalben sich das Leben abgekürzt, jetzt aber, da er mit Tod abgangen, heißt es nicht mehr mit ihm, sondern mit ihr. Die Freundschaft hat ein Ende, weil er todt ist; aber eine solche Freundschaft ist schlecht und nicht recht, thut nichts gelten, sondern ist zu schelchten, verdient kein Lob, weil sie so geringe Prob.

Ein guter Bruder soll seyn wie ein Ruder, dieses braucht man meistens, wann ein übler Wind ist. Ein guter Gespann soll seyn wie ein Spann, dieser ist zum Leuchten nöthig, wann es finstere Zeit ist. Ein guter Kamerad soll seyn wie ein Rad, welches forderist bei dem üblen Weg eine Beständigkeit erweist; dann ein guter Freund forderist in der Noth probirt wird.

Luk. am 11. Kapitel erzählt unser gebenedeiter Heiland selbst, ein guter Freund, sagt er, kommt bei nächtlicher Weile vor die Thüre, klopft an, macht einen Tumult (da jedermann in dem ersten Schlaf) schreit, sagt, klagt und bitt den andern Freund, der in der Ruhe ist, er wolle ihm doch die Freundschaft erweisen und ihm drei einige Laibl Brod leihen, der zwar, weil es einem schläfrigen Menschen bald begegnet, wird hierüber ungeduldig, weil aber der andere nicht aufhört zu klopfen und zugleich sein guter Freund ist, so will er so grob und unfreundlich nicht seyn, daß er nicht alsobald aufstehe und dem guten Freund ans der Noth helfe.[402]

Es geschieht gar oft und aber oft, daß mancher bei der Nacht, wo Alles still, Alles in der Ruhe, der Himmel voller Sterne, etwas hört; ein Tumult, ein Getös, ein Klopfen, sieht doch weiter nichts als einen finstern Schatten, aber die Haare stehen ihm gen Berg, es schauert ihm die Haut, es klopft ihm das Herz, es rinnet ihm der kalte Schweiß über das Angesicht herunter, er weiß nicht, wer da, wer dieser, wer klopft? Wohl auf, mein guter Mensch, du därfft, dessenthalben keinen solchen Schrecken fassen, weißt dann nicht, wer dieser ist? Amicus Tuus, es ist dein guter Freund, er ist vor kurzer Zeit mit Tod abgangen, er muß eine erschreckliche Strafe in dem Fegfeuer ausstehen, er hat nirgends wohin seine Zuflucht als zu dir, weil du je und allemal sein guter Freund warst, deßwegen klopft er bei dir an, begehrt von dir eine Hülfe und glaubt, daß du sein Freund auch nach dem Tode in dieser größten Noth werdest seyn.

Mir hat einer glaubwürdig erzählt, aus einem sehr berühmten Orden, auch mit einem Schwur bestätiget, so annoch im Leben und eines guten Wandels. Als er bei der Nacht dem Studieren obgelegen, um weil ihm die Verhindernusse beim Tag zu häufig, habe ihm zwei Nächte nach einander eine unsichtbare Hand immerzu die Bibel oder heilige Schrift vor seiner umgeblättert, welches er anfangs für natürlich gehalten der Meinung, als würden die Blätter von einem kleinem Wind berührt. Nachdem er aber einst den beinenen Streicher als ein Signakulam in die Bibel gesteckt, da hat er wahrgenommen, daß jemand denselben unsichtbar heraus gezogen und in Gegenwart[403] seiner in ein anders Ort in besagtem Buche gelegen, welches ihm wie billig ein Grausen verursacht, weil er sich aber an dieses auch nicht viel kehren wollte, da hat endlich eine unsichtbare Hand wiederum den beinenen Streicher heraus genommen und mit solcher Gewalt auf den Tisch geschlagen, daß er vor Schrecken fast in Ohnmacht gefallen, des andern Tages wollte er, weil ihm je mehr und mehr Gedanken eingefallen, die Bibel wohl beschauen, findet aber den Streicher wiederum darin und dazu mit dem Reißblei auf der Seite des Blatts ein gemachtes Kreuzel, so ihm nicht wenig befremdet meistens darum, weil auch ein NB. dabei gesetzt war, welches ihn dann veranlaßt hat, weiter zu sehen und zu lesen, was dann jene Zeile in sich halte, so mit dem Kreuzel bezeichnet, findet endlich den kurzen Text des hl. Evangeliums. »Dixit ad Philippum, unde ememus panes? Er sprach zu dem Philipp, wo werden wir dann Brod nehmen.« Joan. am 6. Kapitel. Dieses hat ihm alsobald das Gedächtnuß bewegt, daß er nichts anders gedacht, als daß sein bester Freund mit Namen Philipp, der vor 14 Tagen mit Tod abgangen, noch fernere Hülfe von ihm verlange und forderist eine und andere heilige Meß, in welcher das Brod der Engeln aufgesetzt wird, welches auch nachmals geschehen, worauf er nichts mehr gespürt.

So soll man dann niemals seines guten Freunds vergessen, absonderlich, wann solcher in jener Welt in harten zeitlichen Peinen noch leiden, und sich selbst nicht helfen kann, da soll uns das NB. stets vor Augen seyn: NB. wie oft seynd wir lustig bei einander[404] gewest, NB. wie oft hat er mir etwas zu Gefallen gethan, NB. er hat nicht einen halben Tag können ohne meiner seyn. NB. Er hat mehrmal nicht einen Bissen Brod gehabt, den er mit mir nicht getheilt, NB. er wäre für mich in ein Feuer gangen etc. So ist dann billig, daß ich ihn auch in dem erschrecklichen Feuer nicht lasse, so sey es. Alle heil. Messen, die ich höre, alle heil. Kommunionen, die ich verrichte, die heil. Ablässe so ich gewinne, das Allmosen, so ich gebe, alle guten Werk, die ich übe, sollen ihm geschenkt seyn, bis er erlöst wird.


Luemus, si non abluemus.


Prius in hoc saeculo per Dei Justitiam vel misericordiam amarissimus tribulatio nibus sunt excoquendi, etc. aut certi longo igne Purgatorii cruciandi sunt, ut ad vitam aeternam sine macula perveniant. S.P. August. in Epist. ad Aurel.

»Diejenigen, so läßliche Sünden begangen, oder für die gebeichten Todsünden noch nicht genugsame Buß haben gewirket,« spricht der heil. Vater Augustinus, »die müssen entweder auf dieser Welt durch die allerbitterste Trübsal ausgekocht werden, oder aber in jener Welt seynd sie durch langes Feuer zu kreuzigen, damit sie also ohne Makul, zum ewigen Leben eingehen.«


Niemal, ich sage allzeit, niemal, ich schreibs allzeit, niemal, ich bekenns allezeit, niemal ist in der Welt ein solches Gebäu gestanden, wie da war der Tempel Salomonis, massen zu demselben allein achtzig tausend Steinhauer gebraucht worden. Unkosten auf dieses so herrliche Gebäu seynd aufgangen in Gold tausend sechs hundert und drei Million, samt achtmal[405] 100000 Dukaten in Silber, aber über tausend zwei hundert und neun Million: Villa pand. in Ezech. das war ein Gebäu! Das wunderbarlichste aber bei diesem weltberühmtesten Fabrikat war dieses, daß in währender Aufrichtung des ganzen Tempels niemal ein Streich von einem Hammer oder Beil, Stemmeisen oder eines andern Instruments gehört worden. Die Ursach war, weil alles Holz zuvor auf dem Berg Libano auf das allergenaueste zugericht, und alle Stein dergestalten pallirt, und präparirt worden, daß fast nicht ein Haar abgangen.

Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit dem Himmel, mit dem obern Jerusalem, so wir wollen zu denselben als Lebendige, und durch das Blut Christi so theuer erkaufte Stein gelangen, ist vonnöthen, daß wir auch vorhero auf das beste pallirt werden, es muß die allergeringste Makul an uns nicht gefunden werden, dann der allergeringste Mängel, winzigste Fleck kann nicht eingehen in das Reich Gottes.

Wie die Apostel sich einmal in einen kleinen Zank eingelassen, da sie nämlich von der Präzedenz im Himmel disputirten, da hat unser lieber Herr, gleich in Mitte derselben einen kleinen Knaben gestellt, und sich anbei verlauten lassen, daß, wann sie nicht werden seyn wie die kleinen Kinder, so werden sie in das Himmelreich nicht eingehen. Dazumal hätten sich die Apostel wie die meisten heiligen Lehrer ausgeben, läßlich versündiget, um weilen sie in einen geringen Zank gerathen, als wollt ihnen der Herr Jesus andeuten, daß sie mit diesen kleinen Verbrechen das Reich Gottes nicht können besitzen, sondern sey nothwendig, daß sie[406] davon gereiniget, entweder auf der Welt, oder nachmals im Fegfeuer, ja, wer in die ewige Seligkeit will eintreten, muß seyn so rein und unschuldig, wie ein kleines Kind, sicut pueri, id est puri.

Hannon, der Ammoniter König, hat des Davids, der es so treuherzig vermeint, gesandte Botschafter seht spöttlich traktiret, nachdem daß er ihnen die langen Röck bis auf die Lenden abschneiden lassen, und folgsam spöttlich entblößt, weil dazumal die Weltlichen nicht pflegten Hosen zu tragen, neben dieser Schmach hat er ihnen lassen den Bart halb abschneiden, welches zur selben Zeit eine große Schand war. Nachdem solches dem David kundbar geworden, hat er alsobald ihnen entgegen geschickt, und sagen lassen, sie sollen zu Hof so lange verbleiben, bis ihnen der Bart wieder wächst, theils darum, damit sie nicht vor jedermann zu Schanden wurden, theils auch, damit sie nicht mit einer solchen Ungestalt vor dem Angesicht des Königs erscheinen.

Hat nun David als ein irdischer Monarch nicht wollen zulassen, daß jemand solle vor ihm mit einer Ungestalt sich sehen lasse, wie viel weniger lasset solches der Allerhöchste zu. Dahero nothwendig, daß alle Mail und Makul, ohne die auch die großen Heiligen nicht leben, entweder auf Erde durch strenges Bußleben, oder aber in dem Fegfeuer müßen gereiniget werden.

In der Kapuziner-Chronik wird registrirt, daß Anno 1602 eines sehr heil. Lebens ein Laienbruder mit Tod abgangen, acht Tage aber nach seinem zeitlichen Hintritt dem Pater Prediger erschienen und mit sehr lamentirlicher Stimme ihn also angeredet:[407] O Theologe, Theologe, warum befleißest du dich nicht auf die Liebe des Nächsten, der Prediger gab zur Antwort, wie daß er zwar keine Meß für ihn habe gelesen, aber er sey der Meinung gewest, als wäre er wegen eines so frommen Wandels vom Munde auf gegen Himmel gefahren, worauf der Verstorbene sagte: Anderst seynd die Urtheile des Menschen, anderst die Urtheile Gottes, der auch die allermindeste Sünde nicht ungestraft läßt und vor der allergeringsten Makul die Himmelsthüre versperrt.

Die schöne Susanna zu Babylon wollte sich bei heißer Sonnenzeit in etwas erfrischen in ihrem eignen Garten, nimmt derenthalben zwei Kammermenscher mit sich, schaffte ihnen, sie sollen Oel und Seife mit sich nehmen, damit sie sich bei dem Brunnen könnte waschen und reinigen: »Afferte mihi oleum et smigmata etc.« Die Seife, womit sich Susanna und all anders Frauenzimmer wascht, die geht hin und macht keine Schmerzen, aber jene Seife, mit der Gott die verstorbenen Christgläubigen im Fegfeuer wascht und reinigt, und die geringste Makul ausbringt, ist erschrecklich und ist dessen Schärfe nicht zu beschreiben.

Udalrikus, Bischof zu Augsburg, lebte ganz heilig, wirkte große Mirakul und Wunderwerk, hat Fleisch in Fisch verwandelt, hat gemacht, daß er durch den Fluß Lech unweit Augsburg passirt, und nicht von einem Tropfen benetzt, da doch sein Gespann über und über auf den halben Leib naß worden; er hat gemacht, daß keine Ratzen in dem ganzen Kloster Ottobeuern auf ewige Zeit sich sehen lassen, ja so einer dahin getragen wird, muß er alsobald verrecken,[408] viele andere dergleichen hat der Allmächtige gewirkt durch diesen heil. Bischof wegen seiner Verdienste, aber weil eine einige kleine Makul an ihm, benanntlich, weil er seinen Vetter Adalbero zu seinem Nachfolger benennt, da hat's geheißen Seife her und mußte derenthalben im Fegfeuer gereiniget werden.

Die Schwester des heiligen Domiani starb im großen Konzept der Heiligkeit, und weil sie einen so unsträflichen Wandel führte, auch glaubte man, daß ehender am Schnee eine Schwärze als an ihr Makul zu finden wäre, weil sie aber einmal aus Vorwitz einer lustigen Musik zugehört, hat's geheißen, Seife her, und mußte fünfzehn Tage im Fegfeuer von dieser Makul gereiniget werden.

Ein Knabe mit 9 Jahren hatte einem andern neun Heller entfremdet, und weil er mit dieser Makul als ungebüßt gestorben, so hat's geheißen, Seife her, massen er seiner Mutter ganz feurig erschienen, und Hülfe verlangt, dann sagte er, daß gänzlich nichts Unreins in Himmel gehe, und komme ihm solches Reinigen härter an, als wenn alle Kohlbrenner der ganzen Welt ihre Kohlen auf ihm brennen thäten.

Die heil. Jungfrau Gertraud hat auf eine Zeit eine Seele im Fegfeuer gesehen, wie solche mehrmal, das Angesicht Christi geflohen, da doch dieser himmlische Bräutigam selbe freundlichst zu sich geladen, fragte auch derenthalben die Ursach, worauf sie Antwort von der Seel erhalten, wie daß sie noch einige kleine Makul an sich habe, dessentwegen sie sich scheue, vor Gott zu stehen, ja wann ihr schon der Allerhöchste die Seligkeit wollte vergönnen, so möchte sie[409] doch solche weigern, so lang bis sie gänzlich gereiniget werde, dann es sich nicht gezieme, daß etwas Unreines und Bemackeltes von dem göttlichen Bräutigam umfangt werde.


Manet alta mente repostum.


Cadit Asinus, et omnes eum sublevare festinant: sed clamat in tormentis fidelis, clamat Pater, clamat filius, clamat uxor, maritus amicus, et non est, qui respondeat: S. Pater Augustinus Serm. 44. ad Hil.

»Es fallt ein Esel, und alle eilen ihm aufzuhelfen, entgegen schreit in den Peinen des Fegfeuers der Christgläubigen; es schreit der Vater, es schreit der Sohn, es schreit das Weib, es schreit der Mann, und ist fast niemand, der sie erhört.« Also spricht der heil. Vater August.


Wie David durch sondere Schickung Gottes zu der Krone gelangt, da hat er gleich einen Knopf an ein Tüchel gemacht, da war sein ernstlicher Befehl: geht, schaut, fragt, suchet, ob nicht etwan noch jemand von der Freundschaft und Hause des Sauls vorhanden, demselben will ich nach Möglichkeit Gutes thun wegen meines besten Freundes Jonatha, dessen mir erwiesene Gnade ich nimmermehr vergessen will, und als endlich heraus kommen, daß des Jonathas noch leiblicher Sohn mit Namen Miphiboseth im Leben, ein armer Tropf, der an Händen und Füßen krumm, da mußte solcher alsobald vor den König geführt werden, und neben andern war ihm die Gnade ertheilet, daß er allezeit bei der königlichen Tafel durfte speisen.

Zu wünschen wäre, daß die ganze Welt also beschaffen[410] wie der David, so würde manche Seele aus dem Fegfeuer nicht also aufschreien: »Oblivioni datus sum tanquam mortuos a corde. Ich bin gleich einem Todten aus dem Herzen vergessen worden. Ps. 30.« Dann ja nichts ehender wurmstichig wird, als die Gedächtnuß der Menschen, und vergessen wir sobald derjenigen, die von uns in jene Welt den Abschied genommen, da wir doch so große und manche Gutthaten von ihnen empfangen. Hätte jener Mundschenk bei dem Hofe des Königs Pharaonis einen Knopf an das Tüchel gemacht, welches gar wohl hätte sollen geschehen, so wäre Joseph nicht zwei Jahre in so harter Gefängnuß verblieben. Wann mancher sich thät öfter in Gedächtnuß führen, wer ihm Gutes gethan? Wer Ursach seines Glücks? Wer ihm nach Gott zu einem Stückl Brod geholfen? so würde er, so leicht nicht der verstorbenen Gutthäter vergessen, und würden diese weit ehender ihres feurigen Arrestes entlassen werden.

Von Pius, dem Fünften, seligen und heiligen Pabst, wird geschrieben, daß solcher lang vorher, ehe er zur päbstlichen Würde erhoben worden, habe einstmals bei eitler Nacht von Pergam aus die Flucht genommen, um weil einige ihm nach dem Leben gestrebt, und den Weg nach Mailand genommen, endlich Roth halber, da er von der finstern Nacht überfallen, die Einkehr genommen bei einem Bauern, von welchem er gar wohl, obschon unbekannt, gehalten und traktirt worden, so verursacht hat, daß Pius einen Knopf an das Tüchel gemacht, zu zeigen, daß er seiner auch nicht wolle vergessen. Wie nun mittler Zeit[411] Pius zum höchsten Amt der Kirche erkiesen, und von Laterano aus öffentlich getragen worden, da hat der fromme Herr aus so viel tausend Personen, so dieser Solennität halber zugeloffen, den gedachten Bauern erkennt, ungeacht er denselben nur bei der Nacht gesehen, sich des gemachten Knopfes erinnert, denselben zu sich lassen rufen, und zum Dank und Vergeltung seinen zwei Töchtern 2000, ihm aber für seine Nothdurft 500 Dukaten angeschafft.

Diesen war eine löbliche Dankbarkeit, und wollte Gott, es wären mehr dergleichen Pii zu finden, so würde auch nicht die so große Vergessenheit einschleichen in die menschlichen Herzen. Oft mancher gedenkt doch, wer er vorher gewest, vorher so viel gehabt, als Petrus in seinem Netz, da er die ganze Nacht gefischt, Nihil; jetzt aber voller Gold, wie das Kalb in der Wüste, so die Hebräer angebetet; vorher so schlecht, daß er mußte mit dem Stroh Vorlieb nehmen, wie die Götzenbilder des Labans, jetzt aber so wohl eingerichtet, daß er auch mit einem egyptischen Joseph nicht wollte tauschen; vorher so gering, daß er fast die verlorne Eslin mit dem Saul hat müssen suchen, jetzt aber so vornehm, daß er wie ein Mardochäus beim Brett sitzt; vorher so arm, daß er mit der Samaritanin mußte das Brunnwasser schöpfen, jetzt aber so vermöglich, daß ihm die Keller mit Wein angefüllt, wie die Krüg zu Cana usque ad summum etc. Er gedenkt aber, wer ihm zu allen diesem nach dem allmächtigen Gott verhülflich gewest? Wer? dieser und dieser, wann er nicht gewest wäre, so wäre ich so weit nicht kommen; wann dem also,[412] so schau doch, was der Knopf beweist an deinem Tüchel, nemlich, du sollst der empfangenen Gutthaten nicht vergessen; diese deine Gutthäter seynd schon todt, seynd in einem Stand, da sie sich selbst nicht helfen können, sitzen, und brennen und braten im Feuer und Flammen, und warten alle Augenblicke auf deine Dankbarkeit.

Wie Gottes Sohn auf die Welt kommen und aus der unbefleckten Jungfrau Maria geboren zu Bethlehem, da waren gegenwärtig ein Ochs und Esel, welche, wie Thomas de Villa nova bezeugt, beide ihre Knie gebogen und den Herrn angebetet, und sollen sich derenthalben etlich nicht wenig schämen, daß Ochsen- und Eselsköpf höflicher seyn, als sie; der Esel stellte sich absonderlich freundlich gegen den neugebornen Messias als den er mit dem steten Keuchen erwärmet, und von dermaligen Kälte defendirt, der kleine Jesus machte (also zu reden) dazumal einen Knopf an die Windlein, als woll er des Esels nicht vergessen, sondern zu seiner Zeit vergelten, und so am Palmtag, da er wollte triumphirend in die Stadt Jerusalem einreiten, hat er hierzu ein solches Thier erwählt, ja sogar bedeckten die Juden den Weg mit ihren Kleidern, wo der Heiland geritten, solche Ehr ist dem Esel niemal widerfahren.

Ist nun der gebenedeyte Heiland dankbar gewest gegen einen Esel, so lösche ich den ersten Buchstaben in diesem Wort aus, so bleibt Seel, und hoffe, da werdest nicht in Vergessenheit stellen die so mannigfaltige Gutthaten, die du von dieser und dieser Seel, als selbige noch in dem Leib auf der Welt wanderte,[413] empfangen. Dem Tobias hat der Raphael viel Guts erwiesen, das aber hat er nicht vergessen; der Ruben hat dem Joseph viel Guts gethan, das hat er wohl nicht vergessen; Jethor hat vom Mose in Egypten viel Guts empfangen, das konnte er gar nicht vergessen; Josue hat eine ziemliche Gutthat erhalten von der Rahab, das wollt er nie vergessen; Naam Syrus hat von Elysäo viel Guts empfangen, das wollt er auf keine Weis' vergessen; die Ruth hat von der Booz sehr viel Gutthaten erfahren, das wollt sie nimmermehr vergessen; Elias hat von der Wittiben, die ihn erhalten, viel Guts empfangen, das konnte er kurzum nicht vergessen. Ich, du und er, wir, und die, haben sehr viel Guts empfangen von diesem und jenem, der schon längst mit Tod abgangen, so laßt uns dann seiner nicht vergessen, es sollt kein Tag vorbeigehen, daß ich nicht ein Ave Maria hinunter schickte, es sollt die Sonne nicht untergehen, daß ich ihm nicht das ewige Licht wünsche, es sollen nicht vierundzwanzig Stund verfliehen, daß ich seiner soll nicht gedenken, so lang ich lebe, so will ich das Bissel Brod mit ihm theilen, und das öftere Allmosen, welches ich dem Armen gebe, ihm überlassen, tröst ihn Gott, das will ich allezeit geben, Gott geb ihm die ewige Ruhe, das will ich allezeit reden, Gott sey ihm gnädig, das will ich allzeit sprechen.

Ein Knopf an das Tüchel machen, forderist die, Religiosen, welche nach der evangelischen Armuth leben, und von Allmosen ihre Unterhaltung haben, diese vergessen niemal der verstorbenen Gutthäter, sondern fast in allen ihren Zusammenkünften und Gottesdiensten[414] ist man eingedenk derselben. In unserer reformirten Religion betet man nicht allein bei allen Konventual-Kapitel, Provincial-Kapitel, General-Kapitel, für die verstorbenen Gutthäter, wie auch jedesmal, nach dem Chor, sondern sogar endet sich kein Tisch noch Tafel, wo man nicht dergleichen Bescheidessen schickt denen verstorbenen Christglaubigen, so zuvor einige Gutthaten den armen Geistlichen erwiesen: und ist ja recht und billig, massen sogar die Juden nicht so ungeschlacht gewesen. Nachdem der Herr Jesus mit fünf Brod und zwei Fisch, fünftausend Personen gespeist, so haben sie ihn zu einem König wollen aufwerfen, und ihm die Kron aufsetzen; also ist unser Verpflicht und Schuldigkeit, daß wir an alle empfangenen Gutthaten gedenken, und forderist denjenigen verstorbenen Gutthätern helfen zu der ewigen Kron, von welchen wir einige Lebensmittel bekommen.


Solvendo salvabimur omnes.


Scio misericorditer operatam (Matrem meam) et ex corde dimisisse desita debitoribus sui, demitte illi et tu debita sua, sic qua etiam contraxit per tot annos post aquam salutis. S.P. August. lib. 10. Confess. c. 13.

»Ich weiß wohl, daß sie (meine Mutter) sich sehr barmherzig gegen Jedermann verhalten, und ihren Schuldnern die Schuld nachgelassen habe, derohalben, Gott, vergib derselben gleichfalls ihre Schulden, die sie nach der heiligen Tauf von so vielen Jahren her etwan gemacht habe.«


Fort mit dir in die Keuchen, sagt das Evangelium, es sey dir gesagt, Amen, es sey dir geschworen, du wirst von dannen nicht heraus kommen, bis du den letzten Heller bezahlest. Dieses alles gehet die[415] armen Seelen im Fegfeuer an, welche ihre gemachte Schulden in jenem feurigen Kerker bei Heller und Pfenning bezahlen müssen, aber wo nehmen? Qui non habet in aere luat in pelle: Da heißt es, der nicht bei Mittel ist, der bezahle es mit der Haut, oder ein anderer aus Mitleiden und Barmherzigkeit bezahle für ihn, massen der gerechte Richter nicht einen Heller nachlasset.

Seltsam ist, was von einem schwedischen Hauptmann Mancinus vorbringet, weil diesem Soldaten so viel Monatsold ausständig, zumal von Sold der Soldat den Namen geschöpft, hat er endlich die Sach vor den König Karolum selbst gebracht, und verlangte unterthänigst die ihme ausständigen 600 Reichsthl., was, sagte der dazumal ungeduldige König, dir 600 Reichsthl.? an Statt dieser will ich dir 600 Teufel auf den Kopf wünschen: das schmerzte nicht ein wenig den guten Offizier, konnte aber dermalen wider den Strom nicht schwimmen, und mußte dermal die liebe Geduld anziehen, unterdessen wachsen seine Schulden nicht ein wenig im Wirthshaus, also zwar, daß solche bereits auf 300 Reichsthl. sich beloffen, welches Geld die Frau Wirthin in baarer Bezahlung forderte, worüber aber der besagte Hauptmann ein sehr sauers Gesicht gemacht, was, sprach er, 300 Thaler? anstatt derer sollt ihr 300 Teufel auf den Kopf haben, solche freche Antwort veranlaßt die Wirthin, daß sie gar die Sach nach Hof brachte, und kam die ernstliche Bescheidung, der Offizier soll erscheinen, dem dann unter großer Leibsstraf auferlegt worden, er soll bezahlen, worauf der Soldat geantwortet: wie daß er sie bereits[416] mit königlicher Münze baar kontentirt, dann ihm unlängst der König auf Erforderung 600 Thaler, 600 Teufel habe geben, und weil er ihr, der Wirthin, nicht mehr als 300 Thaler, vermög der gemachten Rechnung, schuldig sey, also habe er sie mit 300 Teufeln abgefertiget, man werde hoffentlich hierinfalls des Königs Münze nicht verachten etc. Auf solche Weis' läßt sich der göttliche gerechte Richter nicht bezahlen, sondern es müssen die armen verstorbenen Christglaubigen, die noch mit einem Schuldenrest, von der Welt geschieden, ihn kontentiren, bis auf den letzten Heller, aber wo nehmen? um Gottes Willen wo nehmen? sie haben nichts, daher werden sie arme Seelen genennt, und eben weil sie nichts haben, womit sie den Allmächtigen befriedigen können, müssen sie dafür lange, große, schwere, harte, strenge und unbeschreibliche Peinen und Tormenten ausstehen, oder, oder, oder, welches ihr einiges Bitten, Bitten, und Seufzen und Schreien ist, oder jemand anderer aus uns muß aus Mitleiden für sie bezahlen, damit doch einmal der allmächtige Gott ein Kreuz mache durch das Schuldbuch; aber wo nehmen? das sage nur kein Mensch.

Petrus ließ sich wohl einmal verlauten, da er von einem Bettler bei der Kirchthür um ein Allmosen angesprochen worden, daß er weder Pfenning noch Heller, weniger etwas von Gold habe etc. Aber diese Entschuldigung können wir auf keine Wege vorschützen, Geld genug, Geld ohne Abgang, Geld so viel man verlangt, und zwar die besten Mariagroschen, ist ein Geld, so der Zeit im Schwung geht, durch diese[417] Mariagroschen kann man verstehen das heilige Ave Maria, und folgsam gar den heil. Rosenkranz, womit die großen Schulden im Fegfeuer können bezahlt werden.

Der selige Alanus de Rupe erzählt, daß ihm sehr viele Brüder und Schwestern aus der Erzbruderschaft des heil. Rosenkranz gesagt haben, auch mit einem Eid betheuert, daß ihnen gar oft, da sie den heil. Rosenkranz andächtig gebetet, seyn Seelen aus dem Fegfeuer erschienen, dero Stirn mit einem rothen Kreuzlein bezeichnet gewesen, welche sehr großen Dank ablegten um dieses heil. Gebet, auch anbei ermahnten, sie sollen ferners in dieser Andacht fortfahren, massen nach dem heil. Meßopfer kein kräftigers Mittel sey, ihre Pein zu mindern, und die Schulden für sie zu bezahlen, als der heil. Rosenkranz, deßgleichen in Surio zu lesen, daß des Königs Philipp in Frankreich leibliche Tochter und Herzogin in Brabant der heil. Ludgarden erschienen, und ihr angedeutet, daß sie nicht lange im Fegfeuer verblieben vermittels des heil. Rosenkranz, den sie täglich bei Lebzeiten andächtig gebetet. Wann die Rosen kühlen, wie aller Medici Aussag ist, so wundert mich nicht, daß die mit großer Hitze geplagten Seelen in jenem zeitlichen Kerker also trachten nach dem heil. Rosenkranz.

Von der seligen Elisabeth aus Aragonia wird geschrieben, daß sie einstmals durch göttliche Eingebung ein Kirchengebäu, dessen Abriß der Himmel selbst gemacht, habe angefangen, wie nun zur Abendszeit die Arbeiter, nach Haus gangen, gab sie jedem eine Rose, in dem bestunde der Taglohn; weil die guten Leute nur wohl erkennt die größte Heiligkeit dieser Elisabeth,[418] also haben sie derowegen kein widriges Gesicht gezeigt, sondern die Rose mit Dank angenommen, solche wegen ihres guten Geruchs an die Nase gehalten, und gleichsam darum gedankt; aber sieh Wunder! da sie die Rosen in Händen hielten, seynd solche augenblicklich in große guldene Pfenning verändert worden.

Was dazumal geschehen, geschieht noch öfter, daß nämlich die Rosen zu Geld werden, solches um Bericht die armen Seelen im Fegfeuer, die es mit großem Dank gestehen, daß ein Rosenkranz, so man für diese armen Tropfen Gott aufopfert, das angenehmste Geld sey in den Augen Gottes, und nicht ein wenig von ihren Schulden abzahle.

Zu Kapharnaum wurde der Peter angeredt, er solle den Zinsgroschen zahlen, wo nehmen? Unser Herr befiehlt ihm, er solle den Angel ins Meer werfen, dem nächsten Fisch, den er werde herausziehen, soll er ins Maul greifen, da werde er schon Geld finden, wie es dann auch geschehen.

Wir wollten gern für die armen Seelen im Fegfeuer die Schuld bezahlen, aber wo Geld nehmen?

Geld genug, zu Kapharnaum hat ein Fisch Geld gespendirt, jetzt aber gibt uns der Fischer Geld. Beschaue Jemand alle Ablaßbriefe, so nun von dem päpstl. Stuhl kommen, ob selbe nicht von Fischer?

Ein jeder wird von Fischerring bestätiget, sub annulo piscatoris; ein solcher Ablaß ist anstatt des beßten Gelds, womit die Schulden der armen Seelen bezahlt werden.

Anno 1308 ist ein Edelmann, samt seinen Beamten nach dem Kirchel Portiuncula gereist, allda[419] den vollkommenen Ablaß zu gewinnen, in der Zuruckreis wurde dieser Beamte erkranket, und schriebe solchen seinen Zustand keiner andern Sach zu, als der großen und langen Reis, murrte derentwegen nicht ein wenig, worauf der Edelmann ihn getröst, er soll eines guten Muths seyn, die Reisunkosten wolle er bezahlen, ja sogar auch ihn auf seinem eigenen Pferd, bis nach Haus liefern, wann er den heiligen Ablaß, den er vermuthlich gewonnen, seinem schon längst verstorbenen Bruder wolle überlassen, gar gern, sagt hinwiederum der andere, gar gern, wann ich nur reiten kann: des andern Tags erscheint diesem Edelmann sein längst verstorbener Bruder in ganz glorreicher Gestalt, mit Meldung, daß er, Gott sey Lob, vermittels des ihme überlassenen heiligen Ablaß, aller Pein sey los worden, und anjetzo in die ewige Seligkeit eingehe.

Dieser Seel ist Portiunkula weit besser zu Nutzen kommen, als jenem verlornen Sohn seine Erbportion. Da mihi Portionem etc. Ablaßpfenninge seynd bei den armen Seelen weit besseres Geld, als alle Dukaten etc. O! wer ist doch dießfalls reicher und mit Geld versehen, als die Brüder und Schwestern in der Erzbrüderschaft der Todten allhier zu Wien bei uns PP. Augustinern, lassen ein ganzes Jahr hindurch sie mit so häufigem Ablaß versehen, womit sie als mit dem besten Geld und himmlischer Münz die armen verstorbenen Christglaubigen, forderist die in Gott entschlafenen Bruder- und Schwesterschulden können bezahlen, und also durch das Schuldbuch ein Kreuz machen, zumal der mittlere Kreuzaltar von dem päbstlichen Stuhl mit dergleichen Gnaden bereichert ist.


[420] Ostium pandit Hostia.


Ponite hoc Corpus ubicumque nil vos ejus cura conturbet: Tantum illud vos rogo, ut ad Altare Domini memineritis mei ubicumque fueritis. S.P. August. lib. Confess. 9. c. 11.

»Legt diesen meinen Leib,« sagt die heil. Monika, als eine Mutter Augustini, »legt ihn hin, wo ihr immer wollt, dürft euch denselben wenig lassen angelegen seyn, noch derenthalben viel Kummer machen, aber meine einige Bitte ist nur, daß ihr meiner in dem heiligen Meßopfer wollet eingedenk seyn.« Also schreibt selbst der heil. Vater von ihr.


Dazumal ist dem Peter das Concept nicht angangen, wie er auf dem Berg Tabor, allwo der gebenedeite Herr und Heiland sein Glori in etwas entworfen, dem Mosi, dem Eliä, und forderist dem Herrn, wollte drei Tabernakuln bauen, facimus hic tria Tabernacula, etc. Aber bei uns kann nichts Heilsameres geschehen, als wann wir den armen Seelen in jener Welt Tabernakul schenken; verstehe aber die Tabernakuln in den Kirchen und Gotteshäusern, in welchen das höchste Gut aufbehalten wird, welches aus allen Mitteln das wertheste und beßte ist, die in jenem zeitlichen Kerker verhafte Seelen zu erlösen.

Die Gärtner suchen und forschen, und säen, säen wohl, sorgen viel, suchen stets, was für ein Zeichen im Mond sey, ob er im Aufnehmen, oder im Abnehmen, ob er im ersten oder letzten Viertel, ob Neumond oder Vollmond, etc. Dann die meiste Influenz des Monds ist in die Erdgewächs. Die armen Seelen im Fegfeuer, die schauen auf nichts so sehr als auf den Mond, sie seufzen nach nichts so stark als[421] nach dem Mond, sie denken auf nichts so stark als auf den Mond, und zwar auf halben Mondschein, welcher in der guldenen Monstranz das höchste Gut haltet, dieses Brod der Engel, dieses göttliche Manna, dann von diesem ist aller Gnaden und Barmherzigkeit einige Influenz.

In unserm werthen Deutschland ist fast ein gemeiner Brauch, daß bei Marktzeiten ein guter Freund dem andern ein Jahrmarkt kauft, ja mancher spendirt nicht wenig, der zieht den Beutel ziemlich, es fliegen viel Denari aus, damit er nur seiner Liebsten einen angenehmen Jahrmarkt einkaufe. Das Bitten der armen Seelen zu uns, das Schreien der armen Verstorbenen zu uns, das Seufzen der Bekannten und Anverwandten aus dem Fegfeuer zu uns, ist mehrentheils nur um ein Jahrmarkt, aber man muß es also verstehen, in großen vornehmen Handelsstädten wird ein Jahrmarkt eine Meß genennt, benanntlich Frankfurter Meß, Leipziger Meß, etc. Aber die verstorbenen Christglaubigen verlangen keine solche, sondern eine heilige Meß, in welcher nicht zeitliche Waaren, sondern die göttliche Waar, welche der vermessene Judas, um einen so geringen Preis, benanntlich nur um dreißig Silberling verhandelt, das wahre Fleisch und Blut Jesu Christi in dem heiligen Altaropfer.

Anno 1667 in der Stadt Straubing in dem Herzogthum Bayern, hat ein frommes Paar Ehevolk bei finsterer Nacht an einem Samstag ein andächtiges Gespräch gehalten, wie daß sie nämlich den morgigen Tag auch wollen erscheinen in der Generalkommunion bei den P.P. Jesuitern, da sie nun eine kleine Weil[422] von diesem so heiligen Vorben geredet, da hören sie etwas klopfen in der Kammer, endlich seufzen, und diese Wort aussprechen: date et mihi micam, laßt doch, ach, laßt doch mir auch einen Prosen zukommen. Als wollt gleichsam dieser Geist sagen, ihr habt so oft ein stattliches Panquet, um welches, wann es möglich wär, auch die Engel euch sollten benedeien, ihr habt mehrmal ein Traktament, daß auch Gott selbst mit aller Allmacht nichts kostbarers kann aufsitzen, und wir leiden alhier einen so unaussprechlichen Hunger, schickt uns doch um Gottes willen auch ein wenig ein Bescheidessen, vergönnt uns nur als eurem Blutsfreund, als dem allerverlassensten Tropfen nur ein Prosen von dieser göttlichen Tafel, ihr könnt ja nicht ein so steinhartes Herz haben, wie jener reicher Prasser, der dem armen Lazaro vor der Thür nicht den wenigsten Bissen hat lassen zukommen, dann dieß allein ist das allerkräftigste, uns zu helfen, dieses zertrennt unsere Eisen und Bande, an die wir gefesselt seynd, dieses eröffnet den Kerker, in dem wir gefangen liegen, dieses versüßet unsere Bitterkeiten, mit denen wir allerseits umgehen.

Lippomanus schreibt den 22. April von dem heil. Priester Gregorio, wie diesen Theodorus in der Gefängnuß wollte versehen mit dem heiligsten Fronleichnam, zuvor aber die Wächter und Soldaten gebeten, daß sie ihn aus den Eisen und Banden nur so lang wollten schlagen, bis er das heilige Werk vollzogen. Als er aber von diesem unbarmherzigen Gesellen nichts erbitten konnte, so hat er gleichwohl die heilige Kommunion ihm dargereicht, siehe aber Wunder! kaum hat Theodorus dem heiligen Mann die heiligsten[423] Hostien auf die Zunge gelegt, da seynd alsbald von Gregorii Händ und Füßen die Bande und Ketten abgesprungen, und folgsam der heilige Mann aller Banden befreiet worden.

Wann nun dieses höchste Panquet solche Band aufgelöst, so ist es nicht weniger kräftig, auch jene feurigen Ketten, an denen die armen Seelen im Fegfeuer gefangen liegen, zu zerbrechen. Wann jene Speis, welche der Prophet Habakuk dem Daniel in die Löwengrube getragen, ihm so ersättlich gewest ist, wie wird erst den armen Seelen seyn das hochwürdigste Sakrament des Altars? wann den Propheten-Kindern, denen Elisäus mit wenig weißem Mehl hat können den bittern Krauttopf versüßen, was wird dann erst für Kraft haben, der unter der Gestalt des weissen Brods verhüllte Heiland selbst? wann ein Engel hat können den im Gefängnuß verhaften Peter auf freien Fuß stellen, was wird nun thun können Gott selbst, so den armen Seelen in dem allerheiligsten Sakrament wird zugeschickt?

Aus dem Cistercienser-Orden zu Claraval war ein Lai-Bruder, welcher kein anderes Amt hatte, als die Schaafe zu hüten, dann vor diesem in dergleichen Klöstern keine weltlichen Leute gebraucht worden, sondern alle Handarbeit, sogar ackern, säen, schneiden und dreschen, die Geistlichen mußten verrichten; als besagter Laibruder einst bei seiner Heerd Schaaf sich befunden, da erscheint unversehens vor seiner ein Mensch, den er alsobald und ohne Schrecken befragt, wer er sey? woher er komme, ich, sagte dieser, bin dein Better, bin vor wenig Zeiten mit Tod abgangen, bin von[424] dem gerechten Gott in das Fegfeuer verurtheilet worden, worinnen ich unermeßliche Pein und Schmerzen leide, also, bitte ich dich um Gottes willen, halte bei deiner Obrigkeit an, daß sie mir drei hl. Messen schenken, vermög dieser wird Gott meine zeitliche Strafe enden. Nachdem nun solches heil. Opfer für diese arme Seele verrichtet worden, ist sie mehrmals in Gegenwart anderer erschienen, und sich ganz glorreich gezeigt, auch öffentlichen Dank abgelegt um diese ihr so große geleistete Hülfe.

Warum aber, möcht einer sagen, soll man mehr Messen lesen für einen Verstorbenen, indem doch eine einige heil. Messe genug ist, das ganze Fegfeuer auszuleeren? Hierauf wird geantwortet: wann man ansieht dasjenige, was in dem heil. Meßopfer aufgewandelt wird, so ist selbiges von einem unendlichen Werth, massen es der wahre Heiland Jesus selbst, und dieser ist freilich genug, nicht allein auszulöschen ein Fegfeuer, sondern unzählbare; so man aber betracht den Effekt und Frucht der heil. Meß, so ist dieser nicht unendlich, sondern der Höchste hat durch seine göttliche Weisheit beschlossen, es soll ein heil. Meßopfer so und so viel gelten, so und so viel läßliche Sünden auslöschen, so und so viel Schulden bezahlen, und nicht mehr; was aber eigentlich für einen Preis oder Werth der Allmächtige gesetzt hat auf ein solches heil. Opfer, ist dermal uns Menschen nicht bekannt, wird auch in göttlicher heil. Schrift eigentlich hievon keine Meldung gethan, noch haben wir dessen durch einige Offenbarung eine Wissenschaft.

Es läßt sich mehrmal jemand hören, wann ein[425] vornehmer Herr mit Tod abgeht, wann eine reiche adeliche Dame stirbt, für welche etliche tausend heil. Messen gelesen werden, so kommt ja eine solche Seele bald aus ihren Schulden in jener Welt, da unterdessen ein armer Tropf, der keine Mittel hinterlassen, muß seine Schulden so langsam und so theuer bezahlen; allhier ist die Antwort, daß solcher Gestalt wenig Edelleut im Fegfeuer wären; es ist aber zu wissen, daß solche heil. Messen und andere guten Werke nicht allezeit denjenigen zukommen, für welche sie verrichtet werden, dann wann solche bei Lebzeiten nie, oder gar selten, der armen Seelen im Fegfeur seynd eingedenk gewest, so nimmt ihnen Gott gleichsam solche heilige Werk vor dem Maul weg, und theilt sie unter andere bedürftige Seelen aus, die sonsten aller Hülf entblößt seynd; wohl aber laßt der gütigste Gott denjenigen, die sie verrichten, suffragia zukommen, so vorhin auch mitleidend gewest bei Lebzeiten gegen den armen verstorbenen Christglaubigen. Non omnibus defunctis prosunt. Suffragia infallibiliter, sed aliquibus qui meruerunt in hac vita, et ii censentur esse animae eorum, qui in hac vita habuerunt specialem devotionem circa animas purgatorii.


Gaudent proximinora magis.


Inspira domine deus meus, inspira servis tuis, frateribus meis, filiis tuis, dominis meis, quibus et voce et corde et literis servio, ut quotquot haec legerint, meminerit ad altare tuum Monicae famulae tuae cum Patricio quondam ejus conjuge, per quorum carnem introduxisti me in hanc vitam. S. P August. lib. 9. confess. c. 13.

[426] »Verschaffe mein Herr und mein Gott,« seufzte der heilige Vater Augustinus, »verschaffe in meinen Dienern, meinen Brüdern, deinen Kindern, meinen Herrn, welchen ich mit Wort und Schriften, mit Herz und Mund zu Diensten bin, auf daß alle, die dieß lesen werden, deiner Dienerin Monika, samt ihrem Ehegatten Patritius, durch welche ich dieses zeitliche Leben empfangen hab, bei dem Altar gedenken wollen.«


Ein vornehmer Edelmann aus Frankreich wurde von dem Vorwitz angetrieben, daß er eine Lust bekommen, die neue Welt, von der ein so großer Ruhm und Ruf, zu sehen, zu welchem End er eine stattliche Schifffahrt dahin angestellt, dem auf alle Weis auch nach allem Widerrathen, seine erwachsene Schwester die Gesellschaft geleist, ein Fräule von wunderschöner Gestalt und Leibsbeschaffenheit. Nach andern befand sich auch auf gedachtem großen Schiff ein anderer sehr adelicher Kavalier, welcher nach und nach ein Aug geworfen in des Schiffsherrn seine adeliche Schwester (im Würfelspielen seyn viel Augen gut und bringt Glück, aber in diesem Falle seyn die Augen meistens schädlich) seine Liebe wuchs so weit, daß er auch eine Gegenlieb erworben, ja sogar haben sich beide in eine eheliche Verlöbnuß eingelassen, doch ungeacht haben des Schiffsherrn, deme hiervon das wenigste vertraut worden, aus Forcht, er möchte als ein hochtrabender Herr der Sach einen Riegel, schießen: der kleine Schleckerbub Kupido hat nicht gefeiert, bis endlich auch bei glücklicher Schifffahrt die Ehe zwischen diesen beiden gescheitert, welches der hernachwachsende Leib verrathen, worüber sich der Schiffherr nicht ein wenig entrüstet, auch gänzlich bei sich beschlossen, diese vermessene That zu rächen, und zu Vermäntlung seines Vorhabens zeigte er sich, als[427] wäre er ihrer Verehlichung nicht zuwider, bis er endlich bei einer unbekannten Insel die Anker gesenkt, des Verlauts, als wolle er einen Rasttag nehmen, und zugleich mit frischem Wasser sich versehen, da dann neben andern dieses Paar liebste auch ausgestiegen, nachdeme er etliche Sachen, als Pulver, Blei, Feuerzeug und einige Speisen auf das Land laden lassen, befiehlt er bei finsterer Nacht in aller Still abzusegeln, und das neue Paar Ehevolk in der Insul zu lassen, so auch werkstellig gemacht worden. Bei aufgehender Morgenröth sahen sich diese zwei ganz allein, und von männiglich verlassen: Das Schreien, das Bitten, das Weinen war umsonst, und alles fruchtlos: Nachdem sie nun aller menschlicher Hülf beraubt waren, mußten sie sich endlich in die Roth schicken; aber auszusprechen ists nicht, was Angst und Trübsal, sie dieser Ort, allwo mehr Wildnuß und wilde Thier zu sehen, ausgestanden. Mit etlichen Gesträuß und Stauden bauten sie endlich dieses edle und so zart auferzogene Paar Ehevolk, eine schlechte Hütte; er ginge täglich auf die Jagd, und versahe nach Möglichkeit die arme Kuchel; sie sparte nicht weniger ihren Fleiß, und grabte mit ihren zarten Händen, die sich vorhero fast vor der Seide scheueten, die Wurzel aus der Erde; aus sonderm Segen des Himmels hat sie gleichwohl ein frisches Brunnquell, welches ihnen besser als der reicheste Hofkeller gedient. Nach etlichen Monaten wie dann ein Elend dem andern auf dem Fuß folgen, erkranket der Herr und stirbt; massen ein Abgang war aller Mittel; mußte also die Frau allein tragen, was zuvor beiden schwer[428] genug ankommen; und dieses Elend dauerte über ein ganzes Jahr nach dem Tod ihres Herrn. Kein Augenblick, wie sie es nachmalens gestanden, ist verflossen, daß sie nicht, als von Jedermann verlassen, ihre Augen gewendet auf das weite und breite Meer, und geschaut, ob nicht etwan ein Schiff daher segle, und sie aus dieser Noth erlöse, stunde also ihr ganzes Leben nur in der Hoffnung. Endlich doch ist ein französisches Schiff, so vom Ungewitter an besagte Insel geworfen worden, ihr zu Hülfe kommen, und sie mit elenden, zerrissenen und verfaulten Kleidern in fast wilder und abscheulicher Gestalt mit sich genommen und erlediget.

In großem Elend war diese ein Elend, wo mehr Noth als Brod ist; ein Elend war diese, wo mehr Leid als Freud ist: ein Elend, wo mehr Frost als Trost ist. Da war Kammer und Jammer ein Ding, da war Ach und Dach ein Ding; da war Hausen und Grausen ein Ding; ist das nicht ein Elend?

Alles dieses Elend, und menschlicher Weis, große Drangsal, ist gar nicht zu vergleichen denselben, was da in jener Welt leiden die im Fegfeuer verhafte arme Christgläubige; allein in dem findet sich eine Schattirung, daß sie gleich dieser betrübten Wittib stets und immerzu ihre Augen werfen in diesem bittern Meer hin und her, wann doch einmal einmal ein Schiff sich blicken ließe, so ihnen Hülf leiste, und sie erlösete; aber zu wem haben diese trostlosen und verlassenen Geister ihre meiste Hoffnung? Zweifelsohne zu ihrem nächst Anverwandten und Befreundten, dann sie gar wohl[429] wissen, daß ein Brunn im Feld, ein Brunn im Garten zwar alles befeuchte, aber doch zu allererst diejenigen Pflanzen, dasjenige Gras, welches ihnen nahe ist; also wann wir mitleidige Christen gegen Männiglich eine Barmherzigkeit tragen, so ist ja recht und rathsam, daß wir ehender eine Hülfe leisten denjenigen, die uns nächst anverwandt sind und an Blut befreundt.

Als man einen Gichtbrüchigen zu unserm Herrn getragen und demüthigst ersuchet, er wolle sich doch seiner erbarmen, und ihm die gewünschte Gesundheit ertheilt, da hat der gebenedeite Heiland solche Gnad auf keine Weis wollen abschlagen, sondern ihn alsobald gesund gemacht, ihm aber anbei befohlen, er solle sein Bett nehmen und in sein Haus gehen. Surge, tolle lectum tuum et vade in domum tuam. Warum aber der Herr Jesus ihm geboten, daß er sich solle nach Haus den geraden Weg begeben, war die Ursach, spricht der heil. Johannes Chrysostomus in Cap. 6. Hom. 30., damit er den Leuten daselbst die großen Wunderwerke Christi, und damit sie ihren Irrthum verlassen und an den wahren Messias glauben. Wann dem doch also, warum den geraden Weg nach Haus und seiner Wohnung? Und warum nicht anderwärts hin? Die Ursach ist diese, weil er doch hat sollen und wollen den Leuten etwas Guts thun, und zu der Nachfolg des Herrn Christi anfrischen, so hat es sich gebührt, daß er geschwind und den geraden Weg nach Haus genommen, dann allda waren seine Befreundte, seine Anverwandten, seine Geschwisterte, seine Bekannten; dann wann sich jemand der Armen erbarmet, und ihnen begehrt Hülfe zu leisten,[430] so ziemt es sich, daß er vor Andern den Blutsfreunden helfe.

Heilig ist, heilsam ist, liebwürdig ist, lobwürdig ist, wann sich ein christlicher Mensch der armen Seelen im Fegfeuer annimmt, aber er soll vor allen andern denjenigen Hülfe reichen, die da in seiner Freundschaft; zu allererst den lieben verstorbenen Eltern, weil die forderist ihre Hoffnung setzen auf die Hülfe der hinterlassenen Kinder. Nach dem Exempel meines heiligen Vaters Augustin, welcher jedermann ersuchet, und inständig gebeten, sie wollen doch in ihrem Gebet, und absonderlich die Priester in ihrem heiligen Meßopfer seiner verstorbenen Mutter Monika und seines Vaters Patritius eingedenk seyn.

Es hoffen die lieben Eltern auf ihre Kinder, daß sie werden nachfolgen dem Samson, welcher denjenigen Honig-Fladen, so er in dem Rachen des erwürgten Löwen gefunden, nicht allein für sich behalten, sondern davon eine gute Portion seinen Eltern zugebracht; also werden sie auch ihnen lassen zukommen das göttliche Manna und süßeste Himmelsbrod des Altars.

Es hoffen die Kinder auf ihre annoch lebenden Eltern, daß solche werden nachfolgen der Agar, welche auf keine Weis konnte ertragen, daß Ismael ihr Sohn sollte vor Durst sterben, sondern sie hat denn so lange bei dem Himmel supplizirt, bis Gott einen Engel gesandt, der ihr ein klares Brunnquell gewiesen hat in der Wüste. Also werden sie auch ihnen verhülflich seyn, damit sie doch einmal gelangen zu demjenigen, welcher der Samaritanin gesagt hat, daß er sey der Brunn des ewigen Lebens.[431]

Es hoffen die Geschwisterte auf ihre hinterlassenen Brüder und Schwestern, daß sie werden nachfolgen der sorgfältigen Martha, welche alle Hausgeschäfte beiseits gelegt, und in aller Eil (hat sogar der Magdalena nichts davon angedeutet), dem Herrn Jesu entge gen geloffen, und ihren verstorbenen Bruder rekommandirt, wie dann bald der Bescheid ergangen: »resurget frater tuus, dein Bruder wird auferstehen!« Also werden sie ebenfalls ihrer öfters gedenken und bei dem göttlichen Heiland das ewige Leben ihnen zuwegen bringen.

Es hoffen die verstorbenen Eheweiber auf ihre hinterlassenen Weiber, und hinwieder die Ehemänner auf ihre annoch ins Leben verbliebenen Männer, daß sie werden nachfolgen der beschiedenen und bescheidenen Abigail, welche alle Mittel angewandt, keinen einigen Unkosten gespart, damit sie nur das Uebel von ihrem, obschon groben Mann, möchte abwenden, so ihm von David gedroht wäre. Also werben sie gleicher Gestalt in allweg suchen, wie doch das große Elend, worin sie allbereits stecken, einmal von ihnen könne wenden.


Cedunt candida nigris.


Consilio inito emerunt ex illis agrum siguli in Sepulturam peregrinorum etc. Invenit tandem Mens cocea remedium. S.P. August. Serm. 121. de Temp.

»Sie fanden aber keinen Rath (verstehe die Juden wegen des Gelds, mit dem der Heiland verkauft worden), und kauften darum eines Hafners Acker zur Begräbnüß der Fremden etc.« Matth. 28. »Dießfalls haben die verblendeten Gesellen gleichwohl noch etwas gefunden,« spricht der hl. Vater Augustinus,[432] »womit sie sich aus allem Uebel, dafern sie nur gewollt hätten, hätten können heraushelfen.«


Der erste Willkomm, welchen der Engel den drei andächtigen Frauen hat geben, als sie mit kostbaren Salben das Grab des Herrn besuchten, war dieser: »Nolite timere. Fürchtet euch nicht etc.« Allen denjenigen, so die Gräber aller verstorbenen Christgläubigen verehren, und der Todten sich annehmen, sey es für einmal und allemal auch gesagt: »Nolite timere, Fürchtet euch nicht,« massen euch nicht Uebels kann widerfahren, dann gleich wie in dem Würfeln viele schwarz werfen, ein sonderes Glück ist, also hat nicht weniger Glück auf der Welt (massen von der ewigen Belohnung vorhin schon Meldung geschehen), zu hoffen und zu gewarten derselbige, dem die schwarze Farbe beifällt, verstehe hiedurch die Todten. Dann durch die Todten schon mehrmal den Lebendigen große Hülfe geleistet worden.

Die Hohenpriester der Juden seynd sowohl, ja mehr, als der Iskarioth Ursach gewest an dem bittern Tod des Herrn Jesu, dann kein Tag war, da sie nicht den Untergang dieser göttlichen Sonne suchten; keine Nacht war, da sie nicht sich bemühten, dieses göttliche Licht auszulöschen. Wie die Wölfe verfolgten sie dieses Lamm Gottes, wie die Geier und Raubvögel die unschuldigen Tauben, wie tobender Sturmwind dieses Schiffel des Heils, bis sie endlich diese blutgierigen Egel und unmenschlichen Tigergemüther den Heiland an das Kreuz gebracht, und folgsam mehr verschuldet als der Judas Iskarioth. Dannoch aber auf der Wett nicht also gestraft worden wie er, nicht eines so[433] unglückseligen Todes gestorben wie er; nicht der ganzen Welt zu Schand und Spott werden, wie er; warum? die Ursach war diese, ihre Würfel haben viel Schwarz geworfen, sie haben sich der Todten angenommen, dann sie um jenes Blutgeld, womit das höchste Gut verkauft worden, einen Acker eingehandelt, der da zu allen Zeiten soll seyn ein Freihof und Begräbnuß der Fremdling, in Sepulturam Peregrinorum. Wie dann vom besagten Acker sehr viele Erde nach Rom überbracht worden, und wird das Ort genannt Capo Santo, allwo noch auf heutigem Tag diese Erde nur die Leiber der Fremden behaltet, den Innwohner aber gleich wieder auswirft.

Gar gewiß hätte sie selbst der Teufel lebendig hingeführt, oder der Donner in die Asche gelegt, oder die Erde lebendig verschluckt, oder den wilden Thieren zum Raub worden, weil sie sich aber der Todten haben angenommen, so konnte sie kein zeitliches Unglück berühren. Nolite timere so fürchtet euch dann nicht, alle Liebhaber der armen Seelen im Fegfeuer, es kann euch so bald kein Unglück über den Hals kommen, die Todten helfen den Lebendigen.

Es wird geschrieben von einer armen Wittib zu Genua, wie daß selbe ihren gar ungerathenen Sohn von der Galee erledigen wollte, hierzu aber eine Summa von dreihundert Thaler erfordert wurde, so viel aber in ihrem ganzen Vermögen nicht zu finden, ist demnach von der Noth gezwungen worden, das Geld zu betteln, und bei wohlhabenden Leuten nach und nach zu suchen. Einsmals trifft sie einen Priester an mit einem sehr saubern Aufzug, von dem[434] sie gar demüthig eine Beisteuer gebeten, der aber gar mitleidend geantwortet, daß er selber Noth leide, und wisse nicht, wo er etwa heut das Mittagmahl werde einnehmen, dann er schon lange in der Kirche gewart, der Hoffnung, es möchte Jemand eine heil. Messe bestellen, sey aber all seine Hoffnung leer abgeloffen, und folgsam ihm nicht so viel rare Mittel, womit er sich könne erhalten. Die arme Haut erbarmt sich seiner, und gibt ihm ein Geld, dessen sie weit mehr bedürftig, er soll dafür eine heil. Messe lesen für die abgestorbenen Christgläubigen. (O Frau, viel Schwarz werfen im Würfeln bringt Glück.) »Nolite timere, Fürchtet euch nicht,« die Todten werden euch nicht verlassen, wie es auch geschehen. Nach vollendetem hl. Meßopfer sucht die fromme Matron einen andern Wohlthäter, und findet einen alten jedoch unbekannten Herrn, dem sie ihre ganze Noth geklagt, der sie dann alsobald getröst, und ihr einen Zettel geben, welchen sie zu diesem N. Kaufmann soll tragen, dem sie auch also nachkommen. Der Kaufmann aber konnte den Zettel nicht genug anschauen, konnte sich nicht genug verwundern, fragte die Frau, von wem sie diese Schrift habe? Ob sie ihn möchte kennen, wann er ihr denselben gemalt thäte zeigen? Warum nicht, sagte sie, ich habe seine Gestalt gar wohl gemerkt. Darauf führt er sie in einen großen Saal, worin beiderseits eine lange Reihe unterschiedlicher Bilder und Kontrafeten hiengen, sie schaut, sie sieht, sie zeigt mit den Fingern auf ein Bild und sagt, dieser sey es gewest, er sehe ihm ganz gleich und ähnlich, worauf der Kaufmann geseufzt, ach! sprach er, der ist mein Vater[435] gewest, und schon vor 10 Jahren mit Tod abgangen, und seine Handschrift erkenn ich gar wohl in diesem Zettel, ich will euch also gern das verlangte Geld eures Sohnes darschießen, dann also verlangt es mein seliger Vater. Die Frau und alle diejenigen, denen solches kundbar worden, erkannten gar leicht, daß dieses ein Dank der armen Seelen wegen der hl. Meß, die sie hat lesen lassen.

Die armen Seelen in dem Fegfeuer lassen niemals unvergolten die Gutthaten, so ihnen erwiesen werden, die Dankbarkeit ist bei ihnen weit besser und beständiger, als bei uns wankelmüthigen Adamskindern. Die lieben Schutzengel kommen mehrmals zu ihnen hinunter, und berichten ihnen ümständig, was und wer ihnen etwas Gutes thue. Ja sie nehmen solches auch meistens wahr bei Linderung und Minderung ihrer Pein daß jemand für sie bete und einige Hülfe leiste, worüber sie die Hände mit tausend Dank zusammen schlagen und versprechen, solche Wohlthat nimmermehr zu vergessen. Wann dann die Schutzengel ihnen offenbaren, es sey dieser, es sey diese, von denen solches heil. Meßopfer und andere guten Werke übermacht worden, sodann lassen sie nicht, immer und immer zu Gott zu rufen, und schreien um Wohlfahrt ihrer Gutthäter, ja durch Zulassung Gottes und sonderer Mitwirkung des Allerhöchsten seynd sie mehrmal sichtbarlich erschienen, und ihren Patron aus unterschiedlichen Gefahren errettet. O wie viel haben erfahren und erfahren es noch, daß sie sich nicht ehender aus einer Gefahr oder Unglück können wickeln, als wann sie den armen Seelen etwas schenken, oder wenigst versprechen zu schenken.[436]

Die allerdurchlauchtige und tugendsamste Kaiserin Maria, Ferdinands des Dritten wertheste Gemahlin, hat die armen Seelen im Fegfeuer meistens auf ihrer Seiten gehabt, und in allen Nöthen ihre Zuflucht zu denselben genommen, massen diese sowohl, als die Heiligen in dem Himmel in der göttlichen Gnade bestätiget, und folgsam auch fähig seynd für andere, nicht aber für sich selbst zu beten. Besagte allerdurchlauchtigste Frau war auf eine Zeit mit ihrem Herrn Gemahl, dem Kaiser, zu Regensburg, und befanden sich beide Majestäten dazumal mit Feinden umgeben, ja die große Kälte war zu ihrem gewünschten Vortheil, massen die Donau also überfroren, daß sie dem Feind zu einer Brücke gedient, wie dann solcher allbereits in dem Anmarsch begriffen, da solches die andächtigste Kaiserin wahrgenommen, hat sie alsobald ihre Zuflucht geschöpft zu den armen Seelen im Fegfeuer, ihnen tausend Seelenmessen verlobt etc. Siehe Wunder! in derselbigen Nacht (Zweifels ohne durch Hülfe und Fürbitt der armen Seelen) hat die Donau stark anfangen zu schmelzen, daß also der im ersten Anzug begriffene Feind hat müssen mit Schaden erfahren, daß all sein Vorhaben zu Wasser worden, massen deren über tausend ertrunken. Fürstenspiegel fol. 161. So bringt dann schwarze Farbe Glück, und helfen die Todten den Lebendigen.

Ein brüllender Löwe hat den Propheten von Juda auf dem Weg zerrissen durch sondere Verhängnuß Gottes, massen er in etwas ungehorsam war. Als solches einem andern Propheten, der sonst nicht gar zu heilig, kundbar worden, machte er sich alsobald[437] auf, reiste vom Bettel hinweg und findet den todten Leichnam des Propheten auf der Straße, neben ihm aber auch den Löwen stehen mit noch feurigen Augen und blutgierigem Rachen, uneracht alles dieses gehet er hin, nimmt den todten Leib mit sich und begräbt ihn ehrlich. Aber wie hat sich doch dieser getraut, sich in eine so große und augenscheinliche Gefahr zu begeben? Tostakus antwortet, der gute Mann habe sich gänzlich eingebildet, daß, wann er dem Todten eine Lieb werde erweisen, er kein Unglück zu fürchten habe, in libr. Reg. 13. So bringt dann schwarze Farbe Glück, und helfen die Todten den Lebendigen.

Anno 1650 hat ein vornehmer Buchdrucker zu Köln in seinem Haus bettlägerig und zwar in augenscheinlicher Todesgefahr seine liebe Ehefrau wie auch sein kleinster Sohn, wußte also nicht, wohin er sich in solcher Drangsal sollte hinwenden, begibt sich demnach in die Kirche, und fallen ihm die armen Seelen im Fegfeuer ein, verspricht derohalben, daß er den armen Seelen zum Nutzen und Trost ein Büchlein von dem Fegfeuer auf ein Neues wiederum wolle unter die Presse nehmen, und dessen hundert Exemplare für den kleinen kranken Sohn, zweihundert aber für seine kranke Frau umsonst unter die armen Geistlichen austheilen. Die Sache ist ihm also wohl angangen, daß gleich beide von freien Stucken seynd besser worden und in wenigen Tagen frisch und gesund.

Dergleichen Geschichten seynd nicht allein in vielen andern Büchern zu finden, sondern es gibt's die tägliche Erfahrenheit, was Hülfe einer zu hoffen habe von den armen Seelen im Fegfeuer, wann man ihnen[438] hilft. Probire es nur jemand, und lasse sich die abgestorbenen Christglaubigen befohlen seyn, so wird er handgreiflich spüren, daß mehr Segen im Haus, daß besser Glück in der Wirtschaft, daß sicherer Fortgang seines Gewerbes, daß kräftiger Widerstand seiner Feinde, daß weniger Unheil in dem Zeitlichen, daß weniger Anstoß in dem Amt, daß minder Drangsal in dem Leben, daß geringere Unruhe in dem Gewissen, daß schlechtere Furcht in dem Herzen. In Summa, er wird es merken, er wird es sehen, er wird es greifen, er wird es erfahren, daß, wer ein Patron ist der armen Seelen, daß für ihn auch Himmel und Erde patrozinire.


Requiescant ergo in Pace

So gebe ihnen dann Gott die ewige Ruhe.

AMEN.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 6, S. 370-439.
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