Ein dermal noch sichtbares Wahrzeichen des verruchten Iscarioths, als er den Heiland Jesum verrathen.

[424] Judas verrathet Jesum mit einem Kuß, o boshafter, sündhafter, neidhafter, schalkhafter Böswicht! dazumal bist du nit ungleich gewest dem Wintergrün, welches zwar einen Baum umarmet, und weil beinebens seine Blätter gestaltet sind wie das Herz, also zeigt es äußerlich, als habe es den Baum von Herzen lieb, ja aus lauter Lieb thue es denselben umfangen und halsen. Unterdessen aber nimmt es dem Baum allen Saft und Kraft, saugt ihm das Mark aus den[424] Beinen, ausdorret gänzlich seine Wurzel, und bringt ihn folgsam um sein Leben.

Judas verrathet Jesum mit einem Kuß, o gottloser, ehrenloser, heilloser, grundloser, zahmloser Mörder! Dazumal bist du nit ungleich gewest einem Schwan, der zwar von außen mit schneeweißen Federn und engelreiner Blummaschi daher prangt, inwendig aber ein so schwarzes Fleisch an sich hat, als wäre er von der Natur des Teufels seiner Mutter zu einem Braten gewidmet.

Judas verrathet Jesum mit einem Kuß, o verlogner, betrogner, unerzogner, übelgewogner Dieb und Schalk! dazumal bist du nit ungleich gewest einem Fischer-Angel, welcher von außen denen unbehutsamen Fischlein, diesen armen schuppigen Tropfen, weiß nit was vor gute Bißlein vorlegt, unterdessen aber steckt inwendig ein tödtlicher Spieß und Spüß, welcher den armen Fischen den Rest gibt, und zum Tod ziehet.

Judas verrathet Jesum mit einem Kuß. O beseßner, vermeßner, ehrvergeßner Mensch, oder besser geredt, Unmensch! Dieses verrätherische Stückel des Iscarioths hat dem Herzen des Heilands mehr Schmerzen verursachet, als alle Schmach und Unbild, so er von dem gesamten Volk erlitten. Gestaltermassen von einem Lämmlein erzählt wird, daß, wie solches von seinem eignen Halterhund gebissen worden, es sich dessen mit Schreien wehmüthig beklagt habe, da es aber von dem Wolf ergriffen war, that es dazumal gar kein Maul auf, sondern gab denen, so die Ursach zu wissen begehrten, diese Antwort: Die Schmach und Beleidigung von einem Freund kommt weit schmerzlicher[425] vor, als von einem Feind. Also hat Julius Cäsar in dem wider ihn entstandenen mörderischen Aufruhr 20 Wunden, die er von den Feinden bekommen, nit so sehr beklagt, als die einigen, so ihm sein vorhin werthester Freund angethan, benanntlich Marcus Brutus, den er an Statt eines Kindes und Sohnes erzogen.

Ach du verräterischer Schelm, du undankbarer Jünger, du unglückseliger Apostel, du meineidiger Judas, ist das der Dank dir Gott, daß dich der Herr Jesus in sein so heiliges Kollegium aufgenommen? dich wie seinen Sohn gehalten? dir mehr als andern anvertraut? Es wäre kein Wunder, alle Geschöpf wären dessenthalben in Harnisch gerathen, und diese grausame Unthat, so du an dem Erschöpfer aller Ding begangen, augenblicklich hätten gerechnet. Aufs wenigst hat solches der Erdboden wollen auf ewig protokolliren, und der ganzen nachkündigen Welt unter die Augen stellen, massen nach Zeugnuß Cyrilli Hierosolymitani, ungeacht die ganze Stadt verheert, und kein Stein aus dem andern geblieben, noch auf den heutigen Tag, Stund und Augenblick die eingedruckten Fußstapfen des Judä in einem Stein daselbst zu sehen, allwo er den Heiland Jesum mit einem Kuß verrathen. Porro Gethesemani amisit hortum, et tamen non amisit vestigia Judae, illa hodie quasi recentia proponens.

Auf, auf, mein eiferiger Christ, ich weiß gar wohl, daß dich immerzu ein frommer Vorwitz kitzlet, neue und seltsame Ding zu scheu; wohlan, ich will dir mehr dergleichen wunderliche Fußpfaden, als erst[426] gedacht worden, hin und her in der Welt zeigen, laß dich Zeit und Weil derenthalben nit reuen, du wirst noch allemal eine kleine Lektion darbei zu finden haben.

Wie der hartnäckige König Pharao samt seiner egyptischen Armee mit unzählbaren Rossen und Wagen das israelitische Volk durch das rothe Meer verfolgt, und folgsam durch göttliche Straf mit allen den Seinigen zu Grund gangen, die Leiber ins Wasser, die Seelen aber ins ewige Feuer gestürzt, sieht man dermalen augenscheinlich und handgreiflich, massen alle Wagen-Leist und Fußpfade der Pferd, so sie dazuzeit in den weichen Sand eingedruckt, noch auf diesen Tag also frisch und unversehrt abzunehmen, als hätte sich solche Geschicht erst heut begeben; auch wann erstgedachte Pfaden und Zeichen von der Ungestüm der tobenden Wellen oder von den stürmenden Winden werden verhüllt und verdeckt, so wird man doch gleich wieder sehen, daß durch sondere göttliche Vorsichtigkeit alles wie zuvor sey, und solche Geschicht die Erde auf ewig nit wolle verschweigen noch vertuschen.

Mein Religios und Ordensperson ziehe die Kappen in etwas zurück, und beschaue sein wohl und bedachtsam der Egyptier hinterlassene Fußpfade, als noch sichtbare Zeichen ihres ewigen Verderbens, und gedenke beinebens, daß derentwegen der Pharao von der göttlichen Gerechtigkeit als auf ewig ist gezüchtiget worden, weil er dem Allmächtigen viel versprochen, aber allezeit wenig, ja gar nichts gehalten, gestalten er mehrmalen dem Mosi und Aaron ernstlich verheißen, er wolle sie frei lassen passiren, ihrem Gott zu[427] dienen, aber solchem Versprechen ist er niemalen nachkommen. Wehe also! wehe! und immer wehe einer Ordensperson, welche durch einen theuren und harten Eidschwur in seiner Profession Gott dem Herrn viel verspricht, nachmals aber sein Gelübd so wenig in Obacht nimmt. Des heil. und großen Patriarchen Dominici Hündlein ziehet dich lauen und eiferlosen Religiosen bei der Kutte und Habit, und gib Acht, daß es dich nit in Fuß zwickt, aufs welligst versetzt er deinem Gewissen ein gutes, wie folgt.

Benannter heil. marianischer Erzvater Dominicus hat auf eine Zeit in einem besessenen Albigenser den bösen Feind beschworen, er solle bezwungner und gedrungner Weise bekennen, was Stands-Personen er die mehresten in der Höll habe? Worauf diese verdammten Larven folgende Antwort gegeben: »Große Herren, sowohl Geistliche als Weltliche, haben wir in ziemlicher Anzahl, Bauren nit gar zu viel, Kaufleute und Burger in großer Menge, Priester nit wenig, Ordenspersonen gar keine, aber deren, so ihre Ordens-Regeln und Satzungen nit halten, erschrecklich viel.«

Mir stehen die Haar gen Berg, wann ich lese, daß in der Marca ein Religios nach dem Tod ganz feurig erschienen, und zugleich wehmüthigst bekannt, daß er ewig verdammt sey, um weil er 5 Betten oder Rosen-Kränz ohne Erlaubniß seiner Obrigkeit verborgen.

Ich zittere an Händ und Füßen, wann ich höre, was da erzählet, daß ein Religios wegen öfterm Ungehorsam gegen seine Obrigkeit, sey eines gähen und[428] erschrecklichen Tods gestorben, dergestalten, daß er am ganzen Leib wie eine verbrannte Kohle erschwarzt, die Augen aus dem Gesicht ausgegraben, die Zung bis auf die Brust herabgehangen, und in allem eine verdammte Gestalt an sich gehabt.

Mir rinnet der kalte Schweiß über das Angesicht, wann ich gedenke, was da bei nächtlicher Weil in einem Kloster ein heiligmäßiger Mann gesehen hat, er sah nemlich das ganze Refectorium oder Tafel-Stuben voller Geistlichen sitzen, worauf die Obrigkeit daselbst mit der Hand auf den Tisch geschlafen, daß die feurigen Funken in die Höhe geflogen, und anbei diese Wort hören lassen: »ambitio et crapula duxerunt nos ad tartara, die Ehrsucht und das Saufen haben uns gebracht zu der Verdammten Haufen.« A Dio Pater Reverende, diese Lektion gehört vor Euer Ehrwürden, ein anders her.

Wie der Ehr- und Nährvater Joseph mit dem noch kleinen göttlichen Kind wegen der wüthenden Tyraanei des Herodis nach Egypten geflohen, und nächst dem Fluß Nilo die übergebenedeite Mutter den zartesten Jesulum aus einen harten Marmorstein gesetzt, damit sein nasses Kleid daselbst getrucknet würde, da hat das guldene Kind die Figur des zarten Leibes dergestalten in den harten Stein gedruckt, als wäre er zu einem linden Wachs worden, welches annoch auf heutigen Tag zu sehen.

Ihr Gnaden verzeihen mirs, daß ich auf den langen Schweif Ihrer Kleider getreten, es ist wohl nit gern geschehen, es geschieht, daß einer unbedachtsam umschauet, und folgsam einen solchen seidenen[429] Comet offendiret. Aber um Gottes Willen, zu was dienet ein solcher Ueberfluß der Kleider? Ein sündiger Erdwurm soll sich also kostbar mit so vielem Taffet und Sammet überhüllen, und der Heiland Jesus selbst hatte nur ein schlechtes und einiges Kleidel, welches er noch an seinem zartesten Leiblein mußte trucknen lassen, um weil es vom Regen und Ungewitter naß worden; du aber (holla, hab mich geirret), Ihr Gnaden aber wechslen mit den Kleidern um, und tragen fast alle Tag ein anders. Unterdessen hat in mancher Kirche und armen Gottshaus der Herr Jesus nur ein Kleid, und dieses noch schlecht und zerrissen, daß also dein ⊙ Erdschrollen-Mistgewand weit kostbarer ist, als das Meßgewand.

Wie Aaron in Abwesenheit des Moses das Kalb gegossen, da spendirte jedermann Gold genug zu dieser kälbernen Gottheit, die Behäng von den Ohren, die Ring von den Fingern, löseten ab ganz geschwind und urbietig alle Frauenzimmer. In Summa, es war kein Mangel noch Abgang des Golds zu diesem Götzenbild. Aber wie man mußte die Schlang gießen, so nachmals Moses in der Wüste erhöhen lassen, und war diese ein Entwurf und Vorbild des an das hohe Kreuz genagelten Jesu Christi, da wurde nur ein gemeines Metall dazu genommen, es thut ihms wohl, hats geheißen. Zum Götzenbild Gold genug, aber zu der Figur Christi ist das gemeine Erz und Glockenspeis schon gut.

Man siehet in vielen großen Häusern, Schlossern und Pallästen fast keine bloße Wand, alles ist mit Sammet und Seiden bedeckt, sogar das Bett[430] dieser Mistwinkel ist mit Gold und Silber reichlich gestickt. Dem Hund sogar wird ein sammeter Polster vor ein Kindbett vergönnet, auch was das Maul für Unflath ausführt, muß von einem silbernen Geschirr aufgefangen werden, der Leib hat mehrer Kleider, als eine Zwiefel Häut an sich, und solche meistens theurer und kostbarer. Mit einem Wort, zu dieser Ueppigkeit ist Gold und Silber satt beihanden. Aber tritt in manche Kirche hinein, da wirst du finden, daß über 2 Meßkleider nit zu sehen, und noch weit schlechter, als manche Roß-Scabraque, da wirst du wahrnehmen, daß der Altar mit einer so schlechten und groben Leinwand überzogen, daß auch die Säck in einer Mühl besser versehen, da sich unterdessen der garstige Madensack mit niederländischer Leinwand verhüllt und zudeckt; da wirst du antreffen, daß der wahre Gott und Heiland im Tabernackel und Ciborio mit einem zeugenen Röcklein manchesmal muß vorlieb nehmen, da hingegen dieser oder jener Schmier-Kübel den Taffet durch das Koth ziehet.

Die jüdischen Scherganten und das hebräische Raupengesind hat Christo dem Herrn die Augen verbunden mit einem alten, wilden und schändlichen Hadern, den sie vermuthlich von der nächsten besten Abspielerin zu leihen genommen. O ihr verruchten Lottersknecht und unverschamten Böswicht, sollt ihr dann nichts anderes haben vor den Erschöpfer aller Ding, als nur einen Lumpen und Fetzen? Willkomm Madama! ihr rauschet zu der Kirchthür hinein, wie der Wind Boreas durch einen Eichenwald, ihr pranget in den Stuhl hinein, als wollt ihr denselben ganz und[431] gar zu einem Seidengewölb machen, ihr breitet Röck und Kleider aus, wir der Pfau seinen stolzen Schweif, es schimmert an euch, um euch, vor euch, hinter euch, neben euch fast nichts als lauter rechtes und gerechtes Gold, will nit sagen Leonisch, noch weniger Lenonisch etc. Und sollt ihr beinebens zulassen, daß die Kirche, und in der Kirche der Altar, und auf dem Altar euer Gott und Heiland mit ganz schlechten Kleidern versehen seyn? das nit, das könnt ihr über euer Herz nit nehmen, euer Gemüth ist gar zu adelich, ich siehe es euch schon im Gesicht an, sobald ihr werdet nach Haus kommen, so muß ein Kleid, und zwar nit das schlechteste, in die Kirche wandern, viel Glück auf die Reis, Gott wird es vergelten.

Das hat erfahren Henricus II., römischer Kaiser, welcher 3 ganzer Tag in einer höllischen Krankheit von denen bösen Feinden mit tödtlichen Feuer-Funken also angeworfen worden, daß, wofern nit ein halbgebratner Jüngling mit einem groß guldenen Kelch voll mit Wasser erschienen, und besagte Funken gelöscht hätte, der bedrängte Kaiser wäre elend zu Grund gangen. Dieser halbgebratene Jüngling war der heil. Laurentius, dem der Kaiser Henrich seine Kirche renovirt, und einen güldenen Kelch darein geschenkt, so viel nutzt es, der Kirche und Gottes-Hausern etwas Gutes zu thun.

Nit gar vor vielen Jahren war eine Jungfrau, mittelmäßigen Standes, tödtlich krank, und als männiglich ihr wegen äußerster Gefahr die letzte Oelung eingerathen, gab sie zur Antwort, daß sie dießmals auf keine Weise sterben werde, massen ihr solches[432] vergangene Nacht haben geoffenbart etliche Heilige, deren Bildern sie in den Kirchen etliche Kleider gemacht, oder dieselben verbessert.

O, sagt mancher Schnarcher mit dem Iscarioth, poterat unguentum istud vendi, et dari pauperibus. Wie Magdalena den Herrn Jesum mit so kostbaren Salben bedienet hat, also könnte dieses Lamm Gottes vor dem brummeten Bärn Juda nit unangetastet bleiben, sondern es rumpfte hierüber der Erzschalk die Nase, mit dem geistreichen (scilicet) Vorwand, daß weit rathsamer gewest wäre, so man die Salbe hätte zu Geld gemacht, und nachmals selbiges unter die armen Leute ausgetheilet, vor was dienen solche unnothwendige Spese etc. Auch du, du auch, dieser nit weniger, der andere deßgleichen, manche auf solche Weis', viel nit anderst, murren und schmähen wider die großen Unkosten, so man an die Kirchen und Gotteshäuser anwendet, vor wen, sprechen sie, muß alles so kostbar seyn? zu was dienet so häufiges Gold in dem Tempel? man könnte damit wohl ganze Spitäler erhalten. Wann solche Lappen würden sehen eine Lampe, die zu Capovacana, in dem Königreich Peru, zu Ehren der Mutter Gottes verfertiget worden, so würden sie gar die Mäuler zerreißen. Gedachte Lampe hat an dem Gewicht sechs tausend Pfund Silber, dem Goldschmied vor seine Arbeit seynd dreißig tausend Duplonen bezahlt worden; dieses Werk hat drei hundert und fünf und sechzig ausgestreckte Arme für die Lichter, solche Lampe ist dergestalten groß, daß unter ihrem Umkreis der Bischof mit allen Ministern und Altarsbedienten das Hochamt[433] halten kann etc. Nonne poterat lampas ista vendi et dari pauperibus? Mox, Ochs! So höre ich wohl, soll vor unsern Herrn, vor unsern Gott, vor unsern Erlöser, vor unsern Ernährer, vor unsern Erschöpfer, vor unser höchstes Gut, schon gut genug seyn, ein schlechtes Gewölb zu einer Wohnung, ein schlechter hölzerner Verschlag zu seinem Thron, ein schlechter Kronrasch zu seinem Kleid? O verruchte Judas-Art! So arm als Maria die übergebenedeite Jungfrau gewest ist zu Bethlehem, hat sie das göttliche Kind nit in wilde und unsaubere Lumpen und Fetzen eingewickelt, sondern nach Aussag des seraphischen Heiligen Bonaventurä vit. Christ. c. 8. den saubern und reinen Schleier vom Kopf herunter gezogen, und damit das göttliche Kind eingefäscht. Deßgleichen ist auch sattsam bekannt aus dem Evangelio Matth. 27, daß der heiligste Leichnam Jesu, nit etwann mit einem alten Leilach oder groben Grastuch eingewickelt worden, sondern mit einer schönen, schneeweißen und zarten Leinwand, welche hierzu ihr Gnaden ein vornehmer Edelmann von Arimathäa, Namens Joseph, freiwillig gespendirt hat.

Ist doch, spiegle sich ein jeder Schnarchantius, ist doch im alten Testament die Arche des Bundes mit gut und seinen Gold-Platten überzogen gewest, da doch nichts anders darinnen aufbehalten worden, als das Manna neben andern 2 Stücken, warum soll dann schlechter und geringer seyn ein Altar und Tabernackel, allwo das wahre göttliche Brod der Heiland Jesus selbsten zu finden ist? Seynd doch in dem prächtigen Tempel Salomonis dreißig tausend Kleider,[434] und alle von kostbaren Goldstücken zu sehen gewest, da doch zur selben Zeit die Priester fast nichts als Metzger und Fleischhacker abgeben; warum soll dermalen die gottgeweihte Priesterschaft, welche mit dem wahren Fleisch und Blut des Lamms Gottes umgehet, mit geringen Hadern und Lumpen-Kleidern vorlieb nehmen? Auch so dieß der zahnlose Schnarcher nur dem alten Testament beimesset, und mir mit dem Gegenwurf begegnet, daß Christus der Herr in dem neuen Testament eine freiwillige Armuth in allem habe eingestellt, so frag ich ihn, wo dann der gebenedeite Heiland das allerheiligste Abendmahl, das höchste Altargeheimnuß ein- und angestellt? Wo? etwann in einer alten Rauchstube, oder alten zusammen geschlagenen hölzernen Hütten? das nit, das gar nit, sondern auf einem stattlichen ansehnlichen und mit kostbaren Tapezereien ausgezierten Saal eines sehr reichen und adelichen Herrn, Coenaculum grande stratum etc. Matth. 15., auch die Schüssel, worin das Osterlamm gelegen, war von dem besten und kostbaren Smaragd, so annoch auf heutigen Tag zu Genua gezeigt wird, woraus sattsam abzunehmen, daß alle Zierde und Sauberkeit in den Kirchen und Gotteshäusern nit allein auf keine Weise zu beschnarchen sey, sondern vielmehr höchstrühmlich und nothwendig. Nota bene et benefac Ecclesiis, auf diese Lektion folget eine andere.

Wie der Herr und Heiland seinen Einzug gehalten in die vornehme Stadt Jerusalem, allwo das Volk mit so großem Freudenschall ihn empfangen, hat er hiezu nit stolze Pferd oder Klepper, nit große ungeheure[435] Elephanten, noch hohe und hochtrabende Kameele nach Art der alten röm. Kaiser erwählt, sondern hat sich begnügen lassen der demüthigste Herr mit einem Esel, und wie er auf solches sonsten verworfenes Thier gestiegen, hat er in dem harten Stein, wovon er aufgesessen, beede Fußpfade also eingedruckt, daß selbige noch auf heutigen Tag zu sehen.

Hoch- und wohlgeborner, hochansehnlicher, hochgelehrter Herr, verachte doch niemalen einen armen Menschen, so schlecht, so gering, so unverständig, so einfältig er immer ist, dann gleichwie Gott der Herr dem Esel, diesem so verachteten Vieh, eine so große Ehr angethan, also pflegt er nit selten in gemeinen und einfältigen Tropfen große Gnaden zu verbergen, ja er zeigt mehrmalen sein göttliches Wohlgefallen an dergleichen verächtlichen Standspersonen.

Die schöne Rachel, nachdem sie dem Laban seine von Gold gegossenen Götzenbilder in aller Still entfremdet, hats nachmals selbige unter das Stroh, worauf sie gesessen, verborgen; Laban, der ihr auf dem Fuß nachgeeilet, hat alles durchsucht, allein das Stroh nit, glaubte etwann, daß unter dem Stroh, als einer so geringen Sach, nichts hauptsächliches könnte verborgen seyn.

Es scheinet gar oft ein armer gemeiner Mensch, als wäre er ein lauterer Idiot, ja, ein ganzer Strohkopf; aber hüte dich Hochverständiger, daß du solchen nit verachtest, wer weiß, ob nit Gold, ja, eine guldene Unschuld, und folgsam eine große göttliche Gnade in ihm verborgen. Gott hat weit eine größere Freud und Wohlgefallen an dergleichen einfältigen und[436] unschuldigen Leuten, als an vornehmen Herren, großen Statisten und hochwitzigen Köpfen.

Wie Bethelhem nit Bethelheim worden, sondern Reichenheim, damalen, als der wahre Heiland daselbst aus der unversehrten Jungfrau geboren, wie der Mensch als ein armer Tropf von einem andern armen Krüppel ist wieder aufgeholfen worden, damals, als Gottes Sohn in der Menschheit erschienen, und in die arme Krippe gelegt worden, wie im Dezember unter dem Kaiser Augusto das Majus sit Minus worden, und der größte Monarch des Himmels und der Erde ist als ein kleines Kind erschienen; dazumal ist diese allgemeine Welt, Freud und Jubel nit zum ersten denen gekrönten Häuptern, großen Landsfürsten, hohen Potentaten, vornehmen Edelleuten durch die Engel angedeutet worden, sondern gemeinen, schlechten und armen Hirten auf dem Feld, diese, diese haben das Gloria in Excelsis singen hören, da unterdessen die vornehmen Herren das Requiem in ihrem Federbett intonirten. Woraus dann gar leicht, ja ganz sonnenklar abzunehmen, daß bei Gott dem Herrn in weit größerm Werth und Preis sey eine fromme Einfalt, eine einfältige Frömmigkeit, eine arme Unschuld, eine unschuldige Armuth, als große salomonische, catonische, maronische, ciceronische, zenonische und platonische Köpf, oder andere vornehme Häupter.

Bononia zählt viel Doktores, Salamantica hat viel Doktores, Padua nährt viel Doktores, Conimbria zeigt viel Doktores, Lugdun stellt viel Doktores; bin aber versichert, wann alle diese und noch andere mehr Anno 30 nach Christi Geburt wären bei Leben[437] gewest, so hätte doch unser lieber Herr keinen aus ihnen zum Apostelamt promovirt, sondern er hat die ganze Welt wollen lehren durch gemeine, einfältige, schlechte, arme, zerrissene, bäurische, grobe und ungelehrte Fischer, ut piscatores, sequentibus spiritibus confunderent oratores etc. Was Wunder und Wunderthaten hat nit der allmächtige Gott schon gewirkt durch gemeine, einfältige, und bei der Welt verachtete Menschen! die vornehmsten und berühmtesten Wallfahrten in der ganzen Welt haben meistens ihren Anfang genommen von gemeinen einfältigen Leuten.

Daroca, eine berühmte Wallfahrt in Spanien, durch einen armen und schwarzen Kohlenbrenner.

Mons Leonis oder der Löwenberg in Frankreich, ein sehr bekannter Gnadenort, durch ein armes Mädchen.

Dremedal in Spanien, eine herrliche Kirchfahrt, durch einen armen Sauhirten.

Das berühmte Mirakulbild zu Madrid, so insgemein das Konstantinopelbild genennet wird, durch einen Eseltreiber.

Das vornehme Gnadenbild zu Andaser in Spanien durch einen ganz einfältigen Schafhirten.

Das wunderthätige Bild zu Paderborn, mit dem gemeinen Namen, das Romanische, durch einen armen Fuhrmann.

Conimbrica in Lusitanien, eine viel und weitberühmte Kirchfahrt, durch eine arme stumme Bauern-Tochter.

Cos, gleichfalls ein vornehmer Gnadenort in[438] Lusitania, durch ein armes altes Weib, da solches in dem Wald Holz zusammen geklaubt.

Krupna im Königreich Böhmen, ein vornehmes Gnadenbild, durch eine Bauern-Dirn.

Viel hundert andere weltbekannte Wunder und Gnadentempel, die hierbei Kürze halber umgangen werden, haben ihren Ursprung und Anfang genommen von gemeinen, einfältigen und armen Leuten, denen Gott, oder seine gebenedeite Mutter, oder die lieben Engel erschienen, und alles umständig geoffenbaret, wie dann von dergleichen Geschichten ganze Bücher angefüllt zu sehen seyn. Aus dem schließlich abzunehmen, daß der Himmel eine weit größere Gemeinschaft habe mit der lieben Einfalt, so doch von der Welt verhöhnet, als mit dem hochverständigen Nasenwitz oder prächtigen Weltschein, welcher gleichwohl von den meisten zum werthesten gehalten wird. Dahero Niemand, obschon mit armen und schmutzigen Kleidern, bettlerischem Aufzug, zu verachten ist; wer weiß es, ob nit unter diesem rupfenen Küttel ein seidenes Gewissen, und manchesmal unter einem sammeten Rock ein zwilchenes Gewissen stecken thut. Vorwahr zu Joppen hat Gott dem heil. Petro wunderbarliche Dinge geoffenbaret. Act. 9. Also seynd mehrmalen unter einer armen Bettler- oder Bauren-Joppen große und himmlische Dinge verhüllet. Wer hätte ihm eingebildet, daß aus einem dürren Eselskinnbacken der Samson ein klares Brunnquell finden sollt? Also wissen wir auch nit, ob nit Gott mit diesem oder jenem einfältigen Tropfen, den man vor einen Eselskopf haltet, noch große Wunderding wirken werde, massen er schau einen[439] gewöhnlichen Brauch hat, aus schlechten Sachen das Vornehmste zu machen, stulta eligit, ut confundat fortia das Lied ist nur vor den gemacht, so da die liebe Einfalt veracht. Adesso ein anders.

Nachdem das hebräische Lottersgesind und die zusammen gerottete Henkersknecht den Heiland Jesum in dem Garten gefangen, und wie es der seligen Veronicä geoffenbaret worden, das göttliche Lamm mit größter Ungestüm auf die Erde niedergeworfen, das allerheiligste Angesicht mit harten Backenstreichen entunehret, eine große eiserne Kette an den Hals gelegt, und solchergestalten ihn mit allem erdenklichen Muthwillen dahin geschleppt, bis zu dem Bach Cedron, woselbst sie ihn mit großer Gewalt von dem Steg ins Wasser gestürzt, und also unmenschlich auf Händ und Füßen hindurch gezogen; dazumalen hat der Heiland Jesus die Zeichen seiner Füß, Knie, Händ, und des Stricks, womit er gebunden, in die harten Stein, als in weiches Wachs, eingedruckt, welches annoch auf heutigen Tag zu sehen.

Hierzu, hierzu, ihr sündigen Adamskinder, und klaubt einen oder den andern Stein auf von diesem Bach Cedron, versichere euch, ihr werdet damit so gut, als mit seinem Kieselstein der David den Goliath, eine öfters große Ungeduld zu Boden werfen.

Wie der heil. Stephanus, dieser Erzmartyrer, ist versteiniget worden, dazumalen sind ihm die harten Steine ganz zuckersüß vorkommen, lapides torrentis illi dulces fuerunt; die Ursach dessen geben etliche fromme Contemplanten, und sprechen, daß unter diesen Steinen einige gewest seyen von dem Bach[440] Cedron, worauf die Vestigia und Fußstapfen Christi des Herrn eingedruckt zu sehen waren, und derentwegen seynd dem heil. Stephano solche Steine nit hart vorkommen. Also meine lieben Adamskinder, laßt euch nit hart gedunken alle Drangsal und Trübsal, laßt euch nit hart ankommen alles Kreuz und Leiden; sehet Ihr doch in allem, was ihr vor widerwärtig haltet, die Fußstapfen Christi; es ist keine Pein noch Schmerzen, wodurch euer Heiland Jesus nit gangen, ihr seyd ja nit besser als Er, nit heiliger als Er, nit unschuldiger als Er, warum dann so heiklich? warum sollt und wollt ihr dann nit auch mit ihm leiden?

Christus der Herr kommt nach Bethania, allwo Lazarus, ein guter von Adel, mit Tod abgangen, auch schon begraben, findet daselbsten zwei Schwestern des Verstorbenen, welche aus Weiberart beweinten und trauerten den Tod ihres liebsten Bruders, wodurch der Heiland also bewegt worden, daß er gleich beschlossen, denselben wieder zum Leben zu bringen, befiehlt demnach, man soll ganz schleunig und ohne Verzug den großen Grabstein hinweg walzen. O, mein Herr, sagt Martha, mein liebster Herr, jam foetet, er schmeckt schon, er stinkt schon, dann er war bereits vier Tag schon todt. Ei laß mir das eine heikliche Weibernase seyn! Martha, Martha, wie ungereimt seynd diese deine Reden? ich hätte in der Wahrheit eine größere Höflichkeit bei dir gesucht, massen du eine von Adel; was sagst du? jam foetet, er stinke schon, und wann schon, kanns der Herr, der Heiland, der wahre Messias, schmecken, warum du nit? pfui, sollst[441] du denn besser und heiliger seyn als Er, als Er? O wie unbesonnen!

Christus Jesus hat gelitten, merks Mensch! der Herr und Heiland hat gelitten, betrachts Mensch! Gottes Sohn hat gelitten, gedenks Mensch! Er hat gelitten, mehr als ich reden kann; er hat gelitten, mehr als ich zählen kann; er hat gelitten, mehr als ich erdenken kann; Job hat gelitten, er noch mehr; David hat gelitten, er noch mehr; Gedeon hat gelitten, er noch mehr; Joseph hat gelitten, er noch mehr; Samson hat gelitten, er noch mehr; Abner hat gelitten, er noch mehr; Hieremias hat gelitten, er noch mehr; Micheas hat gelitten, er noch mehr; der Abel hat gelitten, er noch mehr; die Machabäer haben gelitten, er noch mehr; so viel Millionen der Martyrer im neuen Testament haben gelitten, er aber noch mehr; und du sollst und wollst so zart, so heiklich, so empfindlich seyn, und nichts leiden? du schlechter Erdschroll, du elender Erdwurm, du sündiger Tropf, nichts leiden? o wie ungereimt! Er, Gott, alles leiden, und du Koth nichts leiden?

Der arme, nackende, kranke, hungerige, durstige und elende Bettler Lazarus hat vor der Thür des reichen Prassers nur derenthalben so viel gelitten, spricht der h. Chrysostomus, conc. 1. de Laz., weilen er keinen andern seines Gleichen armen Tropfen auf der Seite gesehen, dann gemeiniglich einem das Elend geringer gedunket, wann er einen andern seines Gleichen wahrnimmt. Wie soll dann dir Mensch dein Kreuz so schwer vorkommen, indem du doch stehest, daß dein Jesus ein weit schwerers getragen, warum sollst du dich der[442] Schmach und Unbild beklagen, da doch dein Heiland viel mehr ausgestanden, ja gar unter die Mörder und Rauber gezählet worden, wessenthalben soll dir deine Noth und Armuth so schmerzlich fallen, indem du doch weißt, daß dein Erlöser gar nackend und bloß an das Kreuz gehestet? Wie der h. König Ludwig durch sondere göttliche Verhängnuß in Türkei gefangen, und in Band und Eisen geworfen worden, auch derenthalben sehr traurig und bestürzt war, hat ihm solches ein Heid und unglaubiger Mahomedaner vorgerupft, sprechend, er befremde sich nit ein wenig, daß er, König Ludwig, einen elenden und an das Kreuz genagelten Gott anbete, und er aber seiner Ketten und Bande sich beschwere. In vita.

Durstig war das Volk Israel in der Wüste, und verlangten sie inständig, daß ihre Hoffnung möchte in einen Brunnen fallen, und wie sie endlich ein Wasser angetroffen, so war selbiges ganz bitter, fast wie eine Gall, worüber dann auch sie erbittert worden, und nit wenig Schmachwort über den Moses ausgossen, welcher dann, sein Volk zu begütigen, aus Eingebung Gottes ein Holz genommen, dasselbige in erstgedachtes bittere Wasser geworfen, und damit alle Bitterkeit vertrieben und abgewendet. Exod. 15.

Bitter, bitter kommt dich an dein elender und betrübter Stand, mein Mensch, bitter, bitter, daß du keine gesunde Stund hast, und mit deinem Leib mußt umgehen, wie die Apostel mit ihrem Fischernetz, so sie flicken. Bitter, bitter, daß du in Armuth und Noth steckest bis über die Ohren, und gleichwohl hörest schreien die Schuldforderer vor der Thür, und[443] du weit ärmer als eine Schnecke, der doch mit seinem eigenen Haus versehen ist. Bitter, bitter kommts dich an, wann du aller Seiten verfolgt wirst, und du bei jedermann so angenehm wie die fünf thörichten Jungfrauen mit leeren Amplen, denen man die Himmels-Thür vor der Nase zugeschlagen. Bitter, bitter gedunkt dich alle Drangsal und Trübsal, aber folg meinem Rath und des Moses seiner That; ergreif ein Holz, und zwar dasjenige, an welches dein Heiland Jesus mit eisernen Nägeln angeheftet worden, nachmals wirst du erfahren, daß dieses Holz alle deine Bitterkeit versüßen wird. Zu wünschen wär es, daß du einem Fisch gleichen thätest, und zwar einem Hechten, welcher in den Kröten seines Kopfs alle Instrumente des Leidens Christi trägt. Zu wünschen wäre es, daß du öfters das bittere Leiden deines Heilands betrachten und erwägen thätest, wodurch gar wohl deine Ungeduld sinken würde, und du alle Trübsal bewillkommnest nit mit dem Auvve, sondern mit dem Ave. Diese Lektion ist schon einen Kreuzer werth, weil sie vom Kreuz gehandelt. Jetzt kommt eine andere Speis.

Daß unser gebenedeiter Herr und Heiland Jesus dazumal häufiges Blut geschwitzt, wie er kurz vor seinem Leiden das Gebet zu seinem himmlischen Vater verrichtet, und die schweren Todsängsten ausgestanden, ist bei einem jeden Rechtgläubigen außer allem Zweifel, allein ist wohl in Obacht zu nehmen, und reif zu erwägen, wo er und an was Ort er solches Gebet verrichte? Joannes Soares, samt andern, welche das heil. Land besuche haben, sagen aus und[444] bekennen, daß unser lieber Herr zu unterst des Oelbergs in einer hohlen Steinklippe, allwo nachmals von den frommen Christen eine Kirche erbauet worden, habe gebetet, und Blut geschwitzt, und seynd noch auf den heutigen Tag der Stein, worauf er gekniet, in besagter Kirche auch die Zeichen seiner heiligsten Knie, die er darein, als in ein weiches Wachs gedruckt, zu sehen.

Dieser Stein lernet dich recht beten, mein Christ, dann allem Ansehen nach kannst du nit recht, wie es soll seyn, dein Gebet verrichten, wann du das erstemal nit gleich nach deinem Verlangen erhöret wirst, so glaubst du schon, als sey dir der Allmächtige ungnädig, der Himmel gebe dir einen Korb, deine Supplikation erhält keinen Beschied, und Gott verweigere deine Bitt. O Hasenherz und verzagtes Gemüth! er stellet sich oft, als höre er uns nit, damit wir nur desto besser und inständiger anhalten und schreien, und wann er etlichmal dein obschon ganz eiferiges und inbrünstiges Gebet nit erhöret, so lasse dannoch nit nach zu bitten, gib ihm keine Ruhe, höre nit auf, sey importun, laß dich nit abschrecken, nur immer fort, sey geistlich grob, klopf so lang und so viel, bis er dir aufthut, er wird endlich gleichsam gezwungen, deine Bitt zu gewähren. Christus Jesus hat auf obgedachtem Stein und harten Felsen das Gebet zu seinem himmlischen Vater verrichtet, und zwar drei unterschiedlichmal nach einander, gleichwohl erst das letztemal von dem Engel gestärkt, und von seinem himmlischen Vater getröst worden. Auf einen Streich fällt kein Eichbaum, Esto in precibus importunus,[445] si dissimulat audire, quem rogas, esto raptor, ut regnum coelorum accipias, esto violentus, ut vim infernes coelis.

Wie der Herr und Heiland kommen ist in die Gegend Tyri und Sidonis, da ist ihm aus denselben Grenzen ein cananäisch Weib zugeloffen, welche mit heller und lauter Stimm aufgeschrien: »Herr, du Sohn David, erbarme dich meiner, meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt.« Matth. 15. Was sagt Christus zu diesem Anbringen, zu dieser so eiferigen Bitt? etwann ja, ja; hat sich wohl, nit ein Wort, da hast du's, mein Weiblein, er stellt sich, als hätte er keine Ohren, gehe lieber nach Haus, mein Weiblein, schau zu der Küche; die Audienz bei diesem großen Herrn ist dir schlecht von statten gangen, was schadt es, gedacht sie, auf einen Streich fällt kein Baum, aus einen Anlauf übergehet keine Festung, auf einen Blaser erweckt man kein Feuer, macht demnach die andere Instanz, und schreit noch heftiger, als zuvor, dergestalten, daß auch die Apostel über diese Weibermusik fast ungeduldig worden, und damit sie ihrer nur los werden, haben sie insgesamt vor dieselbe eine Intercession eingelegt, baten und sprachen, mein Herr, laß sie doch von dir, dann sie schreiet uns nach. Auf so vieler Rekommandation und Vorbitt wird ja freilich die arme Haut einen guten Bescheid erhalten haben? nichts weniger als dieß, sondern gar eine abschlägige Antwort, ich bin nit gesandt, sprach er, als allein zu den verlornen Schafen des Hauses Israel. Jetzt mein Weib, siehest du schon, wie viel es geschlagen, a Dio, so behüte dich Gott, dasmal bist[446] du umsonst gereist, hab schier selbsten ein Mitleiden mit dir, hätt mir wahrhaftig nit eingebildet, daß die Intercession des apostolischen Collegii sollte fruchtlos ablaufen, allein Geduld etc. Nicht verzagt, gedacht sie, der Korb schreckt mich noch nicht, ich will so lang und so viel anhalten, schreien, bitten, begehren, laufen, suchen und suppliziren, bis er mich erhöret, fällt endlich auf die Knie nieder, dann sie wußte wohl, daß große Herren die Ohren bei den Füßen haben, und bittet mehrmal mit aufgehobenen Händen, Domine, Herr, Herr, hilf mir! Was sagt der Herr? was? Es ist nit gut, daß man den Kindern das Brod nehme, und werf es vor die Hund. O wohl eine arme Haut! mit deinem Domine Exaudi bist du zu spat kommen, nimm du dein Memorial zuruck, verpapp damit die zerbrochenen Glasscheiben zu Haus, die letzte Antwort des Herrn schneidet dir alle Hoffnung ab, du wirst nimmermehr deiner Bitt gewähret seyn, es müssen gewisse Ursachen verborgen seyn, derenthalben dein Bitten nit erhöret wird. Ich, spricht das Weiblein, ich laß mich noch nit abweisen, ich will so lang bitten und beten, beten und bitten, seufzen und schreien, schreien und seufzen, bis er schier vor lauter Importunität mir es endlich muß ertheilen, um was ich anhalte, sagt demnach Christo dem Herrn aus seinen Bescheid diese Wort: Ja Herr, mein Herr, du sagst freilich wohl, man soll der Kinder Brod nit vor die Hund werfen, aber es ist doch auch wahr, daß die Hündlein von dem Brosamen essen, welche von ihrer Herren Tische fallen. Nachdem der Heiland Jesus endlich gesehen, daß er dieses Weibs nit kann[447] los werden, so hat er ihr geben, was sie begehrt, fiat tibi, sciut vis, es geschehe dir, wie du willst. Woraus unschwer abzunehmen ist, daß man nit gleich alle Hoffnung beiseits solle setzen, wann man auf die erste Bitt von Gott dem Herrn nit erhöret wird, sondern man muß mehrer, öfter und inständiger anklopfen. Ja, spricht der heil. Basilius in constitut. Mone. c. 2, wann schon ein ganz Monat, ein ganz Jahr, zwei, drei Jahr, und noch mehrere anstehen, daß du noch nit erhört bist, so laß gleichwohl nit ab, dann Gott will zuweilen um eine Gnad lang, und viel, und stark, und inständig gebeten seyn. Weilen es drei ganze Jahr nit einen Tropfen geregnet hat, also wollte Elias durch das Gebet einen heilsamen Regen zuwegen bringen, steigt zu solchem End auf den hohen Berg Carmels, fällt daselbst auf seine Knie, bittet, und bittet auf das allerinbrünstigste Gott den Herrn, schaffet anbei seinem Diener, er solle hingehen, und auf das Meer schauen, ob er nichts sehe; er gehet, er schaut, er kommt, er sagt, Vater, ich sehe nichts; Elias befiehlt mehrmalen, er soll wiederum hingehen, zu sehen; er folgt, er lauft, er sieht, er bringt die Zeitung, wie daß er gar nichts wahrnehme. Elias betet immer fort, und thut dem Diener auferlegen, er solle auch das dritte, vierte, ja gar das siebente Mal hingehen, und beobachten, ob dann noch nit ein Zeichen eines Regens komme? Siehe Wunder! wie er das siebente Mal sich dahin begeben, da vermerkte er, daß ein kleines Wölklein aus dem Meer emporsteige, wovon nachgehends der ganze Himmel[448] verfinstere worden, und in einem häufigen Regen ist ausgegossen. 3. Reg. 18. c.

So ist dann Elias das erstemal nit erhöret worden, sondern das siebente Mal, daraus dann sattsam zu schließen ist, daß man in dem Gebet inständig verharren solle, und nit nur ein, sondern mehrmalen Gott den Allmächtigen um diese oder jene Gnad flehentlich anrufen, ja sogar jenem frommen Jakob nachfolgen, welcher die ganze Nacht mit dem Engel des Testaments gerungen, und sich ausdrücklich verlauten lassen, non dimittam te, du sollst nit von mir kommen, bilde dir nur gar nit ein, daß ich dich von mir laß, bis du mich segnen wirst. Genes. 11. c.

Also mein Gott und Herr, ich rufe und schreie, und bitte um diese Gnad, non dimittam te, ich werde immerzu bei deinen Füßen liegen, ich werde nit aufhören, an deiner Gnadenpforte zu klopfen, ich laß dir fort und fort keine Ruh, nisi benedixeris mihi, so lang und so viel, bis deine göttliche Gütigkeit sich meiner erbarme, und du mir auf mein demüthiges Bitten das Fiat ertheilest. Auf solche Weise importun zu seyn, schadet gar nit. Er, der Heiland, hat sich bei den zweien Jüngern, denen er das Gleit bis nach Emaus gegeben, simulirt und gestellt, als wollte er weiter seinen Weg fortnehmen; es war aber sein Ernst nicht, er wollte halt von denen zweien begrüßt und gebeten seyn, wie es dann nachmals auch geschehen. Also stellet er sich gar oft, als höre er nit unser Gebet und Rufen, es ist aber sein rechter Ernst nit, sondern er will gar schön, gar eiferig, und oft gar lang gebeten werden. Item eine andere Lehr.[449] Mit drei großen und annoch beständigen Wunderwerken hat Christus der Herr den Oelberg bei seiner glorreichen Himmelfahrt begnadet. Erstlich läßt sich dieselbige Erde, worauf er gen Himmel gestiegen, weder mit Ziegel noch Marmor, oder einem andern kostbaren Stein bedecken, ja, so oft man solches versucht, hat besagte Erde alles mit großer Gewalt von sich geworfen. Zum andern ist an demselben Ort ein sehr stattlicher runder Tempel und Kirche aufgebauet worden von der heiligen Helena, Mutter des Kaisers Konstantini; dieses heilige Gebäud aber hat niemal noch mit einem Gewölb oder Dach können bedeckt werden an demselben Ort, wo unser lieber Herr gen Himmel gefahren. Drittens hat der Herr Jesus dazumal seine heiligen Fußstapfen der Erde also eingedruckt, daß selbige durch ein ewiges Wunderwerk auf keine erdenkliche Weise können ausgelöscht oder ausgerottet werden, ja neben dem, daß solche durch so viel hundert und hundert Jahr von denen Pilgrimen und Wallfahrtern seynd abgeschaben und abgekratzt worden, so verbleiben sie dannoch in der ersten Gestalt, wie sie der Heiland in seiner Himmelfahrt eingedruckt.

Mein frommer Leser, weil du keine Erde von besagten heil. Fußpfaden kannst nehmen, so nimm anfs wenigst eine Lehr davon, und erkenne die unermeßliche Liebe deines gebenedeiten Heilands Jesu, welcher in seiner Himmelfahrt einen so harten Abschied von uns Menschen genommen, daß er sogar die heiligsten Füße in die Erde tief eingedruckt, zu zeigen, wie ungern er von uns weiche. Keine Feder kann beschreiben, keine Zung kann erzählen, kein Herz kann fassen die Liebe[450] so Gottes Sohn uns Menschen erwiesen, durch die drei und dreißig Jahr, da er auf Erden wanderte, und weil solche Liebe ohne Maaß, ohne End, und ohne Grund, ohne Ziel, ohne Zahl ist, also will ich dermalen solche mit der schlechten Feder nit entwerfen, sondern nur kurz beifügen, was Liebstuck der Heiland Jesus mehrmalen den Menschen erwiesen. Katharina Alexandrina, Katharina Senensis, Katharina Niccia, Lucia Narniensis, Stephana Quintiana, Theresia a Jesu, Pudentiana Zagnonia, Rosa Limensis, Joanna a Cruce, Ursula Benicasa, Maria Villana, und viel andere selige und heil. Jungfrauen seynd sogar von Christo dem Herrn, als liebste Gesponsen und Bräute erkiesen, und mit einem Mahl-Ring begnadet worden. Was kann dann die göttliche Liebe mehr thun?

Bonifacius Lausanensis, Franzischinus de Casali, Katharina Bononiensis, Agnes Politiana, Cajetanus Tienensis, Franciscus Assisius, Antonius Paduanus, Dominica de Paradiso, Clara de monte Falco, Maria Caraffa, Joannes Dei, und viel andere heilige Diener und Dienerinn Gottes sind so weit kommen, daß sie der Herr und Heiland in der Gestalt eines kleinen guldenen Kinds umfangen, umhalst und geküsset; was kann dann die göttliche Liebe mehr thun?

In die Katharina Senensis, Stephana de Soncino, Katharina de Naconisio, und andere mehr, hat sich der Herr Jesus also verliebt, daß er ihnen sogar das Herz mit guldenen und glühenden Pfeilen durchbohrt hat. Was kann doch mehrers thun die göttliche Liebe? welche billig und recht soll den Menschen[451] mit einer Gegenliebe vergolten werden, wie dann vieler Lehrer Aussag ist, daß im Anfang der Welt der himmlische Vater den Adam, als ersten Menschen, nit eigenhändig habe erschaffen, sondern solches den Engeln habe aufgetragen, welche dann ganz urbietig nach dem göttlichen Befehl und Model dem Menschen alle Glieder aus Leim zusammen gepappt, da sie aber auch das Herz wollten formiren, hat Gott der Herr ihnen den Leim weggenommen, und er selbst solches gestaltet, damit nemlich das menschliche Herz ihn allein solle und wolle lieben, das haben zwar sehr viel gethan, denen du, liebster Leser, von Rechtswegen solltest nachfolgen.

Der h. Philippus Nerius ist in der Liebe gegen Gott also entzündet gewest, und hat ihm das Herz vor Liebe also geschlagen und getobt, daß hiervon gar zwei Rippen auf der linken Seite zerbrochen.

Die heiligmäßige Ursula Benicasa hat Gott so inbrünstig geliebt, daß ihr öfters von denen Liebesflammen ein großer Rauch aus dem Maul gestiegen, und nach ihrem seligen Tod, in Eröffnung des Leibs, das Herz völlig verbrennt gefunden worden.

Der selige Beichtiger Joannes aus unserm Augustinerorden hat vor göttlicher Liebe also gebronnen, daß er mitten im rauhen und kalten Winter die Kleider nit konnte am Leib behalten, welcher mehrmal also erhitzt war, als wäre er lebendig gebraten.

Die selige Katharina Genuensis brannte dergestalten vor Liebe zu Gott, daß sie gar oft Händ und Füße hat müssen in ein kaltes Wasser stecken,[452] wovon das Wasser also gesotten, als hätte der Schmied ein glühendes Eisen hinein gestoßen.

Der selige Stanislaus Costa, aus der Sozietät Jesu, war also in göttlicher Liebe entzündet, daß man ihm gar oft mit naßen Tüchern, so in frisches Brunnen-Wasser gedunkt, die Brust und das Herz mußte kühlen.

Hieronymus Narniensis, Kapuziner-Ordens, ist gar oft in dem Gebet von der Liebe zu Gott also ergriffen worden, daß er am ganzen Leib geschwitzt, und so man ihm an die linke Seite der Brust ein Tuch gehalten, ist solches nit anderst abgedörrt worden, als hätte man es an einen wohlgeheizten Ofen gehebt.

Weil obenher der eingedruckten Fußstapfen Christi auf dem Oelberg gedacht worden, also kann nit umgangen werden jene Wundergeschicht, welche sich mit einem Liebhaber Gottes hat zugetragen auf obbenanntem Oelberg. Dieser war ein frommer und gottseliger Mensch, welcher aus inbrünstiger Andacht alle heiligen Oerter besucht, zu allerletzt aber den Oelberg, wovon der Herr Jesus gen Himmel gefahren, allda hat er einen absonderlichen Eifer spüren lassen, und zwar dergestalten in der Liebe zu seinem Erlöser entzündet worden, daß er vor lauter Liebe den Geist aufgeben, und selig verschieden, auch ungezweifelt seine Seele eben den Weg gen Himmel genommen, wohin Christus der Herr glorreich gefahren; nachdem sein Leib eröffnet worden, hat man in Mitte des Herzens mit güldenen Buchstaben folgende Worte geschrieben gefunden: »Amor meus Jesus, meine Liebe ist [453] Jesus.« Diesem, mein frommer Christ, folge nach, lebe in Gott, und liebe Gott, und lobe Gott, schenke ihm dein Herz, im Herzen die Liebe, in der Liebe die Beständigkeit, sodann ist dir gar gewiß die Seligkeit. Vor dießmal ist es genug.

In dem Convent S. Francisci Cajetä waren zwei fromme Lai-Brüder, welche sich am h. Antlaß-Pfingsttag oder grünen Donnerstag auch nach Möglichkeit präparirten zu der heiligen Kommunion nach gewöhnlichem Brauch der Religion; indem sie nun im wenigsten ihnen etwas anderst eingebildet, da kommt ein Befehl vom P. Quardian, sie sollen geschwind, und ohne fernern Verschub in die Stadt gehen, Brod zu sammlen, welchem dann die guten Brüder schleunigst nachkommen, weilen sie aber sich gar zu lang in dem Sammlen verweilet, und bereits in ihrer Zurückkehr die andern Geistlichen schon bei der Tafel, als bei dem Mittagessen, angetroffen, also war es ihnen ganz herzlich leid, daß sie die heil. Kommunion versaumet, wessenthalben sie alles Essen und Trinken beiseits gesetzt, und in der Kapelle, allwo das höchste Gut und heiligste Altargeheimnuß aufbehalten war, mit vielem Weinen und Seufzen ihr Unglück bedauerten; siehe aber, wie Gott den geleisteten Gehorsam so reichlich belohnet hat! In diesem ihrem währenden Wehklagen steigt ein holdseligster Jüngling, einer unbeschreiblichen Schönheit, aus dem Tabernackel heraus, reicht besagten frommen Brüdern einem jeden die heil. Kommunion, nachmals sich wieder dahin begeben, woher er kommen ist. Noch aber auf den heutigen Tag siehe man die Fußstapfen, welche dieser[454] Jüngling in die harten Stein eingedrückt hat; da kann man sehen, hören, greifen und begreifen, wie angenehm bei Gott dem Herrn sey der Gehorsam.

Mir ist gestern Vormittag ein wackerer wohlaufgeputzter Florimundus begegnet, mit einer so stattlichen Barocca, daß sich auch des Absalons Krauskopf dagegen müßte schämen; dieser war mit Courtesien, Höflichkeit, Ceremonien und Ehrbeweisungen ganz gefüttert, ganz überzogen, ganz gebrämt, gesteppt und ausgemacht, daß ich gänzlich die Gedanken gehabt, sein Vater sey ein Hofbesen gewest, womit die Ritterstuben und Ante Camera sey ausgekehrt worden, dann allda trägt man die Ceremonien gar in der Mistbutte aus; o was Schuhwetzen, Schuhkratzen, Schuhbiegen, Schuhliegen gibts daselbst! Er war so hurtig mit dem Hütel von dem Kopf herunter, daß einer hat glauben können, er sey bei dem Meister Boreas vom Windhausen in die Schul gangen, sein Gruß und Willkomm mit allerlei Complementen untermengt war dieser: gehorsamer Diener, Reverendo Pater, was schaffen sie, nur befohlen? ich zeigte ihm aus erheißender Schuldigkeit auch alle Gegenehr, und nach wenig vollbrachtem Discurs gingen wir von einander, a Dio servitor; kaum daß er etliche Schritt von mir entfernet, hörte ich in meine Ohren, wie daß er bei dem nächsten Bekannten in diese Wort ausgebrochen: der Pater glaubt, ich sey sein guter Freund, aber das nit, ich kann ein ganzes Jahr ohne Pfaffen leben, einen so guten Magen habe ich. Ei, daß dich der Bettelvogt von Memmingen hole, so bist du ein gehorsamer Diener von Lugdun in Frankreich.[455]

Ein schönes Wort ist gehorsam, wann man es in dem Werk erzeigt, wie Christus der Heiland selbsten unterthänig gewest, und den Gehorsam geleistet von seiner heiligsten Geburt bis in seinen bittersten Tod, dem auch vollkommenst nachgefolget seine übergebenedeite jungfräuliche Mutter Maria, welche in allem auf das genaueste den Befehl, und sogar den geringsten Augenwinkel vollzogen, ihres geliebsten Gespons Joseph; und woher ist die Glorie und größten Verdienste gewachsen so unzahlbarer vieler Religiosen und Gott gewidmeter Klosterleute, als eben aus dem Gehorsam?

Kein größeres Bene bei den Benediktinern ist, als der Gehorsam. In dem vornehmen Kloster Corbei in Deutschland, Benediktiner-Ordens, hat sich vor diesem mehrmals zugetragen, daß, wann einige Geistliche zur Zeit des Chori, aus Befehl der Obern, andere Geschäfte zu verrichten hatten, anstatt derselben die lieben Engel ihre Stell in dem Chor vertreten.

Bei den Bernardinern, weil doch ihr heil. Vater eine clarevalische Biene oder Imme genennet wird, ist das beste Honig seyn unterthänig. Einer aus besagtem Kloster war im Sterben, und wollte bereits schon in die Züge greisen, dem aber der heil. Vater mit diesen Worten begegnet: mein lieber Frater, weil die Geistlichen den ganzen Tag hindurch sehr müd worden, also ist nothwendig, daß sie auch schlafen müssen, dahero haben sie jetzt gar nit Weil, mit dir umzugehen, befiehl dir also, daß du nit sollst sterben, bis man die Geistlichen aufweckt, und zum gewöhnlichen Gottesdienst rufet; der Sterbende sagt alsobalden[456] ja, und aus Gehorsam schiebt er den seligen Tod und Abschied auf, bis man in den Chor geläutet.

Den Jesuiten, obschon ihr heil. Stifter ein Spanier gewest, kommt es dannoch nit spanisch vor, wann sie bald dieß bald jenes aus Gehorsam verrichten, I, das Gehen, O, das Stehen nach der Obern Will ist ganz gemein bei ihnen, woraus dann IO triumpha erwachset. Der gottselige und heiligmäßige Pater Casparus Barzäus war dem Gehorsam also zugethan, daß, wie ihm in einer sehr gefährlichen Krankheit der Pater Rector zu Goa besohlen, und zwar nur scherzweis, er solle aufstehen, dann man habe seiner dermalen stark vonnöthen, worauf er den andern Tag frisch und gesund, zweifelsohne durch ein Wunderwerk sich vor seiner Obrigkeit gestellt, und zu allem Befehl sich urbietig anerboten, auch gleich darauf, ohne einiges vorgehendes Studio, aus Gehorsam, eine sehr stattliche Predigt gemacht.

Die Carmeliter, weil sie ohnedas ihr Stammhaus auf einen Berg gesetzt, halten den Gehorsam vor hoch. In ihrem Convent zu Paterni wollte der Novitzenmeister der Carmeliter-Baarfüßer unter seinen jungen geistlichen Kindern den Gehorsam recht erfahren, schaffte demnach einem aus ihnen, er sollte ohne Verzug auf jenen Baum steigen, und das alldorten so lieblich singende Vöglein herunter nehmen, welchem der fromme Novitius ohne fernere Widerred alsobalden nachkommen, und das freie Vöglein mit offener Hand herunter geholt, so auch nachmals nit hinweg geflogen, bis der Pater Magister die Erlaubnuß ertheilt.[457]

Die Dominikaner fähren in ihrem Wappen ein Hündlein, glaub aber wohl, wann sie demselben wollten und sollten ein Halsband machen lassen, daß keine andere Schrift darauf käme, als Obedientia, der Gehorsam. Dann so wachsame Domini canes oder Hund des Herrn sie immer seynd, und in ihrem Predigtamt stattlich bellen, so guschen sie dann auch gehorsamst, wie es der Wille ihrer Obern erfordert. Die heil. Rosa Limensis aus dem Orden des heil. Dominici, weil sie bei Lebzeiten je und allemal sich des Gehorsams beflissen, wollte auch nach dem Tod selbigen nit übertreten. In dem Kloster zu Lima war durch Unachtsamkeit einer Dienstmagd ein silberner Löffel verloren, und weil man selbigen aller Orten auf das genaueste gesucht, und nit gefunden, also hätte leichtlich ein Argwohn auf eine oder andere Person können gefaßt werden; zu Verhütung dieses hat sich die Vorsteherinn obbenannten Convents zu der Bildnuß der h. Rosä gewendt, und sie mit diesen Worten angeredet: »Heilige Rosa, durch die Gewalt, so mir unwürdigen Obrigkeit dieses Orts ertheilt worden, befehl ich dir, daß du alsobalden und ohne fernern Aufschub von Gott den verlornen Löffel wieder erhalten sollest etc.« Nach vollendter Vesper und Gottesdienst hat besagte Vorsteherinn denselben auf ihrem Tisch gefunden, wollte also Rosa nach dem Tod nit ungehorsam gehalten werden.

Die Franziskaner stiegen weit besser hinauf gen Himmel auf ihren Stricken, als die Seiltänzer von der Höhe herab, und ist bei jenen auch ein Knopf an die Gürtel gemacht, der heißt so viel, als man[458] soll des Gehorsams nit vergessen, welcher dann bei ihnen mehrmalen sehr merkwürdige Sachen gewirkt hat. Der selige Thomas Florentinus aus besagtem Orden hat auf der Reis' nach Jerusalem von Joanne Capistrano den Befehl erhalten, er soll alsobald, zur Straf seines begangenen Fehlers, aus der Kuchel feurige und glühende Kohlen auf den bloßen Händen in das Zimmer tragen; diesen Befehl hat alsobald der selige Thomas vollzogen, und nit allein die begehrten glühenden Kohlen in die Stube, sondern auch von dannen wieder in die Kuchel getragen, ohne den allerwinzigsten Schaden oder Verletzung.

Die Kapuziner seynd freilich wohl ihres harten Lebens halber Ihr Gestreng zu nennen, bei Gott aber seynd sie derenthalben in Gnaden, forderst wegen des heiligen Gehorsams. Fr. Nicolaus, ein Laibruder aus erstgedachtem Orden, hat aus Gehorsam einen ausgedörrten Nast von einem Feigenbaum in die Erde gesteckt, welcher dann hat angefangen, zu grünen und Frucht zu bringen.

Die Augustiner tragen nit allein das Wort Aug in dem Namen, sondern sie müssen auch auf den geringsten und nützlichsten Augenwinker ihrer Obrigkeiten Befehl gehorsamst vollziehen, welches auch bishero Gott mit vielen Wunderwerken bekräftiget hat. Wie dann ein Novitius bei uns von dem P. Magister geheißen worden, er solle die Kerzen anzünden, und indem der fromme Jüngling sich demüthig entschuldiget, wie daß er keine Kerzen beihanden habe, worauf der P. Magister befohlen, er solle den Finger anzünden, welchem dann, aus blindem Gehorsam, der fromme[459] Novitius nachkommen, und den Finger anstatt der Kerzen angezündet, der wie das reinste Wachslicht gebronnen, und ihm anbei weder Schmerzen noch Schaden verursachet.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 4, S. 424-460.
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