Judas der Erzschelm hasset den geistlichen Gesang, und will lieber falliren als psalliren.

[390] Nach vollendtem allerheiligsten Abendmahl hat der gebenedeite Heiland mit seinen eilf Aposteln angefangen den gewöhnlichen Lobgesang, welchen allemal die Hebräer nach Nießung des Osterlamms pflegten zu verrichten. Vorsinger in diesem heiligen Chor war der liebste Herr Jesus selbsten, welcher Gesang dazumal alle Nachtigallen in der ganzen Welt stumm gemacht. Es sollen aber, nach Aussag Pauli Burgensis, folgende fünf Psalmen seyn gesungen worden: der erste, als der hundert und dreizehnte: In exitu Israel de Aegypto, als Israel aus Egypten zog. Der andere, benanntlich der hundert und vierzehnte: Dilexi quoniam exaudiet Dominus, ich habe lieb, dann der Herr wird die Stimme meines Flehens erhören. Der dritte, als nemlich der hundert und fünfzehnte: Credidi propter quod etc., ich habe geglaubt, darum habe ich geredt. Der vierte war der hundert und sechzehnte: Laudate Dominum omnes gentes etc., lobet den Herrn alle Heiden etc. Der fünfte und letzte Psalm war der hundert und siebenzehnte: Domino quoniam bonus etc., lobet den Herrn, dann er ist gut etc.[391] Solche fünf Psalmen hat der Herr Jesus und seine werthesten Apostel auf das eiferigste gesungen, daß hiervon das ganze Haus erschollen, und hätten gern, und aber gern, und übergern alle lieben Engel, als himmlischen Musikanten, pleno choro sich hören lassen, dafern es ihnen von der göttlichen Majestät wäre erlaube gewesen. Der einige meineidige Schelm und verruchte Judas hat zu dieser Musik pausirt, und unlängst zuvor den Reißaus genommen, zu welchem ihn der arglistige Satan angeleitet, als der in Furcht gestanden, es möchte das gottlose Gemüth Judä durch solchen Gesang und heilige Psalmen erweicht werden. Ein Vogel, und zwar ein Erzvogel war dieser Iscarioth, und dannoch wollt er nit singen.

Es gibt saubere Singer, und deren gar viel. Es gibt saumige Singer, und deren nie wenig. Es gibt sauere Singer, und deren eine ziemliche Zahl. Es gibt Sau-Singer, und deren fast an allen Orten.

Saubere Singer seynd alle diejenigen, welche Gott den Herrn Tag und Nacht mit Psalliren und und Singen preisen und loben, auch solchergestalten emsigst nachfolgen den lieben Engeln im Himmel, massen die damalige Chorweise in der Kirche zu singen ihren Ursprung genommen von den Engeln, welche der h. antisiodorensische Bischof, so noch zu Apostel Zeiten gelebt, gesehen, und gehört hat, wie sie die allerheiligste Dreifaltigkeit in zwei Chor ausgetheilt, mit hellschallendem Jubel und Lobgesang gepriesen. Auch scheint es glaublich, daß solche Weise schon die Juden in ihren Tabernacklen und Templen gebraucht[392] haben, dahero David sagte, laudent nomen ejus in Choro.

Wie angenehm sey dem Allerhöchsten solcher Gesang, erhellt ganz klar aus folgenden Geschichten: Als der h. canusinische Bischof Sabinus nach Gewohnheit einmal bei Mitternacht aufgestanden, und bereits die Metten angefangen zu singen, da hat das ganze Hausgesind, nit ohne höchste Verwunderung wahrgenommen, daß die lieben h. Engel chorweis mit ihm die ganze Metten gesungen.

In Westphalen stehet ein uraltes Benediktiner-Kloster, Namens Corbei, in welchem etlich hundert Jahr nach einander folgendes Wunder sich ereignet: so oft aus besagten Religiosen einer wegen Krankheit und Unpäßlichkeit nit konnte in den Chor kommen, so ist je und allemal ein Engel an dessen Statt erschienen, und die ganz eigne natürliche Stimm des abwesenden Geistlichen hören lassen, wie solches glaubwürdigst bestätigen die Annales obbenannten Klosters.

Der heil. clarevallensische Abt Bernardus hat mehrmalen bei nächtlicher Weil in dem Chor wahrgenommen, daß die lieben Engel jene Religiosen, so da emsig und eiferig in dem göttlichen Lobgesang verharreten, mit sehr kostbarem und angenehmsten Rauchwerk verehreten.

Robertus, König in Frankreich, war also eiferig in dem Lob Gottes, daß er öfters mit denen Mönchen im Chor die Tagzeiten gesungen, und andächtigst psalliret. Da er auf eine Zeit ein festes Schloß mit ziemlicher Kriegsmacht umfangen, unter währender Belagerung aber am Fest des h. Damiani in dem nächst[393] entlegenen Kloster mit denen Geistlichen das Offizium gesungen, siehe, da wurde erneuert jenes Wunder, so dem Josue widerfahren, unter der Zeit, da er in dem göttlichen Lobgesang sich aufgehalten, seynd von freien Stucken alle Gemäuer und Pasteien der belagerten Festung zu Boden gefallen, ohne einige Handanlegung.

Anno 1613 starb in dem weimarischen Gebiet ein bekannter und berühmter Notarius der calvinischen Sekte, welcher mehrmalen die Geistlichen ausgehöhnet, wann selbige mit ihrem Gesang einen Verstorbenen zum Grab begleitet, auch öfters in diese Spottwort ausgebrochen: »diese Pfaffen singen just wie die Esel.« Wie nun dieser auch den Zeitlichen, und, welches weit mehr zu bedauren, auch den ewigen Tod erfahren, und breits der Leichnam mit sonderm Pomp und Pracht zum Grab getragen wurde, kaum daß man den Körper zum Haus heraus gebracht, da ist alsobald ein schwarzächtiger Esel einer ungeheuren Größe er schienen, der Todtenbahr nachgetreten, und mit einem steten wilden Geschrei die Leich begleitet, konnte durch keine Gewalt, die man möglichst angewandt, hin und abgetrieben werden, sondern dieser widerwärtige Langohr hat benanntem Notario das Geleit geben bis zu dem Grab, um dasselbige etlichmalen herum getreten, endlich mit des Verstorbenen Anverwandten und Befreundten wieder nach Haus gangen, daselbst in Gegenwart vieler Leut gähling verschwunden, zur billigen Straf, die der gerechte Gott über ihn verhängt, um weil er das andächtige Singen und Psalliren der Priesterschaft veracht, und dem Eselgeschrei verglichen.[394]

Angenehm war der Gesang Mosis und des gesamten israelitischen Volkes, nachdem er so wunderlich durch das rothe Meer passirt, und sollen dazumalen, wie die Rabbiner bezeugen, auch die etlich Tag und Wochen alle unmündigen Kinder durch ein Mirakul das ganze Lied mitgesungen haben. Angenehm war der Gesang Deborä und Barac, nachdem sie den Sieg und berühmte Victori wider den cananäischen Kriegsfürsten Sisara erhalten. Angenehm war der Gesang der lieben Eltern Annä und Helcana, wie ihnen ihr Sohn Samuel geboren. Angenehm war der Lobgesang des Königs Ezechiä, nachdem er durch göttliche Hülf wieder zur gewünschten Gesundheit gelanget. Angenehm war der Gesang der Judith, als sie dem Holoferni das Haupt abgeschnitten, wovon dem ganzen Volk Israel ein Hauptglück erwachsen. Angenehm war der Gesang der drei Knaben in dem babylonischen Ofen, worin das Feuer einen Feiertag gehalten, diese aber einen fröhlichen Festtag. Angenehm war der Gesang des Davids, welcher bei Tag und Nacht mit dem eiferigen Psalliren Gott den Herrn gepriesen, dahero dieses lobwürdigsten Königs meistes Siegen vom Singen hergeflossen und gesprossen. Angenehm ist auch der göttlichen Majestät aller Gesang der eiferigen Geistlichen, welche, nach Art und Weise der lobschallenden Lerchen, ihre Stimme und Gemüth erheben, und durch Gesang und Klang den Allerhöchsten preisen. Angenehm ist auch der Gesang des andächtigen Volks in der Kirche, und in den gewöhnlichen Prozessionen und Kreuzgängen. Zumalen solche nachfolgen[395] denen englischen Heerschaaren, deren fast einziges Thun ist, Singen und Musiciren.

Andächtig singen ist englisch Werk. Wie Gottes Sohn in dem Stall zu Bethlehem bei Mitternacht aus der unversehrten Jungfrau Maria geboren, da ist eine unzahlbare Menge der Engel vom hohen Himmel herunter gestiegen, und die bethlehemitischen Felder mit dem lieblichsten Gesang und Musik angefüllt.

Andächtig singen ist ein englisch Werk. Wie der heil. Papst Gregorius die Bildnuß unser lieben Frau, so in der Kirche S. Mariae Majoris, zu Rom verehrt wird, zu Abwendung des göttlichen Zorns mit volkreicher Prozession in St. Peterskirche getragen, und mit dem gesamten häufigen Volk die heil. Litanei gesungen, da ist nächst bei dem Castell Adriani eine englische Stimm erschollen, und folgendes Lied gesungen worden: Regina coeli laetare, Alleluja, quia quem meruisti portare, Alleluja, resurrexit, sicut dixit, Alleluja. Worauf der heil. Papst durch göttliche Eingebung diese Worte hinzu gesungen: Ora pro nobis Deum. Alleluja. Dahero noch auf diese Zeit die Canonici benannter Kirchen, so oft sie bei besagtem Castell prozessionsweis vorbei gehen, solches englische Lied zu singen pflegen.

Andächtig singen ist ein englisch Werk. In der Kirche bei St. Stephan auf dem Berg zu Freising haben anstatt des heil. Bischofs Corbiniani, so dazumal krank gelegen, die Engel die Metten gesungen. In der Kirche, allwo der heil. Spiridion seine Andacht verricht, haben die Engel die Vesper gesungen. In dem, und bei dem, und nach dem Tod des heil.[396] Henrici, Ammonis, Pauli Eremiten, Silvani, Simeonis Stylitä, Bonä, Nikolai von Tolentin, Martini Turonensis, Wilfridi, Genulphi, der heil. Mutter Monicä, Laurentii Justiniani, Patritii, Rigoberti, Nicasii, Lamberti, Alberti, Philippi, Benicii, Aloisii, Bertrandi, Ignatii Loyolä, Coletä, und vieler anderer mehr haben die Engel am allerlieblichsten gesungen und musicirt.

Bei der Begräbnuß der übergebenedeiten Mutter Gottes Maria, allwo durch göttliche Wirkung alle Apostel, so dazumal in der Welt hin und her entfernet waren, sich augenblicklich versammlet, und diesem seligsten Hintritt beigewohnt; bei solcher Begräbnuß hat eine unzahlbare Schaar der Engeln, so ober der Bahr schwebten in den Wolken einen so himmlischen Gesang und Musik vollbracht, daß hierdurch die Stadt Jerusalem samt der ganzen Gegend herum in höchste Verwunderung gerathen, und nit wenig aus dem zulaufenden Volk sich bekehrt haben.

Moses, der große Mann Gottes, erhalt die Tafeln der zehen Gebot von dem Allerhöchsten auf dem Berg Sinai, allwo in denen Steinen zur ewigen Gedächtnuß man noch siehet einen Abriß des Dornbusches, welchen Moses gesehen hat brennen, und nit verbrennen. Droben auf dem Berg hat es geheißen Sinai, herunter aber des Bergs hat es geheißen Sündigen, oben auf dem Berg stund es auf 10, benanntlich auf 10 Geboten, herunten auf der Ebene stund es auf 11. Dann bei dem israelitischen Volk war es Mittag, massen sie alle thäten essen und trinken, und nachmals war niemand, weder Klein noch Groß,[397] weder Alt noch Jung, der nit mit Singen, durch Singen, im Singen, das gegossene goldene Kalb als einen Gott verehrt, vocem cantantium ego audio etc. Moses und Josue hören, daß diese eisernen Gemüther, daß diese plumpen, bleiernen Gispel, daß diese versoffenen, kupfernen Gesichter, daß diese vermessenen, messingenen Narren das goldene Kalb mit großem Lobgesang priesen, der Teufel war Kapellmeister bei diesem Gesang.

Vocem cantantium ego audio etc. Weit besser höre ich, weit lieber hörest du, weit angenehmer höret er die Stimm der singenden und lobschallenden frommen Geistlichen und Weltlichen, welche allerseits mir andächtigen Psalmen und beweglichen Liedern den wahren allmächtigen Gott, o wohl einen ganz goldenen Gott, lob- und benedeien. Dahero Kaiser Maximilianus sich öfters verlauten lassen, daß ihn nichts mehrers erfreue, als wann er sehe ein Feld voller wackerer Soldaten und einen Chor voller andächtiger Mönch, die Gott mit ihrem gewöhnlichen Lobgesang verehren. Wie werth und angenehm muß gewesen seyn in den Augen der göttlichen Majestät jenes Benediktinerkloster zu Lixau, allwo das ganze Jahr und allezeit hindurch nit ein Augenblick verflossen, da nit eine ziemliche Anzahl der Religiosen mit Singen und Psalliren Gott gepriesen, und könnte dazumal eine solche ordentliche Austheilung der Chör leicht geschehen, weil zur selbigen Zeit in einem Kloster sechshundert, auch neunhundert, sogar auch zweitausend Geistliche gezählet wurden.

Stephanus Mantegaza schreibt, daß zwischen dem[398] Berg Sinai und rothen Meer ein Kloster sey, welches man nit sehen, und auch nach angewendtem größten Fleiß nit finden kann, gleichwohl hört man in der ganzen Gegend herum, wann sie in den Chor zum Gottesdienst läuten, und auch hell und klar singen. Anno 1613 soll ein armer Arabier im Monat Oktober in selbiger Gegend herum vagirt seyn, der ungefähr in einem Berg einen Eingang fast in der Größe einer ordinären Thür wahrgenommen, dahero ihn der Vorwitz veranlaßt, daß er ohne sondere Furcht durch den Berg einen langen Weg hinein geschlichen, allwo er ganz wunderliche Ding angetroffen, dann mitten im Berg sah er ein überaus schönes aufgebautes Kloster, und nächst demselben ging ihm entgegen ein Ordensmann, der ihn befragt, was er allhier suche? und nachdem er vernommen, daß er nichts anders verlange, als ein h. Almosen, sodann gab ihm erstbesagter Religios ein schneeweißes Leibel Brod und eine ziemliche Portion der Datteln, sogar eine gute Frucht, worauf der arme Arabier seinen Zuruckweg genommen, die Schelen und Schaalen aber gedachter Frucht also weislich auf die Erden fallen lassen, damit er hierdurch inskünftig den Weg möchte wieder finden, dann er der Meinung gewest, seine Mitkameraden auch anhero zu führen. Aber Gott hat durch einen Engel alle selbigen Schaalen lassen auf das genaueste aufklauben, wessenthalben den nachkommenden Tag der Arabier samt den Seinigen den Weg nit mehr gefunden. Der Arabier ist bericht worden von demjenigen Geistlichen, so ihm das Almosen dargereicht, daß der Allmächtige dieses Kloster selbst in den Berg gebauet,[399] worinnen stets 40 Geistliche mit Singen und Psalliren Gott den Herrn loben, auch so oft einer mit Tod abgehe, so werde alsobalden durch Gott ein anderer anstatt seiner gestellt, damit die Anzahl der 40 jedesmal ganz verbleibe, ist zu glauben, daß dieses Wunderkloster Gott ewig erhalte, zur Gedächtnuß, weil daselbsten auf dem Berg Moses 40 Tag und Nacht mit Gott geredet.

Gott der Allmächtige, laut h. Schrift, hat die Vögerl erschaffen aus dem Wasser von Anbeginn der Welt; so kommen dann die Vögel vom Wasser her? ja aber die Erzvögel und Galgenvögel vom Wein; kein Thier auf Erden pflegt zu singen, der Ochs röhret, und singt nit, der Wolf heulet, und singt nit, der Bär brummet, und singt nit, der Löw brüllet, und singt nit, der Hund bellet, und singt nit, die Katz gmauckzet, und singt nit, der Esel kühret, und singt nit, das Schwein grunzt, und singt nit, das Schaf blerrt, und singt nit etc. Kein Thier auf Erden pflegt zu singen, wohl aber die Vögel, so der Allmächtige aus dem Wasser erschaffen. Wohlan dann, ihr frommen Christglaubigen, weilen ihr auch das andermal geboren durch die h. Tauf, und folgsam das Leben eurer Seel von dem Wasser, so gibt auch gleichmäßig lobschallende Vögel ab, höret nit auf, an allen Orten Gott den Herrn, seine gebenedeite Mutter, alle lieben Heiligen mit geistlichen Liedern zu preisen und loben. Der Bauer bei dem Pflug, der Hafner bei dem Krug, der Gärtner bei den Pflanzen, der Soldat bei den Schanzen, der Schreiner bei dem Hobel, der Kirschner bei dem Zobel, der Zimmermann bei[400] der Hack, der Müller bei dem Sack, der Schneider bei der Nadel, die Spinnerinn bei dem Nadel, der Goldschmied bei dem Letten, der Bäck bei dem Knetten, der Bierbräuer bei dem Kessel, der Apothecker bei dem Stößel, der Sattler bei dem Sattel, der Koch bei dem Bratel, der Kaufmann bei den Waaren, der Fuhrmann bei dem Fahren, der Zinngießer bei der Scheibe, das Kuchelmensch bei dem Reiben, der Maurer auf dem Grüst, der Bauernknecht auf dem Mist, der Schmied bei den Funken, der Weber bei der Dunken, der Lederer bei den Häuten, der Postknecht bei dem Reiten, der Schlosser bei den Feilen, der Holzhacker bei den Keilen, der Schuster bei der Aal, die Schildwacht auf dem Wall, der Papierer bei den Lumpen, der Wagner bei den Krumpen, der Schleifer bei dem Schleifen, der Binder bei den Reifen; in Summa, ein jeder fast kann bei seiner Arbeit, und unter seiner Arbeit, massen ohnedas das Maul feiren thut, Gott den Herrn mit einem geistlichen Lied und Lobgesang verehren, zumal hierdurch die Arbeit weit geringer, die Zeit weit kürzer, das Werk weit besser, das Verfertigen weit schleuniger, das Verkaufen weit glücklicher, und das Bezahlen weit gewisser wird, und solche alle seynd saubere Singer.

Es gibt aber auch saumige Singer. Der stolze egyptische Monarch Pharao war nit allein hoch-und übermüthig, sondern auch sehr heiklich, dann als auf eine Zeit zwei seiner Hofbedienten gar geringe Fehler begangen, hat er dieselbigen nit allein in Kerker und finstere Gefängnuß geworfen, sondern gar einen aus diesen lassen an Galgen hängen; gedachte zwei[401] Hofbediente waren der Mundschenk und der Mundbäck, des Ersten sein Verbrechen war, daß er in dem Mundbecher, den er dem König dargereicht, eine kleine Mücke, so ungefähr hinein gefallen, nit vermerkt, darum hat es geheißen, daß man den Schelm in Thurn werfe; der andere, als der Mundbeck, so nachmals gar mußte durch den Strick sterben, hatte nichts anders verwirkt, als daß ungefähr in der Mundsemmel der König ein Haar gefunden, wie dir Rabbiner vorgeben, wessenthalben es dem König also gegraust hat, daß er lang keine Semmel mehr wollte sehen noch essen, und derenthalben den armen Bäcker zum Galgen verurtheilet.

Es gibt ebenfalls solche Geistliche, die ganz säumige Singer seynd, und graust ihnen vor dem Chor, als hätten sie ein Haar darinnen gefunden, wie Pharao in der Semmel, wie dann einer auf eine Zeit scherzweis ist angeklagt worden, als hätte er eines andern sein neues Brevier aus dem, Chor entfremdet, dieser aber über solche ungegründete Anklag war nit ein wenig entrüst, dahero zu seiner besten Entschuldigung ausgesagt, er wolle es mit einem Eid betheuren, daß er schon 9 ganzer Wochen den Chor nie gesehen habe.

Ein solcher ist nit ungleich dem übelgesitteten Volk Israel, welches auch einen Eckel und Grausen hatte an dem himmlischen Manna. Ein solcher ist fast ähnlich einem Schwanen, der ein so abgesagter Feind des Singens, daß er niemal, außer kurz vor seinem End, einen Gesang hören läßt. Ein solcher ist natürlich wie ein Schneck, der niemals pflegt zu[402] singen, außer man legt ihn auf die Glut, dort aber ist es zu spat. Ein solcher ist nit viel besser, als der Judas (verzeiht mir's ihr Herren Geistliche!) dann er auf gleiche Weise sich von dem Chor und Psalliren abschraubet.

Pater Fulgents, warum so faulenz, und nit im Chor? o ich muß ausgehen, etliche, und gar wichtige Geschäfte zu verrichten. Euer Ehrwürden kommt mir vor wie der Rab in der Arche Noe; warum dieser gerechte Altvater solchen schwarzen Galgenvogel aus der Arche geschickt, und nit einen andern von weit bessern Qualitäten, wie da war der Adler, der Phönix, war die Ursach, als Noe in der Arche wollte das Fenster eröffnen, so ist der Rab der allererste und nächste dabei gewest, welcher mit schmeichelnden Gebärden, mit seinem steten Cra Cra, sattsam zu verstehen gab, daß er gern draußen wäre, dann ihm gar zu bang und zuwider, daß er also eingesperrt in dieser hölzernen Keuche solle leben, weilen dann der nächste an der Hand, also hat ihn Noe vor andern ausgelassen. Aber weit besser wäre es gewesen vor ihn, wann er wäre in seiner Clausur verblieben, dann daselbsten wäre er nicht unter die stinkenden Aas gerathen, bei welchem er seinen Untergang gefunden. Also ist es einem Geistlichen und Religiosen viel rathsamer, daß er zu Haus bleibe, dann ein solcher nur ein stattlicher Mann, wann er nit stattlich ist; will sagen, wann er in der Stadt nit viel ist. Solus und Salus sind Namen, und That halber nit weit von einander; Lauffen im Salzburgerland ist kein Ort vor einen Mönchen, wohl aber Zell in Steiermark. Ein[403] Religios soll eigenthümlich seyn wie ein Tempel, dem der Poet hinzu schreibt, nemini nisi Numini, Gott allein muß er zugethan seyn. Ad Chorum Pater Fulgenz, und nit ad Forum Pater Faulenz, kein anders Alpha und Omega, kein anders A und O gehört vor euch, als ChArus, ChOrus. Jene Geistlichen zu Haisterbach haben solche große Gnad nit gehabt auf der Gasse, wie sie gehabt haben im Chor, dann als sie auf eine Zeit in dem Chor andächtig psallirt, wobei sich auch einer gefunden, der selige Eustachius, hat die übergebenedeite Mutter Gottes, eine ganz große goldene Kron über das ganze Konvent vom Himmel herab gelassen, in der Höhe solcher Kron war ein sehr kostbares Kleinod, worauf folgende Worte geschrieben: »O clemens, O pia, O dulcis virgo Maria!« O gütige, O milde, O große Jungfrau Maria!

Pater Paul wie so faul, und nit im Chor? O ich muß studiren, der hl. Franziskus von Assis wurde einstmals befragt, ob seine Geistlichen auch sollen studiren? worauf er dann geantwortet, er sey gar wohl zufrieden, wann sie nur nach dem Exempel Christi, von dem man weiß, daß er mehr gebetet, als gestudiret, den Chor und die Betstunden nit verabsaumen. Sagt mehr, mein lieber Pater, wo? wann? und auf was für einer hohen Schul haben gestudirt die hl. Theresia, die hl. Katharina Senensis, die hl. Katharina de Pazzis, und viel andere mehr? welche auch wegen ihrer Lehr und Weisheit die vornehmsten Professores in Verwunderung gezogen? alle diese hatten keine andere Schul, als die Kirche und den Chor,[404] wie es dann vielmal auch bekennt hat der englische Lehrer Thomas von Aquin, daß er mehr gelernet habe durch das Beten, als durch das Studiren. Der heil. Prophet Ezechiel hatte auf eine Zeit ein sehr geheimnußreiches Gesicht, dann er sah einen Wagen, der von vier Thieren gezogen wurde, und zwar eines hatte ein Gesicht eines Menschen, das andere eines Löwen, das dritte eines Adlers, das vierte eines Ochsen. Ein andersmal sah er solchen Wagen wiederum, aber es war der Ochs in einen Cherubim verändert, durch solches Gesicht waren nun hohe göttliche Geheimnisse bedeutet, die ich dermal, weil es nit zu unserm Vorhaben dienet, mit Fleiß umgehe. Aber das war je wunderlich und seltsam, daß aus einem Ochsen ein Cherubim worden ist.

Wir Deutsche pflegen einen ungelehrten Menschen, in dessen Hirn Stroh und Stramen beisammen, einen Ochsen-Kopf zu nennen, wie dann also den hl. Thomam von Aquin seine sauberen Scholarn titulirt haben. Nun aber geschieht es nit selten, daß ein solcher Ochsen-Kopf in einen Cherubim verändert, und aus einem Idioten der vornehmste Doktor wird; der hl. Abt Romualdus, der hl. Antonius aus Egypten, der hl. Ravenatische Severus, der hl. Abt Joachimus, der hl. Laurentius Justinianus, der hl. Joannes Capistranus, und viel andere mehr seynd aus ungelehrten Leuten hochverständige Männer worden, durch kein anders Studium, als psalliren und beten. Also mein lieber Peter Paul, studiren ist irren, wann nit dabey ist das psalliren.

Pater Theodor, wie so schläferig im Chor? Euer[405] schläferiges Singen ist nit besser, als das Tractament, mit welchem der Loth die Engel gastirt. Die Engel kamen in Gestalt der Fremdlinge zu dem Loth, der ihnen dann, nach Gewohnheit, alle Ehr erwiesen, auch seiner Frau befohlen, sie solle aufsetzen, was die Kuchel vermag, aber arg und karg seynd die Weiber, bis in die Todten-Sarg. Diese Frau stunde in Sorgen, es möchten solche Gesellen öfter kommen, und schmarotzen, dann sie es nit als Engel erkennet, derentwegen in keine einige Speis ein Salz genommen, auf solche Weis gedachte sie, werden diese Gäste ein andersmal ausbleiben, und eben solle dieß eine Ursach seyn, warum nachmal wegen des Umschauen sie in eine Salz-Scheiben verkehrt worden; die eingemachten Speisen waren abgeschmach, weil kein Salz darinnen, die gebratenen Speisen waren abgeschmach, weil kein Salz dabey, die gebachenen Speisen waren abgeschmach, weil kein Salz darunter, mit einem Wort, das ganze Tractament war abgeschmach, und hatten die Gäste weder Lust noch Gust daran, darinnen, und dabey. Nit weniger ist abgeschmach, unwerth, grauslich, tadelhaft, widerwärtig, verdrüßlich, unangenehm, verwerflich, garstig, ungereimt und abscheulich in den Augen der göttlichen Majestät; ein schläferiges Singen, ein wurmstichiges Manna schmeckt besser als dieß, ein trüber Bach Cedron ist klarer als dieß, eine bittere Coloquinten der Propheten-Kinder, ist süßer als dieß, ein viertägiger Lazarus im Grab, riecht besser als dieß, ein solcher schläferiger Gottesdienst ist wie die Schlinge David, aber ohne Stein, ist wie die Harfe David,[406] aber ohne Saiten, ist wie ein Thurm David, aber ohne Schild.

Cäsarius schreibt, daß ihm ein hl. Abt selbst erzählet, wie daß unter seinen Geistlichen einer sich befunden, der gemeiniglich bei der Nacht in der Metten unter währendem Psalliren genapfetzt und geschlafen habe; nun aber sey einsmals dieß Wunder geschehen, daß der von Holz geschnitzelte Heiland, dessen Bildnuß in der Mitte des Chors gehangen, vom Kreutz sich herab gelöset, zu diesem schläferigen Mönch hinzugetreten, und ihm einen solchen harten Backenstreich versetzt, das er hievon den dritten Tag gestorben.

Im alten Testament wollte der allmächtige Gott, daß ihm die Menschen zur Dankbarkeit allerlei Thier im Tempel sollen aufopfern, aber nur keine Fisch, Ochsen und Kälber, aber nur keine Fisch, Gais und Lämmer, aber nur keine Fisch, Turteltauben und Spatzen, aber nur keine Fisch, dessen sich nit wenig zu verwundern, zumalen bey dem allgemeinen Sündfluß alle anderen Thier den Zorn Gottes mußten ausstehen, die Fisch aber allein von solcher Straf befreit gewesen; ja bei Erschaffung der Welt schwebte der Geist Gottes ober dem Wasser, als einem Losament der Fisch, und also die schwimmenden Gesellen zu allen Zeiten in großen Gnaden bei Gott gestanden, aber im Tempel wollte er sie nit annehmen für ein Opfer; warum? soll dann ein 8pfündiger Karpfen nit besser seyn als ein Spatz? darum hat Gott der Herr die Fisch verworfen von seinem Opfer, dann sie konnten nit lebendig gebracht, oder nit frisch geliefert werden in dem Tempel zu Jerusalem, und todte oder halb-todte[407] Opfer mag Gott nit, will Gott nit, schätzt Gott nit. Pater Theodor, wie seyd ihr im Chor? wie ein Fisch, der abstehen will, ihr gaumetzt, als wär die Thür des Mauls aus dem Angel gangen, ihr reißt immerzu die Goschen auf wie unser Haushüter, der heißt Melampus; ihr napfetzt mit dem Kopf, als wäre der Hals aus dem Leim gangen, ihr singet mit, aber wie? Euer Singen ist nit Singen, sondern Sinken, und also bei Gott kein wohlgefälliges Opfer, sondern mehr ein Abscheu. Christus der Herr wollte solches einmal sattsam zu verstehen geben, indem er einem dergleichen schläferigen Mönch in dem Chor erschienen, ihm aber nur den Rucken gezeigt, woraus abzunehmen war, daß ein solcher saumseliger Religios nit werth sey, sein göttliches Angesicht zu sehen.

Ihr Herrn Kanonici und Domherren, ihr Stiftherren, ihr Ehrherren (cum pleno et plano titulo), warum so selten im Chor? Petrus Abuskus, Petrus Telmus, Odo, und andere mehr, waren heilige Domherren, aber öfter im Dom, darum Kanonici zu kanoniziren. So viel ich merke, entschuldigt sich einer und der andere mit einer papierenen Exkusa, wie daß er eine Reis' habe nach Karthago, von dannen soll die Karten ihren saubern Ursprung haben. Ich bitte demüthig um Vergebung, daß ich so offenherzig rede. In den Geschichten der Aposteln liest man öfters, daß sie, der Seelen Heil zu suchen, gereist sind nach Pamphiliam, auch daselbst sich eine Zeitlang aufgehalten, wie da gethan hat Paulus und Barnabas, aber von dem Pamphyli hab ich nie was gelesen, wie kommt es denn? Es halten sich zweierlei[408] Vögel in der Kirche auf, die Schwalben, und die Nacht-Eulen, aber auf unterschiedliche Weise, dann die Schwalben befinden sich in der Kirche, singen aber auch daselbst, die Nacht-Eulen aber sind nur derenthalben allda, damit sie das Oel aus den Lampen saufen. Also findet man auch zuweilen einige, die nur das feiste Einkommen der Kirchen genießen, im übrigen weiter nit viel thun wollen.

Es gibt nit allein saubere Singer, saumige Singer, sondern auch sauere Singer, und diese seynd alle diejenigen, dero Gesang und Psalliren in den Ohren Gottes nit süß und lieblich, sondern sauer und widerwärtig erschallet, dergleichen ist ein geschwindes und überhupftes Singen, worinnen die Psalmen einen solchen Gallopp müssen laufen, daß sie kaum schnaufen können, und gar viel Worte in denselben zu kurz kommen. Nachdem die Apostel durch die frommen und andächtigen Weiber die Nachricht erhalten, daß Christus der Herr nit mehr im Grab liege, sondern von Todten auferstanden, da haben Petrus und Joannes alle beede angefangen zu laufen nach dem heil. Grab, aber Joannes, um weilen er jünger und besser bei Leibeskräften, ist dem guten Petro vorgeloffen. Man kann auch wohl glauben, daß sich Petrus des Laufens nit gar zu stark angenommen, weil er an der Weiberzeitung schier etwas zweifelte, dann unlängst vorhero ein Weib ihn hinter das Licht geführt, daß ihm auch der Hahn solches vorgerupft. Sey dem wie ihm wolle, es seynd doch beede geloffen, und war dieß ein heiliges und verdienstliches Laufen, benanntlich zwei Chör, daß ein jeder verlanget vorzulaufen, und solches[409] Laufen ist höchst sträflich, auch eine schädliche Aergernuß in der Kirche Gottes. Es seynd in dem einzigen Psalm Dixit Dominus etc. samt dem Gloria etc. hundert und sechs Wort, gar oft eilet man mit diesen also schnell fort, daß über dreißig Wort unterwegs bleiben, und muß ein Vers dem andern auf die Verse treten. Aber wehe euch Vorstehern der Kirchen, wann ihr um ein jedes vernachläßigte Wort, welches doch der heil. Geist selbst aufgesetzt, müßt zu seiner Zeit genaue Rechenschaft geben.

Jakobus a Vitriaco schreibt, daß auf eine Zeit einem sehr frommen und gottseligen Religiosen der böse Feind mit einem großen angefüllten Sack über die Achsel im Chor erschienen, derenthalben ihn der fromme Mann befragt, was er trage? worauf der Satan ganz trutzig geantwortet, er trage alle diejenigen Wort und Silben, welche die Mönch unter dem Psalliren auslassen oder abkürzen, und werde er einmal diese als vermessene Diebe anklagen, als welche dem Dienst Gottes und göttlichen Lob so viel heilige Wort entfremden und abstehlen. Deßgleichen hat Christus der Herr dem heil. Bischof Antoni mit ganz ergrimmtem Angesicht einen starken Verweis gegeben, daß sein Diakonus unter dem Psalliren bei dem Gloria Patri etc. wegen des gar zu starken Eilen das Wort Filio öfters ausgelassen. Hat es der König David für einen starken Affront aufgenommen, wie seinen Abgesandten der Hanon ihre Kleider zu einem öffentlichen Spott halb abgeschnitten, wie wird es erst dem allmächtigen Gott mißfallen, wann man ihm seine heil. Psalmodia, worinnen alles göttliche Lob und himmlische Geheimnisse[410] verfaßt seynd, durch unnöthiges Eilen so spöttlich abkürzet?

Saure Singer seynd auch diejenigen, welche zwar mit dem Maul psalliren, aber mit dem Herzen anderwärts vagiren, solche kommen mir vor, wie des Samsons Löw; dieser starke Held ging einsmals mit seinen Eltern nach Thamnatha, um willens, daselbsten mit Gutheißen seiner Eltern ein Weib zu nehmen, dann er ihm seines Gedunken nach schon eine Schöne ausgeklaubt, unterwegs aber, da er sich vom Vater und Mutter ein wenig abgesondert, traf er einen wilden und brüllenden Löwen an, den er alsobalden, kraft der von Gott ertheilten Stärke, wie einen kleinen Geisbock niederriß und umgebracht, nach etlich Tagen in seiner Zurückreis' vor Thamnatha hat er den todten Löwen noch auf dem vorigen Ort gefunden, und, was zu verwundern, in seinem aufgesperrten Rachen einen Bienenschwarm, welche bereits viel Honig gesammlet, wovon nachmals der Samson geessen, und auch etwas seinen lieben Eltern mitgetheilt. Dieser Löw hatte Honig im Rachen, Honig im Maul, und hat doch dessen Süße nit empfunden. Solchem sind ganz ähnlich und gleich viel, die im Chor und Kirche singen und psalliren, sie haben in ihrem Mund den edelsten Honig, benanntlich die heiligen Psalmen, worinnen eine himmlische Süßigkeit begriffen, aber sie empfinden hiervon nit das geringste in dem Herzen, weil nemlich dasselbige anderwärts vagirt, und nit im Chor sich aufhaltet. Wie mancher singt die Vesper, da unterdessen die Gedanken beim Spielen. Was hältst du von diesem, der also singt und also denkt: Dixit[411] Dominus Domino meo, heut gehen wir zum Herrn Leo; sede a dextris meis, heut werde ich gewinnen, das ist gewiß; Donec ponam inimicos tuos, gestern hab ich verspielt drei Maaß; Scabellum pedum tuorum, heut wird sich das Glück kehren um; Virgam virtutis tuae, was gilts, ich werd haben figuri tre; in Splendoribus Sanctorum ex utero ante luciferum genuite, sodann bezahlen mich alle; juravit Dominus, et non poenitebit cum, ich will sehen, daß ich bei Zeiten komm; tu es Sacerdos in aeternum secundum Ordinem Melchisedech, sauf ich zum meisten, und sie bezahlen die Zech; Dominus a dextris tuis, schau, daß wir eine Gans jagen an den Spieß; confregit in diae irae Suae Reges, eine gute Jausen ist nit bös etc. Was hältst du von einem solchen, der also singt und also denkt? was hält Gott von einem solchen Gesang? das, was er einsmals durch den Propheten Amos geredet hat: »Auffer a me tumultum Carminum tuorum, thue mir hinweg das Getümmel deiner Lieder, mir ist dein Gesang ein Gräuel in meinen Ohren.« Was hält der böse Feind von einem solchen Psalliren? Solche laue Religiosen haben ihre Psalmen und Tagzeiten mit solchen umschweifenden Gedanken auf eine Zeit also verbracht, daß es den Teufel selbsten verdrossen, dahero er in einer erschrecklichen und wilden Gestalt in Mitte des Chores erschienen, mit einem Rauchfaß, worinnen nichts als Schwefel und anderer unleidentlicher Gestank; mit diesen thäte er die sauberen Mönche incensiren, und sagte anbei: »zu einem solchen Gesang gehört ein [412] solcher Weihrauch.« Der heil. Bernardus sagt es lateinisch, wie du und ich und andere beschaffen: »In choro sum corpore, et in aliquo negotio sum corde, aliud canto, et aliud eogito, Psalmodiae verba profero, et Psalmodiae sensum non attendo, sed mente vagus, habitu dissolutus, oculis attonitus huc et illuc prospiciens, quaecunque ibi geruntur perlustro, et perspicio, vae mihi! quia ibi pecco, ubi peccata, emendare debeo.«

Neben allem diesem schleichen noch andere ohne Form und vermessene Fehler ein unter dem Gesang des Chors und Kirchen, welches allen Obrigkeiten zu verbessern möglichst obliegt, wann sie nit samt denjenigen Untergebenen wollen die Straf Gottes zu gewarten haben.

Moses hat das guldene Götzenkalb gar zu Pulver verbrannt und zermalmen, und damit man demselbigen Staub und Pulver auch keine Ehr anthäte, wie er etwann geforchten, hat er solches in ein rinnendes Wasser geworfen, dann es war vor Gott und ihm ein vermaledeites Pulver.

Keinen bessern Titel noch Prädikat verdienet auch das dermalen in Schwang gehende Tabackpulver, wenigst dazumal, wann man selbiges in Chor und Kirchen, welches leider oft geschieht, unter dem heiligen Gesang und Gottesdienst, wobei die Engel ehrerbietigst aufwarten, so unnöthig mißbrauchet.

In Egypten waren vor diesem 20 große Städt, unter denen die Hauptstadt Heliopolis, wohin Christus der Herr in seiner Kindheit, wegen der Tyrannei[413] Herodis, seine Flucht genommen; sobald dieses göttliche Kind in benannter Stadt angelangt, sind alsobald die steinernen und metallenen Götzenbilder alle zu Boden gefallen, und zu Trümmern gangen, deren waren an der Zahl 365, dann die Egyptier alle Tag einen andern Götzen verehrten; die Pfaffen aber dieser Götzen haben den Taback, von dem erst gemeldet worden, aufgebracht, ob es also rühmlich steht, daß unsere Geistlichen in die Fußstapfen treten dieser Götzenpfaffen, laß ich es eines jeden reisen Verstand über.

Wie in der Hauptstadt Lima in dem Königreich Peru eine besessene Person einen gottseligen Pater Dominikaner beschworen, auch den bösen Feind mit aller Gewalt dahin getrieben, daß er dieses Gott gewidmete Losament mußte verlassen, hat dieser höllische Gast in dem Abfahren folgende Wort hören lassen: »Weil du mich verjagest von Lima und Peru, so will ich dir zu einem Spott den Taback bringen nach Europa.«

Vor wenig Jahren in der Stadt Paris wurde der Satan aus einem besessenen Menschen befragt, wer, und wie sein Name sey? Basta saper, sagte er, es ist schon genug, daß man weiß, daß ich derselbige Teufel bin, der aus Armenia den Taback nach Europa überbracht. Dahero ist es kommen, daß der Papst Urbanus VIII. in einer Bulla, datirt zu Rom den 30. Januarii An. 1642, und Innocens X. in einer andern Bulla An. 1650, unter der Straf einer Exkommunikation und geistlichen Banns verbieten, den Taback in der Kirche und dem Chor zu nehmen, ob zwar bemeldte Bulla nur begreift die Kirchen zu Sevilien[414] und selbige Diözes, wie auch die Hauptkirche zu Rom bei St. Peter, so wollen doch etliche hocherleuchtete Lehrer, daß hierunter alle Kirchen der ganzen Christenheit verstanden seyen, massen Ihro Heiligkeit Ziel und Weinung war, solchen Unform aus allen Kirchen, Chören und Gotteshäusern zu vertreiben. Solle nun der stete Mißbrauch auch der verderbten Natur schon einen solchen Zwang angethan haben, daß sie es ohne Schaden, wie nit leicht zu glauben, nit lassen kann, wenigst verschone man den Chor und Kirchen, allwo die Psalmodia mit inniglichster Ehrerbietsamkeit und Heiligkeit soll vollzogen werden.

Unter die sauren Singer sind auch zu zählen diejenigen, welche an ihrem Gesang im Chor und Kirchen eine eitle Ehr und Menschenlob verlangen. Es glauben etliche, sie singen so lieblich, daß auch die Engel im Himmel die Fenster aufmachen, und ihnen zuhören, sie bilden ihnen ein, daß sie auch mit der besten Nachtigall nit möchten Zunge tauschen. Ei daß euch der Sautreiber Bärnzucker genug zu eurer Stimm spendire. So höre ich wohl, so singet ihr in der Kirche nit, Gloria in Excelsis Deo, oder Gloria Patri et Filio etc. Ihr singt nit, Glorie und Ehr sey Gott in der Höhe etc., Ehr sey Gott dem Vater, und dem Sohn, und dem heil. Geist etc., dieß singt ihr nit; wohl aber, Glorie und Ehr sey mir in der Höhe des Chors, Ehre sey mir, meinem Gesang, und meiner Stimm, sicut erat in principio, et nunc, et semper etc. Dergleichen Singer seynd die größten Dieb, so einmal gesunden werden,[415] Dieb seynd sie, weil sie Gott die Ehr und Glorie, so ihm allein gehörig und zuständig, und keinem nichtigen Erdwürmlein vermessentlich abstehlen.

Gottschalkus erzählet eine fast lächerliche Geschicht, wie Gott einen solchen pravirenden Singer zu Schanden gemacht. Dieser hielt über alle Massen viel auf seinen Gesang, glaubte schier, daß er, trutz dem Arion, mit seiner Musik auch die Delphinen aus dem Wasser, wenigst die Stockfisch locken könnte, aber Gott, nach altem Gebrauch, machet keine mehr zu Schanden, als die Stolzen, die so gern wollen gelobt werden. Laus, Lappen und Lob, halten fast eine Prob. Wie erstbenannter Signor auf eine Zeit die Präfation in der heil. Meß, seiner Meinung nach, sehr schön und lieblich auf eine Zeit gesungen, auch des Glaubens war, die ganze Kirch sprech ihm derenthalben nit ein geringes Lob nach, aber Gott hat ihm die Stimm also verfälscht, daß er überdrüßig allen Anhörenden worden. Unter andern aber, nächst dem Altar, kniete ein altes Weib, welches dergestalt weinte, daß eine Zäher an die andere geschlagen. Dieser einbilderische Cantor glaubte unfehlbar, daß durch seine liebliche Stimm die arme und fromme Matron also bewegt worden, fragt demnach bald nach dem Gottesdienst, in Gegenwart mehrer, besagtes Weib, warum sie also herzlich geweinet hätte? er hoffte gar gewiß ein stattliches Lob, nach dem ihm die Zähne gewässert; ach, gab sie zur Antwort, mein lieber Herr, wie ihr also gesungen in der Kirche, so habt ihr mich gemahnet an meinen Esel, den ich leider vor drei Tagen, ich arme Haut, verloren, dann eure Stimm[416] war natürlich wie die seine, du lieber Gott, wann ich halt das arme und mir so nutzliche Thier wieder finden möchte! Solches machte den stolzen Singer, so durch seinen Gesang nur eignes Lob und Ruhm, und nit Gottes Ehre suchte, vor allen schamroth und zu Schanden. So heißt es dann psallite sapienter, wie David sagt, und nit stulte, wie dieser sauere Singer.

Die letzte Klasse der Singer ist sehr angefüllt, und werden diese nit saubere Singer, nit saumige Singer, nit saure Singer, sondern Säu-Singer genannt, und seynd diese diejenigen, welche mit ihren unkeuschen Liedern und wilden Zottengesang alle ehrlichen Ohren beleidigen. Der ehrwürdige Beda schreibt, wie es auslegt Lyranus, daß vor diesem unterschiedliche Thore und Pforten zu Jerusalem gewesen, wie es bei Esdra zu lesen; unter andern ist ein Stadtthor gewest, das hat geheißen porta Sterquilinii, das Mistthor, weil man nemlich allen Mist und Unflath durch dieses Thor ausführte, in den Bach Cedron.

Unverschämte Mäuler, ungewaschene Goschen, durch welche öfters unflätige Lieder und stinkende Buhlergesänge ausgehen, sind nit um ein Haar besser, als dieses Mistthor; pfui der Schand! daß ein Christ freventlich ist, und darf seinen Mund, welchen er in der Kommunion an die Seite Jesu hinzusetzt, und das göttliche Blut heraus sutzlet, mit solchem verdammten Wust anfüllen; mir kommen solche Luder vor, wie die Kothkäfer, deren einiger Lust und Gust ist, ihren Schnabel im Koth und Mist herum zu walzen. Nit weniger beleidigen Gott solche vermessene Zungen oder[417] Schänder und Schinder der Ehrbarkeit, als gethan haben die muthwilligen Juden dieselbige Nacht, in dero der Heiland Jesus gefangen worden, massen die mehresten aus ihnen solche Nacht ohne Schlaf zugebracht, auch vor lauter Freuden, um weil sie diesen in Band und Eisen geworfen, mit häufigem Wein sich berauscht, und allerlei ungereimte Gesänge hören lassen, ja ganze Lieder über Jesum gemacht, und die Nacht hindurch gleichsam chorweis gesungen und geschrien, et in me psallebant, qui bibebant vinum.

Einem Bauren in Tyrol ist ein lächerlicher Possen widerfahren, weil derselbige öfters gehört, auch etwann gesehen, daß man bei Herren-Tafeln auch Schnecken pflegte zu essen, also ist seine Lust und Appetit auch nach solchen Schlecker-Bißlein, wie ers ihm eingebildet, gestanden, demnach eine ziemliche Quantität dergleichen Häuseltrager nach Haus gebracht, und selbige ohne ferners Kochen oder Braten im Salz und Pfeffer eingedunkt hinabgeschluckt, weil ihn aber auch ein großer Durst ankommen, also nahm er seinen Weg in das Wirthshaus, allwo er bei dritthalb Maas Wein sich also berauscht angetrunken, daß er sich gleich auf die Ofenbank niedergelegt, und gar sanft eingeschlafen; es stund aber nit lang an, daß eine artliche Comödie sich ereignet, dann wie der berauschte grobe Gesell das Maul in alle Weite aufgesperrt, und erschrecklich geschnarcht, da haben zugleich die Schnecken in diesem Saumagen Luft bekommen, theils von der Wärme des Ofens gezogen, haben diese rotzigen Kerl ihren Ruckmarsch angestellt, einer nach dem andern herauf, und zu dem aufgesperrten Maul als durch eine[418] offene Pforte hinausgekrochen, welches allen Anwesenden theils ein Gelächter, theils einen Grausen verursachte, indem sie sahen, wie diese wilden Rotzer aus dem rothen Weinbad ganz naß herauf gestiegen, wie einer nach dem andern über den Steg der Zunge gemarschirt, wie sie zwischen den Pallisaden der Zähn herausgeschlichen, wie sie über den Wall der schmotzigen Lefzen sich herunter gelassen, wie sie in ungleicher Ordnung über die Flache des Gesichts krochen, und allerseits dergestalten rotzige Fußstapfen nach sich gelassen, daß die verspieglete Larve einem glassirten Essigkrug nit ungleich sah. Es reterirten sich die meisten aus ihm auf die Ofenstängel hinauf, und hangten nit anderst droben, als wie die Noten in den musikalischen Linien. In Summa, abscheulich war zu sehen solche lebendige Braten aus dem Maul marschiren.

Weit aber schändlicher, ja unvergleichlich wilder und grauslicher ist zu sehen, wann einem Menschen, der nach Gottes Ebenbild erschaffen, aus dem Mund so wilde Zotten, so unverschämte Reime, so garstige Wort durch Gesang und Lieder ausbrechen; wann der Mund, so von Rechtswegen soll seyn eine Kanzlei der göttlichen Lobsprüch, wird gemacht zu einer stinkenden Mistbutte; wann der Mund, so Gebühr halber soll seyn eine Harfe David, wird verkehrt in einen unflätigen Sautrog; wann der Mund, so ein sauberer Saal soll seyn, worinnen unter der Gestalt des Brods der wahre Gott einkehret, dahero Mund von dem mundus, auf deutsch sauber herkommt, wird gemacht zu einem Stall, in welchem lauter Gestank und Wust gefunden wird. Hat jener Hauptmann zu Kapharnaum[419] nit wollen, daß unser lieber Herr in seine Wohnung komme, aus Ursachen, weil er geforchten, es möchte nit recht geputzt und aufgeraumt seyn, wie es pflegt zuweilen in dergleichen Häusern vom Taback zu schmecken, was Frechheit thut dann dich sündiges Adamskind veranlassen, daß du getrauest auf deine Zung, die mit lauter Unlauterkeit beschmieret, mit Buhl- und Fatzpossen verunreiniget, denjenigen zulegen, der Himmel und Erden erschaffen, der da richten wird die Lebendigen und die Todten.

Erschrecklich, und zwar ohne Barmherzigkeit werden in jener Welt dergleichen Wust- und Lasterzungen gestraft von der gerechten Hand Gottes. Der heil. Cyrillus schreibt von einem seiner Vetter, der ein junger Mensch war von 18 Jahren, wie daß solcher die böse und lästerliche Gewohnheit hab an sich gehabt, daß er mehrmalen bei Spiel und Tanzen unzüchtige Lieder gesungen, nach dem Tod aber, so frühzeitig war, sey er ihm in seinem Zimmer mit einem unleidentlichen Gestank, an feurige Ketten gebunden, erschienen, dem zugleich auch Flammen und Funken aus Nasen und Ohren häufig gestiegen, auch anbei vermeldet, daß er ewig verdammt sey, um weilen er im liederlichen Liedersingen sich versündiget.

Mendoza schreibt, daß Gott der Allmächtige einem frommen und heil. Mann die Pein der Hölle gezeigt habe, wie nun dieser Diener Gottes solche Qual und Tormenten ganz genau erwägte, da vermerkte er, daß ein elender Mensch mit großem Getös und Getümmel der Teufel in solche ewige Flamm geschleppt wurde, er sah, daß ihm gleich anfangs diese höllischen Larven[420] am Hals, Händ und Füß an die glühenden Ketten gefesselt, nachdem vermerkte er, daß sie ihn auf ein ganz feuriges Bett gelegt, mit dem schimpflichen Vorwurf, er sey sehr matt und müd worden, bedarf also einiger Erquickung; nachdem so gossen sie ihm einen Becher ins Maul, mit Feuer und Schwefel angefüllt, sodann thäten die bösen Feind sämtlich ihn zwingen, er solle nun ein hübsches Lied singen, dann ihnen gar zu wohl bewußt sey, was Schnacken und unzüchtige Zotten er auf der Welt gesungen, worauf der Verdammte sich möglichst entschuldigte, wie daß er könne singen, weil ihm der Schlund voller Pech und Schwefel, du mußt singen, sagten sie, du würdest ja in so kurzer Zeit deine sauberen Lieder nit vergessen haben, wodurch du Groß und Klein manche Aergernuß gegeben, sing, Bruder sing; sing von der grünen Au, sing von der verliebten Frau, sing von der wilden Sau, sing, Bruder sing; singen kann ich nit, gab er mehrmalen zur Antwort, aber Heulen und Klagen wohl. So sey es, sagten die verdammten Geister, wohlan, mach den Anfang; worauf er, vermaledeit sey der Tag, an dem ich geboren, vermaledeit mein Vater und Mutter, die mich erzogen, vermaledeit die Wollüste der Welt, in die ich mich vertieft, vermaledeit die Freund, die mich verführt; das ist noch nit genug, sagte der Teufel, fahre weiter fort; ei so sey auch vermaledeit, schrie der elende Tropf, vermaledeit sey auch Gott, der mich erschaffen, vermaledeit sey auch Gottes Sohn, der mich erlöst, vermaledeit der Richter, der mich verdammt etc. O Gott, wer entsetzt sich nit ob solchen erschrecklichen[421] Gotteslästerungen! wem schauret nit der Buckel ob solchen unendlichen Peinen! Aber merkts wohl, merkts wohl, ihr unbehutsamen Weltmenschen, denen zuweilen eine leichte und geringe Sach gedunkt zu seyn, mit einem und andern Scherzlied die Ohren zu kitzlen, merkts wohl, daß dieses elenden verdammten Gesellen meiste Ursach seiner Verdammnuß gewesen sind, die unkeuschen Lieder, so er pflegte zu seinem und des Nächsten Untergang zu singen. Solche Säu-Singer haben keine andere Belohnung um ihre Musik, als diese.

Einem Studenten ist vor etlich Jahren nit gar unrecht geschehen; dieser prahlte mehrmalen, daß ihm in der Musik, sowohl Stimm als Instrumenten halber, keiner gleiche; dieser, in Begleitung eines andern Wohlbekannten, machte auf eine Zeit einer ehrlichen Jungfrau unter dem Fenster bei nächtlicher Weil eine Musik, worunter er mancherlei ungereimte Zotten einmischte, welches dann den keuschen Ohren dieses ehrlichen Mägdleins also mißfallen, daß sie hierüber einen billigen Zorn gefaßt, und nit allein eine unflätige Lauge ihm über den Kopf gossen, sondern auch seinen Buckel mit großen und gewichtigen Ziegeltrümmern also begrüßt, (o wie recht!) daß ihm auch die Stimm verfallen; worauf der Kamerad in diese Wort ausgebrochen: »Bruder, du bist ein stattlicher Musikant, dann so viel ich weiß, sagen die Poeten, daß der Amphion der beste Musikus sey gewest, als der auch mit seiner Musik die Stein und Felsen bewegt habe, anheut aber erfahre ich, daß du mit deiner Musik nit allein die Stein und Ziegel auf dem Dach, sondern[422] sogar das Element des Wassers bewegt etc. O wie recht ist es dießfalls geschehen, es wäre zu wünschen, daß man zu einer jeden solchen Musik einen solchen Takt möchte geben.

In diese letzte und letziste Klasse der Singer gehören auch die Weibsbilder, welche ihre helle, aber zugleich höllische Stimm in allerlei Liebs- und Buhlliedern hören lassen, worin der kleine Cupido mit seiner annehmlichen Tyrannei umständig beschrieben wird, und diese sind des Teufels rechte Lockvögel, als welche so manches schwache Gemüth, der ohnedas schlüpferigen Jugend, in sein verdammtes Netz bringen. Das allgemeine Heulen der ganzen Welt solle, wie Theodoretus vermerkt, von solchem Weibergesang hergerührt haben; dieß allgemeine Heulen war zur Zeit der Sündfluß, wo nemlich der erzürnende Gott der ganzen Welt den Kopf gewaschen, außer 8 Personen, dann er sah, daß die Menschen in lauter Fleisch und Wollüsten sich herum walzten, und solle, wie obbenannter Scribent bezeugt, solche allgemeine Ueppigkeit ursprünglich herkommen seyn von des Kain seinen saubern Töchtern, welche von dem Thubal, als dem allerersten Musikanten und ihrem nächsten Anverwandten, haben singen gelernet, nachmals nichts anderst, als lauter Buhllieder aufgesetzt, solche an allen Orten und Enden hören lassen, wovon die unbehutsame Jugend also entzündet, daß hernachmals das gesamte menschliche Geschlecht von solcher Sucht ist angesteckt worden. Omnis caro corruperat viam suam.

Gewiß ist es, das die heil. Maria aus Egypten in ihrem bußfertigen Wandel, den sie in der Wüste[423] und Einöde geführt, nichts mehrers beweint, als daß sie mit ihren frechen Liedern so manchen ins Verderben gezogen. Gewiß ist es, daß des seligen Patris Damiani Schwester erschreckliche Pein und Tormenten in dem Fegfeuer mußte ausstehen, um weil sie nur einmal ein solches Lied hat angehört, ohne sonders Mißfallen. Gewiß ist es, daß ihr Herren und Frauen dem gerechtesten Gott einmal harte Rechenschaft geben müßt, wann durch eure Zulassung von Mägden und Dienstboten in eurem Haus dergleichen Lieder und Luder gesungen wird. Merkts wohl!

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 4, S. 390-424.
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