Judas Iscarioth macht aus dem Stehlen eine Gewohnheit, welche er nit mehr hat lassen können.

[33] Es war Judas schon eine geraume Zeit ein geheimer Dieb, und führte dieser Fuchs (wann er doch soll einen gleichfarbigen Bart haben gehabt) einen steten Greifen in seinem Wappen; welches dann der apostolische Beutel ziemlich erfahren, und das Almosen, so dem heiligen Collegio gutherzig mitgetheilt worden, fast einen ärgeren Wurm gelitten, als des Jonas seine Kürbis-Blätter; welches dem Herrn Jesu höchst mißfallen, daß er in seinen apostolischen Zwölfen einen habe, der das siebente Gebot so gewissenlos übertrete. Wessenthalben der gebenedeite Heiland den Judam etlichmal ganz alleinig beiseits geführt, ihm in aller Still, damit sein guter Name im mindesten nicht angegriffen werde, mit aller Sanftmuth eine Ermahnung geben: Sieh, mein lieber Apostel Juda, ich hab' dich aus grundloser Gütigkeit zu so hohen Würden erhoben, daß du auch kraft meiner allmächtigen Mitwirkung große Wunder und Miracul zeigest, deßwegen es sich auch geziemet, daß du andern mit gutem Exempel vorgehest; nun[33] aber spüre ich das Widerspiel, indem du ohne einige Forcht Gottes zum höchsten Nachtheil deiner Seele das Gewissen mit öfterem Diebstahl überladest: gedenke doch, was genaue Rechenschaft du am jüngsten Tag mußt ablegen! Judas hörete solche mildherzige Ermahnung mit unterschlagenen Augen, und versprach jedesmal ganz guldene Berg, daß er sich mit dem Silber nit mehr will vergreifen, sondern hinfüran ein treuer Apostel, wie es sein sein heiliges Amt erforderet, beharrlich verbleiben. – Es stund aber eine kleine Zeit an, so hat er mehrmalen kleine Finger gemacht und noch kräftiger gestohlen, als zuvor; dann er hatte es schon gewohnet und konnte es nit mehr lassen.

Der Israeliten ihre Kleider haben 40 Jahr in der Wüste gedauert, und ist nicht ein Faden an ihnen versehrt worden: das waren dauerhafte Kleider! Die Kleider des hl. Apostels Bartholomäi seynd 25 Jahr also neu geblieben, als hätte er sie den ersten Tag angezogen, da er doch in allem Regen und Ungewitter selbige getragen: das waren dauerhafte Kleider! Der hl. Apollonius lebte 40 Jahr in der Wüste Thebais, und diente Gott mit größtem Eifer. In währender dieser langen Zeit tragte er ein einiges Kleid, so doch nie eraltet noch zerrissen: das waren dauerhafte Kleider! Die Kleider, welche 50 ganzer Jahr der hl. Eremit Abraham am Leib tragte, seynd nie abgeschaben, noch weniger an einem Fetzen verletzet worden: das waren dauerhafte Kleider! Die Kleider des hl. Bischof Meinuverei haben 340 Jahr in dem Grab unter der Erde also gedauret, daß sie[34] nach so vielen Jahren ganz neu seynd erfunden worden: das waren dauerhafte Kleider! Die Kleider des hl. Bischof Attonis, des hl. Königs Eduard, des hl. Martyrers Ferreoli, des hl Amandi, des hl. Bennonis, des hl. Vulstani, des hl. Cuthberti, des hl. Franzisci, des hl. Xaverii, der hl. Theresiä seynd so viel Jahr unter der Erden, auch im frischen Kalk unversehrt geblieben: das waren dauerhafte Kleider! Aber ich weiß ein Kleid, das ist zwar nit heilig, wie diese, aber noch dauerhafter als diese, es ist gar von Eisen, welches der Teufel selbst geschmied't, und wird genennt eine eiserne Pfaid.

Das hl. Evangelium bezeuget, daß die Mörder jenen armen Trvpfen, so von Jerusalem nach Jericho reiste, haben neben großen Stöß' und Wunden nit allein das Seinige hinweg genommen, was er in seinem Ranzen tragte, sondern sogar seine Kleider ausgezogen. Ob sie ihm wenigstens das Hemmet gelassen, stehet im Zweifel. Ich aber wollte wünschen, daß ich auch manchen könnte das Hemmet ausziehen welches die Deutschen an den mehristen Orten ein Pfaid nennen: verstehe hierdurch die böse Gewohnheit, so da im gemeinen Sprichwort eine eiserne Pfaid benamset wird, weilen sie nemlich gar zu lang dauert und gar selten zerrissen wird! [35] Adolescens juxta viam suam, etiam cum senuerit, non recedet ab ea.

Der mehresten Lehrer Aussag ist, daß die Höll sey in dem Centro oder Mittelpunkt der Erden, und liege ganz gerad unter der Stadt Jerusalem; massen der Psalmist sagt: Operatus est salutem in medio terra. Auch solle auf dem Berg Kalvariä linker Hand, wo der böse Schächer ist gekreuziget worden, noch ein großer Ritz oder Loch mit Blut besprengt zu sehen seyn, wodurch gedachter Mörder mit Leib und Seel sey in die Hölle gestürzt worden. Also – schreibt neben andern Brocard – aus dem solle fügsam zu schließen seyn, daß die Höll, dieser Kerker der Verdammten, unterhalb liege. Wann die Höll, dieses peinliche Folterhaus, sey erschaffen worden, stimmen die Scribenten nicht allerseits überein: massen etliche vermeinen, die Höll sey den ersten Tag, andere den dritten Tag erschaffen worden von Anbeginn der Welt. Dem sey, wie ihm woll. In der Höll ist begraben worden der reiche Prasser, welches zu Genügen aus dem hl. Evangelio abzunehmen, und sobald der unglückselige Mensch dahin kommen, hat er gleich die Zung aus seinem Rachen heraus gestrecket und ganz weheklagend zu dem Abraham, in dessen Schoß der Lazarus ruhete, um einige Erquickung aufgeschrieen wegen seines unleidentlichen Dursts. Welches ja zu[36] verwundern, daß er nichts anderst klagte, als den Durst, zudem alles an ihm gelitten. Dann es war Feur an ihm, es war Feur in ihm, es war Feur ober ihm, es war Feur unter ihm, es war Feur neben ihm, es war Feur um ihn, daß also der Kopf im Feur, der Hals im Feur, die Schultern im Feur, der Leib im Feur, die Füß im Feur, und folgsam hat er am ganzen Leib gelitten. Warum beklagt er sich dann allein wegen des Dursts? Es hat das Gesicht gelitten, um weilen er mußte anschauen die höllische Larve, welche dergstalten abscheulich, daß die hl. Gertrudis beschlossen, lieber bis auf den jüngsten Tag mit bloßen Füßen auf glühenden Kohlen zu gehen, als nur augenblicklich solcher satanischer Ungestalt ansichtig zu werden. Es hat das Gehör gelitten theils ob dem Zwitschern der höllischen Schlangen, theis ob der Verdammten unaufhörlichem Rufen: ach wehe ewig! ach wehe ewig! ewig! Es hat der Geruch gelitten wegen des aufsteigenden Schwefel-Dampfs aus dieser höllischen Pfütze; wie dann auch muthmaßlich ist, daß aller Gestank und Unflat der Erde in die Hölle rinne. Es hat die Fühlung gelitten, dann der Leib nichts als Flammen, Feuer-Funken empfunden. Dannoch ungeacht dessen beklagt sich dieser armselige Tropf nur wegen der Zunge und des Dursts. Verwundere dich dessen aber nicht zu stark, sondern gedenke, daß die böse Gewohnheit eine eiserne Pfaid! Was[37] der Erz-Schlemmer auf der Welt hat gewohnt, das hat er sogar in der Höll nit gelassen. Epulabatur quotidiè splendidè: er war ein unmäßiger Saufer, Vormittag nit nüchtern, Nachmittag rauschig, bei der Nacht voll, er war ein lauterer Weinschwurm, ein Weinschwemmer, ein Weinschwimmer, ein Weinschweller, ein Weinschwender, und also gewohnt das Saufen, daß er auch in der Höll nur zu trinken begehrt. –

So gehts: wann man einmal ein Laster gewohnt hat, selbiges kann man so leichtlich nit abgewöhnen. In die Luft bauen ist umsonst bauen, auf Sand bauen ist umsonst bauen, ins Wasser schlagen ist umsonst schlagen, einen Mohren waschen ist umsonst waschen, einen dicken Baum biegen ist umsonst biegen, einen alten Schaden kuriren ist umsonst kuriren, eine böse Gewohnheit als eine eiserne Pfaid zerreißen ist umsonst zerreißen. Usitata culpa obligat mentem, ut nequaqum surgere possit ad poenitudinem.

Der Lamech, des alten Methusalems Sohn, hatte zwei Weiber, eine hat geheißen Ada, die andere Sella. Sella soll ein jedwedes rechtschaffenes Weib heißen; denn Sella zurück gelesen heißt alles. Nemlich alles soll ein Weib haben, was die Tugend von ihr erfordert. Dieser Lamech war also dem Hetzen und Jagen ergeben, daß er die mehreste Zeit in[38] Wäldern und grünen Auen zugebracht. Endlich ist er wegen des großen Alters ganz blind worden, so viel schier als nichts gesehen, derenthalben er einen eignen Jung gehalten, den ihn mußte führen. Auf einen Tag gingen diese zwei aus. Der Alte vermerkt hinter einer Hecke oder Gebüsch ein kleines Geräusch, fragt den Jungen, ob er auch etwas wahrnehme? Ja, antwortet der Bub, alleinig sehe er nur, daß sich das Gesträuch bewegt ohne was anders. Lamech vermuthet nit anders, als daß ein Wildstück hinter der Hecke halte. Läßt sich demnach den Bogen spannen, und selben auf gedachten Ort richten, druckt den Bogen ab und trifft – was? nit ein Wildstuck, wohl aber einen wilden Sünder, den Kain, welcher sich daselbst verborgen. Solcher unvermutheter Todschlag an seinem Vetter hat ihn also verwirrt gemacht, daß er sich halb unsinnig von aller menschlichen Gesellschaft entäußert, nur in Wildnüssen und Einöden seine Wohnung gesucht. Warum daß der alte Schaf-Kopf Lamech das Jagen nit unterwegs hat gelassen, zumalen er aller blind? Krumm seyn und einen Boten abgeben reimt sich nicht; contract seyn und einen Organisten abgeben schickt sich nicht; stumm seyn und einen Musikanten abgeben ist nit möglich; thörisch seyn und einen Beichtvater abgeben kann nit seyn; blind seyn und einen Jäger abgeben kann auch nit seyn. Weilen aber der Lamech das Jagen und das Hetzen gewohnt hat in der Jugend, die Gewohnheit aber[39] eine eiserne Pfaid: so hat es der alte Rotzer auch im Alter nit lassen können.

Wer ein schlimmer Jäger ist von Jugend auf, salva venia ein Huren-Jäger, der wird es auch im Alter nicht lassen. Glaub du mir, die Gewohnheit ist eine eiserne Pfaid! Wer viel Jahr ist Magdeburger, der wird nie werden ein Reinfelder; wer viel Jahr ist der Venus ihr Candidatus, der wird mir selten werden ein Candidus; wer viel Jahr wird cyprisch leben – dann aus dieser Insel Venus gebürtig – der wird niemalen cyprianisch werden: Mit einem Wort, Lamech war ein Dendl-Jäger in der Jugend, und hats nit gelassen in dem Alter, du oder ein anderer bist ein Diendl-Jäger in der Jugend, werdest auch nit lassen im Alter! Die Gewohnheit ist eine eiserne Pfaid.

Lächerlich ist es, was ein Poet dichtet, und phantasirt von einer Katze eines Schusters. Diese Katz war schneeweiß und dem Meister Paul absonderlich gar angenehm, um weilen diese pelzene Mausfall die Mäus' und alles schädliche Ungeziefer aus dem Weg geraumet. Die Mäus' als verstohlene Mauser[40] beklagten sich dessen nicht wenig, daß sie einen so tyrannischen Feind haben, und halten mehrmalen dessenthalben eine Zusammenkunft, reiflich berathschlagend, wie doch größerem Uebel vorzukommen sey; sonst seyen sie gezwungen das Logement zu quittiren, und endlich ihre harte Nahrung auf dem Feld zu suchen. Die Sach wurde letztlich beschlossen, man solle eine Allianz eintreten mit des Meisters Paul seinem Haushund, auch zu diesem End' ein Schreiben und Missiv verfertiget worden, worinnen gedachter Coridan zur guten Verständnuß möchte gezogen werden; alsdann werde dieser tapfere Haus-Wächter ihrem Feind wohl gewachsen seyn. Unterdessen, als solches Schreiben im Werk war, so ist der Katze ein Unglück widerfahren, indem sie unvermutheter Weis' in ein Schaf gefallen, welches voll mit Schuster-Schwärze, wodurch der weiße Kader ganz kohlschwarz worden. Wie nun ein Paar Mäus' als Gesandte dem Haushund den Brief zu überbringen wirklich unterwegs waren, und aber wahrgenommen, daß die weiße Katz wider alle Hoffnung schwarz daher gehe, haben sie eilends in der Sache ihre Prinzipale bericht, unter welchen dann ein ungewöhnlicher Jubel- und Freudenschall entstanden. Denn alle Mäus', alle, alle waren der unfehlbaren Meinung, es sey die Katz in ein Kloster[41] gangen, und habe eine schwarze Kutte angelegt; wessenthalben sie ohne Zweifel jetzo nicht mehr wird dörfen Fleisch essen, sey also hierdurch den armen Mäusen das freie Passiren wiederum; wie sie dann haufenweis aus ihren Löchern heraus geschlichen. Sobald aber die Katz diese freche Bursch' ersehen, hat sie deren etliche erlegt, die übrigen aber sich bekümmerlich mit der Flucht salviret und mit größtem Schaden erfahren, daß wahr sey und wahr bleibe das gemeine Sprichwort: Die Katz läßt das Mausen nit. Es ist ihre Natur. Die böse Gewohnheit ist nit allein eine eiserne Pfaid, sondern auch eine andere Natur, welche sich nit mehr läßt verbesseren.

Wer seynd jene gewest, welche Susannam als einen lebendigen Tempel Gottes wollten räuberisch verunehren? wer seynd jene Geier gewest, welche Susannam als eine unschuldige Taube in ihre Klauen wollten bringen? wer seynd jene Wölf' gewest, welche Susannam als ein schneeweißes Lämmel wollten in Rachen ziehen? wer seynd jene Kothkäser gewest, welche Susannä als einer geschämigen Rose wollten schaden? Seynd sie etwann junge Studenten gewest, welche kaum konnten den Syllogismum in Barbara formiren, und suchten ihn schon in Susanna? sie etwann junge Kaufmanns-Diener gewest, welche[42] öfters mit Schamloth als Schamroth umgehen? seynd sie etwann junge Soldaten gewest, die nur wollten Schildwacht stehen bei der Frauen-Pastei? seynd sie etwann junge Herren-Diener oder Lakeien gewest, welche mehrmalen unter einer blauen und himmelfarbenen Livere ein höllisches Gewissen tragen? seynd sie etwann junge Kanzellisten oder Schreiber gewest, welche die Ehr der Susannä wollten in das schwarze Buch bringen? seynds etwann junge Edel-Leut gewest, welche erst aus den Ländern kommen, und diese babylonische Dame in unziemender Meinung wollten bedienen? Nein, nein, nein! nichts jung; sondern es waren zwei alte, aber nit kalte, zwei schneeweiße Dieb, eisgraue Vögel, zwei alte richtige Richter zu Babylon. O es ehrvergessene Vocativi! wer sollte von euch argwohnen einen Genitivum? wer sollte meinen, daß die Pfeil des blinden Buben Cupido auch sollten durchdringen eine solche alte, zähe Haut? wer sollte glauben, daß unter dem Schnee dieser weißen Haare ein solcher hitziger Sommer liege? Aber was ist so stark zu verwundern? Die Katz läßt das Mausen nit! Diese Gesellen waren schon in der Jugend solche Raben gewest, welche dem stinkenden Aas nachgesetzt; diese Bösewicht seynd schon in der Jugend solche Jäger gewest, die immer die Dianas[43] aufgesucht. Sie haben es gewohnt; jetzt in dem Alter können sie es nit lassen. Die Gewohnheit ist eine eiserne Pfaid, läßt sich nit zerreißen.

Es ist ein alter Reim: wann er sich schon übel reimt, so schickt er sich doch gar wohl hieher:


Daemon languebat, melior tunc esse volebat;

Postquam convaluit, mansit, ut ante fuit:


»Der Teufel war sehr übelauf

Und stund ihm schier das Leben drauf:

Drum wollt' er in die Kirche gehen

Und von der alten Art abstehen.

Nachdem er aber gnommen ein

Und wieder kommen auf die Bein,

Hat ers, als wie zuvor getrieben,

Und ist der alte Teufel blieben.«


So gehts: Ach lieber Jesu, o gütigster Gott – spricht mancher Patient in seinem Bett'l – hilf mir nur dasmal auf! heilige Mutter Gottes zu Zell, o Maria zu Alten-Oetting, hilf, hilf mir nur dießmal auf die Füß! ach, wie will ich nachmals so emsig meinem Gotr dienen, wie brav will ich mich zur ewigen Glückseligkeit ausstaffiren! o es arme Bettler, es werdet gewiß an mir einen Vater haben! ich will mich wohl nimmer unter die schlimmen Bursch mischen, nicht weniger als alle Tage drei[44] heilige Messen hören! die Bestia will ich nit mehr lassen für die Augen kommen! o Gott, wie will ich den Herrn Pamphilium und seine drei Brüder so fein in den Ofen schicken und darmit einheizen! hat sich wohl volltrinken! soll mich kein Teufel mehr zum rothen Kreuz bringen, lieber fleißig zu den Kapuzinern, zu den Augustinern, zu den Franziscanern, zu den Dominicanern, zu den Minoriten, zu den Barnabiten etc. in die Kirchen gangen. Ach der Pater Melchior redt wohl erschrecklich vom schwarzen Kasperl, wie er in der Hölle die Seelen peinige! o Gott! hilf mir nur dießmal aus dieser Krankheit, ich will einen heiligen Wandel führen! – Seynd das nit gute, gut süße, gut geschmalzene Wort? Wann er wieder aufsteht: Postquam convaluit, mansit, ut ante fuit:


»So bald er nur genommen ein

Und kommen ist auf seine Bein,

Hat ers als wie zuvor getrieben,

Und ist der alte Teufel blieben« –


ein Maul-Christ, als wie vorhero, ein Partitenmacher, als wie vorhero, ein Hu- etc. treiber, wie zuvor. Holla! ich irre mich, er ist ärger worden, dann er zuvor gewest ist! Die Katz läßt das Mausen nit; die Gelegenheit ist eine eiserne Pfaid; was man einmal gewohnt, das kann man so leicht nit abgewöhnen.

Solche Leut kommen in die Predigt; es gefällt[45] ihnen das Concept des Predigers, sie loben des Predigers apostolischen Eifer, oft denken sie: Holla! da trifft er mich wohl auch. Es ist wohl wahr, das Zeitliche hat so gar keinen Bestand, und in jener Welt ist das Ewige, ach, Ewige, Ewige! Ich muß wahrhaftig einen andern Wandel anfangen! Ach Gott! ewig! ewig! ich will mich bessern. Si, si, ja, ja, gar gewiß! Scilicet: Mansit, ut ante fuit:


»Es bleibt allzeit wie zuvor,

Es läßt sich nicht waschen dieser Mohr.«


Der wunderthätige Antonius Paduanus predigte einsmals in der Stadt Rimini die Lehr' Jesu Christi, welcher Doctrin der Ketzer Bombellus sammt den mehresten Innwohnern zuwider waren; welches dann verursachet, daß Antonius unter seiner Predigt wenig Zuhörer bekommen, ja mit der Weil nichts, als hölzerne Zuhörer, nemlich die Herren von Bankenried und Stühllingen: will sagen, nichts als Stühl und Bänk in der Kirche. Solches schmerzte Antonium, daß denen Riminesern besser schmeckte der egyptische Knoblauch des Bombelli, als das süße Manna des Wortes Gottes. Wann dann, sagt Antonius, der Same des göttlichen Worts dieser Erde mißfällt, so will ich ihn werfen in das Wasser, und weil mich die Menschen verachten, so werden mich doch die Fisch anhören. Antonius in großer Begleitschaft gehet zu dem Gestad' des Meers, fangt an zu predigen das[46] Evangelium Jesu Christ – siehe Wunder! bei dem schönen trucknen Wetter lauter nasse Zuhörer! massen alle Fisch ganz eilfertig dem Gestad' zugeschwummen, die Köpf aus dem Wusser gehebt, und der Predigt zugehöret.


Die Karpfen mit Rogen

Seynd all hieher gezogen,

Hab'n d'Mäuler aufgrissen,

Sich des Zuhörens beflissen.

Kein' Predigt niemalen

Den Karpfen so gfallen.

Spitzgoschete Hechten,

Die immerzu fechten,

Seynd eilends herg'schwommen,

Zu hören den Frommen.

Kein' Predigt niemalen

Dem Hechten so g'fallen.

Platteißl so da klein,

Wolltn die letzten nit seyn,

Antoni zu Ehren,

Sein Predigt zu hören.

Kein' Predigt niemalen

Den Fischln so gfallen.

Auch jene Phantasten,

So gmein'glich beim Fasten –

Thue Stockfisch verstehen –

Hat man auch da gsehen.

Kein' Predigt niemalen

Dem Stockfisch so gfallen.

Sardellen gut Bißln,

Wanns liegen in Schüßln,[47]

Schwimmen emsig zum Port,

Zum göttlichen Wort.

Kein Predigt niemalen

Den Fischln so gfallen.

Gut Aalen, gut Hausen,

Vornehme gern schmausen,

Sich daher bequemen,

Die Predigt vernehmen.

Kein' Predigt niemalen

Dem Hausen so gfallen.

Die Sälbling und Aeschen,

Sonst trefflich zum Naschen,

Vor Freuden schier gsprungen,

Zu hören die Zungen.

Kein' Predigt niemalen

Dem Fisch so gefallen.

Auch Krebsen, Schild-Kroten,

Sonst langsame Boten,

Steigen eilends vom Grund,

Zu hören diesen Mund.

Kein' Predigt niemalen

Dem Krebsen so gfallen.

Fisch große, Fisch kleine,

Vornehme und gmeine

Heben in d'Höh die Köpf,

Wie verständige Geschöpf,

Auf Gottes Begehren

Antonium anhören.


Nach vollendeter Predigt des wunderthätigen Manns haben alle Fisch' die Köpf geneigt und sich bedankt der wunderschönen Lehr', nachmals wiederum[48] unter das Wasser geschwummen; – aber Fisch verblieben wie zuvor: der Stockfisch ein plumper Großkopf geblieben wie zuvor; der Hecht ein Karpfen-Dieb geblieben wie zuvor; die Schildkrot' ein Faullenzer geblieben wie zuvor; die Krepsen zurück gangen wie zuvor; die Aalen geile Gesellen geblieben wie zuvor. In Summa, die Predigt hat ihnen gefallen, aber sie seynd geblieben wie zuvor. Also gehen viel Neidige in die Predigt, hören, wie Gott so scharf gestraft den Neid des Cain, des Sauls, des Esau, der Brüder Joseph, aber bessern sich nicht; viel Hoffärtige gehen in die Predigt, hören, wie der gerechte Gott so scharf gezüchtiget die Hoffart der Babylonier, der Agar, des Lucifer, des Nabuchodonosor, des Antiochi, des Amman etc. – aber bessern sich nicht; viel Dieb gehen in die Predigt, hören, wie die göttliche Justiz ist kommen und gestraft hat den Diebstahl des Achan, des Judä, des Nabaths etc. und bessern sich nicht; viel Unzüchtige gehen in die Predigt, und vernehmen nicht ohne Schrecken, wie der Allmächtige gestraft hat den Ammon, den Herodes, den Holofernes, die Sodomiter, die Sichemiter etc. und bessern sich nicht; denn sie können es nit mehr lassen, wie die Katz das Mausen, wie der Wolf das Zausen, wie der Ochs das Röhren, wie das Schaf das Plärren: die Gewohnheit ist eine eiserne Pfaid, die Gewohnheit ist schon in der Natur, und die Natur ist in der Gewohnheit. Einen alten Baum biegen, das kann ich nit; einen alten Hund guschen[49] lehren, das kann ich nit; ein altes Mail aus einem Kleid bringen, das kann ich nit; einem eine alte Sünd abgewöhnen, das kann ich noch weniger. Sicut erat in principio ein Weinkaufer, et nunc ein Weinsaufer, et semper ein Weintaufer: Er läßt es nit.

Friederich Graf zu Cilla – welches schöne große Gebiet der Zeiten dem Herzog in Steiermark gehörig – hatte neben seiner Frau Gemahlinn, so eine vornehme Gräfinn aus Croaten war, eine eigne Concubin, Namens Veronica, aber nit Verecunda. In diesen Schleppsack war er also verliebt, daß er ihr zur Gnad die Frau Gemahlinn mit seinen Händen ermord't hat; welches seinem Herrn Vater Hermann dergestalten mißfallen, daß er allweg gesucht, diesen lasterhaften Kothsack aus dem Weg zu räumen: wie es dann eine wenige Zeit angestanden, daß er solche erwischt und in einen Fluß versenkt hat, zu löschen das stinkende Feuer, welches seinen Sohn Friederich also entzündet hat. Aber die Katz läßt das Mausen nit. Friederich gab keinen Frieden, sondern luderte noch weiter fort, und zwar noch heftiger. Dem nächsten besten nahm er durch Gewaltigkeit sein Weib hinweg, ganze Herden! und große Schaaren der jungen Töchter hat er in seinem Pallast eingeschlossen, an Hexen und Zauberern hat er ein besonders[50] Wohlgefallen, die Kirchen-Güter hat er ganz gewissenlos zu sich zogen, und einen solchen lasterhaften Wandel geführt bis in das neunzigste Jahr. In diesem hohen Alter, als ein 90 jähriger Greis, gibt er sich auf die Reis' nach Rom, allwo er gebeicht' und einen vollkommenen Vorsatz geschöpft, nicht mehr also Gott beleidigen und sein eigenes Gewissen beschweren. Nach erhaltenem heiligen Ablaß nimmt er seinen Rückweg wiederum nach Cilla; – und glaubst du, daß dieser 90 jähriger Tättl aufgehört habe vom Sündigen? Nit um ein Haar ist er besser worden: Mansit, ut ante fuit: Was er mit 20 Jahren geübet, das hat er mit 40 Jahren gewohnt, das hat er mit 80 Jahren getrieben, das hat er auch nach 90 Jahren nit gelassen. Und als man ihn ernstlich ermahnte, was ihm doch Rom habe genutzet, indem er doch wiederum in den vorigen Wust falle, hat er noch scherzweis die Antwort geben: sein Schuster, nachdem er von Rom kommen, mache auch Stiefel und Schuh wie zuvor. Das heißt ja: Fornicarius senescit, in quo libido non senescit. So stark und mächtig ist die Gewohnheit, daß man dieselbe gleichsam nit kann ablegen, als mit dem Leben.

Das Manna oder Himmel-Brod, welches Gott der Allmächtige den Israeliten so wunderbarlich geschenkt und geschickt hat, war eines so seltsamen Safts und Krafts, daß der Geschmack aller Speisen darinn und daran zu finden: Eine Schokolade aus Spanien,[51] ein Fricasse aus Frankreich, eine Stuffada aus Italien, ein Golatschen aus Böhmen, ein Schunken aus Westphalen, eine Knackwurst aus Pommern, ein Käs aus Holland, ein Züger aus Schweizerland, ein Pfannzelten aus Schwaben, Kapaunen aus Steiermark, Lerchen aus Oesterreich etc. alles und alles thät man darinn, daran, daraus empfinden; wem süß oder sauer, wem gesalzen oder geschmalzen, wem gesotten oder gebraten, wem gewürzt oder gepfeffert geschmeckt hat, das hat er gefunden und empfunden in dem Manna; ein Linsen-Koch eines Esau, ein Mehl-Koch eines Habakuks, ein Kitzel-Fleisch eines Isaacs, ein Kalb-Fleisch eines Abrahams, Wachtlen der Israeliten, einen Fisch Peters – alles was zum Essen und beim Essen schmeckt, das hat man gefunden und empfunden an dem Manna. Gott hat es den Israeliten gleichsam geküchlet, und dannoch haben diese ehrvergessene Schnarcher, diese muthwilligen Gesellen gemurrt über diese edle Speis', und gewunschen zu sitzen in Egypten bei dem Knoblauch und Kraut-Hafen. O es Sau-Magen! man sollt' euch aus Porcellan tractiren, wie den verlornen Sohn, dieß saubere Bürschl. Wie Samarien belagert gewesen, war ein solcher Hunger[52] und Theurung, daß ein Mäßl Tauben-Mist um fünf Silberling ist verkauft worden: Ein solches Bescheidessen gehört für die Israeliten, und nit das edle Manna. Aber warum, daß diesen Maulaffen die Zähn gewässert mehr nach dem groben und schlechten Tractament der Egyptier, als nach dem Brod des Himmels? Darum, darum, sie haben dieselbe Bettler-Kost gewohnt, und was man einmal gewohnt, das kann man so bald nicht lassen. Also ein alter Buhler läßt das Löfflen nicht, ein alter Geizhals läßt das Sparen nit, ein alter Dieb läßt das Stehlen nit: dann sie haben es gewohnt. Einmal, zweimal, dreimal fallen in eine Sünd, scheint eine schändliche Wasserfarb zu seyn, welche der Teufel über die Seel als ein göttliches Ebenbild streicht: Wasserfarb läßt sich noch abwaschen; aber in den Lastern eine Gewohnheit machen, das ist eine Oelfarb, die läßt sich gar nit ausbringen, ohne sondere göttliche Mitwirkung, welche der Allerhöchste selten spendiret.

Der Rab', der Galgenvogel, wie er von dem Noe ist ausgeschickt worden, er solle Avisa und gewisse Nachricht einholen, ob das Wasser abnehme oder nicht, so hat dieser schwarze Gesell unterwegs gesehen, etliche todte Aas auf dem Wasser daher schwimmen, und weilen er diese Schinder-Tafel schon gewohnt hatte, also hat ers nit können lassen, sondern seine Wampe also voll angeschoppt, daß er nachmals untüchtig worden zum Fliegen, und also ersoffen, was sonst auf den Galgen gehört. Wer das Stehlen[53] gewohnt in der Jugend, der wirds nicht lassen bis ins Grab, wie dieser Rab; wer dem stinkenden Fleisch nachstrebt in der Jugend, der wirds nicht lassen bis ins Grab, wie dieser Rab; wer dem Fraß und Füllerei nachgeht in der Jugend, der wirds nicht lassen bis ins Grab, wie dieser Rab. Cui puer assuescit, major dimittere nescit, das heißt: Jung gethan, alt gewohnt.

In der pfalzerischen Chronica wird folgendes sehr denkwürdige Galgenstückel protocolliret. Einer wollte gern reich werden ohne viel Arbeit, da doch sonst das gemeine Sprichwort laut: Wer will haben feiste Kühe, muß auch haben die Mühe. Dieser aber möcht gern ohne viel Schwitzen großen Reichthum besitzen. Fällt ihm derentwegen der Gedanke ein, daß sich niemand leichter erhalte, als die Dieb, dero Finger das Silber ziehen, wie der Magnet das Eisen. Allein schreckt ihn das Halstuch, welches gemeiniglich der Meister mit den rothen Hosen solchen Gesellen pflegt zu spendiren. Weil er aber wußte, daß keiner dießfalls von Gott ein Privilegium empfangen, also hat er den Rath in diesem Fall von dem Teufel begehret: einen Zauberer ersucht, er soll ihn doch die Kunst lehren, daß er möchte wacker stehlen, aber doch nit gedenkt werden. Worauf der schwarze Doctor[54] ihm befohlen, er solle nächsten Samstag bei der Nacht sich zu dem Galgen selbigen Orts begeben und den daselbst gehenkten Menschen also anreden: »Heus tu niger et aride Frater, descende; mihi enim hoc patibulum debetur! Hörst du, schwarzer und dürrer Bruder, herab mit dir, dann dieser Galgen gehört mir zu!« Dieser saubere Discipul vollzieht den Befehl, begrüßt zwei Samstag nach einander den Galgen und dessen Schwengl, jedoch ohne Beantwortung. Wie er aber das drittemal das hohe Gericht also complementiret, so hat ihm dieser Galgen-Gast also geantwort: Non ad hoc, sed ad Hiersaugiense patibulum pertines: Dieses Ort ist nicht für dich, sondern dir gehört der Galgen zu Hierschau! Solche Antwort hat dieser schleunig dem Zauberer vorgetragen, welcher ihm eine ziemliche Ermahnung geben, daß er bei Leib zu Hierschau sich vor dem Klauben solle hüten; im übrigen sey er von allen andern Galgen freigesprochen. Diese schöne Lection hat in allweg der diebische Lehrjung in Obacht genommen, wie er dann an allen Orten allezeit das Glück ohne Strick ertappet, und doch niemalen ertappet worden. Es war schier kein Kirchtag, allwo dieser seinen Judas-Griff nicht probiret; es war kein Jahrmarkt, wo dieser die Waaren nicht umsonst eingekramt. Er ließ sich aber sehr angelegen seyn, die Stadt Hierschau zu meiden. Es kommt gleichwohl der Herbst, wo[55] diese Gesellen zeitig werden. Nachdem er viel große, viel kleine Diebstähl' begangen, so hat sich zugetragen, daß er unweit Hierschau sich aufgehalten. Und weilen gleich damalen in besagter Stadt der Jahrmarkt gehalten wurde, so hat ihn der Vorwitz, gekitzlet, solchen Jahrmarkt zu sehen, jedoch mit kräftigem Vorsatz, sich ganz behutsam zu halten, sogar nicht den geringsten Strohhalm zu entfremden. Aber die Gewohnheit ist eine eiserne Pfaid; die Katz läßt das Mausen nicht. Kaum daß er in die Stadt kommen, wird er ansichtig eines Bauren, welcher ein neues Taschenmesser, so er um etliche Kreuzer einkauft, in der Hand hin und her probiert, nicht ohne sonders Wohlgefallen nachmals dasselbige in den Sack gestecket. Das hat den Bankfischer dahin bewogen, daß er nit allein nach diesem geschaut, sondern auch griffen; aber sehr unglückselig, massen der arge Bauer ihn erwischt, die Hand so lang in dem Sack arrestirt sammt oft wiederholtem Geschrei: Dieb! Dieb! Dieb! bis die Schergen herzu kommen, welche diesen Messer-Dieb, oder besser geredt, vermessenen Dieb in den Verhaft genommen, allwo er wegen harter Folterung alle seine Diebsstuck bekennet, und folgsam an denjenigen Galgen gerathen, so ihm lang vorhero durch einen schlechten Propheten ist vorgesagt worden.

Aus dem erhellet sattsam, daß, was man lang gewohnt, man nicht mehr lassen kann. Wie viel seynd zu Wien in Oesterreich, zu Wienn in Frankreich, wie viel seynd zu Braunau in Böhmen, zu Braunau in Bayern, wie viel seynd zu Neustadt in Oesterreich, zu Neustadt in Ungarn, wie viel seynd zu Grätz in Steyrmark, zu Königsgrätz in Böhmen etc., wie viel seynd an allen[56] Orten erhöht worden, die in der Nieder gestohlen, die es selbsten bekennt haben, erkennt haben, daß sie anderwärts schon öfter in Verhaft gelegen, mit Ruthen den Kehraus getanzet, und annoch das Stehlen nit lassen können, weilen sie nemlich die alte Gewohnheit dahin gezogen und gleichsam gezwungen!

Einer ist gewest, der zum öftern in seinen Reden diese Wort aus Gewohnheit eingemischt: Wie ihr deßgleichen. Dieser wurde auf eine Zeit von seinem Herrn zu dem Landrichter verschicket, welchem er ließ andeuten, wie daß er zwei böse Lotterbuben habe eingefangen, die er gesinnt sey, ihm als seiner gnädigen Obrigkeit zu liefern. Dahero er seine Post folgender Gestalt abgeleget: Gnädiger Herr, mein Herr läßt sich Euer Gnaden demüthigst empfehlen, wie ihr deßgleichen, und thut Euer Gnaden berichten, wie ihr deßgleichen, wie daß verwichenen Mittwochs zu Nachts um halb Eilf zwei Dieb, wie ihr deßgleichen, haben eingebrochen und gestohlen, wie ihr deßgleichen, die er nicht ohne sondere Mühe und Arbeit ertappet, wie ihr deßgleichen; läßt demnach Euer Gnaden bitten in aller Unterthänigkeit, wie ihr deßgleichen, daß ihr solche am künftigen Freitag durch sicherste Ueberlieferung, diese zwei Dieb, wie ihr deßgleichen, wollet in den Kerker schließen, und folgends solche Böswicht, wie ihr deßgleichen, verdienter Massen mögen gestraft und aufgehenkt werden, wie ihr deßgleichen. – Der Herr Landrichter vermerket wohl, daß dieser ungeschliffene Lümmel eine schändliche Gewohnheit an sich habe; sagt ihm also, er soll nur wieder nach Haus gehen und seinem Herrn andeuten, daß er[57] besagte Bösewicht mit guter Wach überliefere; jedoch zugleich laß er ihm auch sagen: er soll hinfüro keinen solchen groben Narren mehr schicken! Ja Ihr Gnaden, sagt dieser, wie ihr deßglei chen. – Was nit da eine schändliche Gewohnheit thut!

Ein anderer hatte die Giwohnheit, daß er zu allen Sachen hinzusetzte diesen Spruch: Recht also. Nun hat es sich begeben, daß ein Fuhrmann, nit weit von der großen Brücke zu Wien in Oesterreich, durch ein Unglück den Wagen mit Wein beladen umgeworfen; zu welchem Unglücksfall dieser Phantast auch kommen und ein herzliches Mitleiden gezeigt, beforderist, weil er gesehen, daß ein Faß mehr denn halben Theils ausgeronnen. Du mein Gott, sagt er zum Fuhrmann, wie seyd ihr umgangen! recht also, jetzt müßt ihr den Schaden büßen, recht also; der Herr, dem ihr diesen Wein zuführt, wird euch wohl nicht einen Pfenning nachlassen, recht also. – Der Fuhrmann war ohnedas voll von Grimm und Unwillen: Potz Stern tausend! wie wollt ich umgangen seyn, die verfluchten Leut' machen den Weg nit, und wir müssen so genaue Mauth ablegen! Recht also, sagt der andere, sie meinen, wir Fuhrleut' seynd lauter Narren; recht also, sagt er mehrmalen. Was? ist es denn recht, daß man uns arme arbeitsame Leut um alles will bringen? Recht also, mein lieber Fuhrmann. – Den unwilligen Roßstriegler hat das Recht also dergstalten verbittert, in Meinung er werde nur schimpflich hindurch gelassen, daß er[58] endlich den Geiselstiel diesem Gesellen mit vielen Flüchen um den Buckel gemessen. Unter währendem hölzernen Duell lamentirte noch der Lapp mit diesen Worten: Was ist das? was ist das für ein Manier? recht also, daß ihr mich also unverschuldeter Massen übel tractiret, recht also. Ich schenke euch das nit; der Täubl hohl mich, recht also.

Was nit eine schändliche Gewohnheit thut! – Dergleichen Geschichten wären ohne Zahl beizubringen.

Ich bin selbst einmal an einem Ort, und zwar in einem sehr schönen Marktfleck, eingeladen worden, daß ich des andern Tags, als einem sehr hochfeierlichen Festtag, sollte was Weniges von der Kanzel reden. Abend zuvor ging ich in die Kirche, zu sehen, ob nit etwas darinn sey, welches mir zu meinem Concept möchte dienen. So hab ich aber den Meßner angetroffen, welcher sehr emsig beschäftiget war in Aufrichtung des Altars. Indem ich allda eine Zeit verweilte, hab ich wahrgenommen, mit Ohren gehört, daß der in etwas unwillige Meßner wollte obenher stellen die Bildnuß unsers Herrn Auferstehung. Weilen sich aber solche nicht wollte schicken, so ist der Narr in diese Wort ausgebrochen: der Teufel ist gar zu groß daher. Es stund nit lang an, daß ein Musikant, so ihm damals Beihilf geleistet, unbehutsam umgangen und mit dem Fuß die Bildnuß des hl. Pauli umgestoßen, auf dessen Seite der hl. Petrus war; so sagt er mehrmalen: gib Acht, daß du den andern Teufel nit auch herabwirfst! – Was thut[59] nit eine spöttliche Gewohnheit, absonderlich im Fluchen und Schwören! Sagt ihr und klagt ihr nit selbsten im Beichtstuhl: o mein Pater, ich hab erschrecklich gescholten mit tausend Sacker, mit Million, und hab noch die Stern im Himmel darzu zählt! Pater, es ist mir leid, ich hab halt eine solche Gewohnheit an mir, ich kanns nit lassen! Ecce! ich kanns nit lassen. So thut gleichsam die Gewohnheit dem freien Willen einen Arrest! Heißt das nicht: die Gewohnheit ist eine eiserne Pfaid?

In der Arch Noe ist gewest der Löw, und der hat brüllet; es ist gewest der Wolf, und der hat geheult; es ist gewest der Hund, der hat gebellt; es ist gewest der Fuchs, der hat kurrt; es ist gewest das Lämmel, und das hat plärrt; es ist gewest die Geiß, und die hat gmegitzt; es ist gewest die Henn, und die hat gagitzt; es ist gewest die Katz, und die hat gemangitzet. In Summa: alle Thier waren in der Arche; aber was das Wunderbarlichste war, so hat eines das andere im mindesten nit beleidiget. Der Löw, so sonst allen Thieren die Zähn' zeigt, war dazumal ganz fromm; der Wolf, der sonsten dem Lämmel die Woll zaust, war dazumal ganz fromm; der Hund, so sonsten den Katzen ihren Pelz zertrennt, war dazumalen ganz fromm; der Fuchs, so sonsten den Hennen die Feder schneidt, war dazumalen ganz fromm: alle und jede waren fromm, so lang der Sündfluß[60] gewährt und sie in der Arche waren. Sobald sich aber diese allgemeine Straf geendet, so haben sie ihre Natur nit lassen können: Der Wolf ist wieder über das Lämmelfleisch, der Fuchs wieder über das Feder-Wildpret etc. Wann der gerechte Gott eine allgemeine Straf schickt, benanntlich Pest, Hunger, Krieg etc., so lang diese währet, so halten wir uns ein wenig innen. Wie die grassirende Sucht uns Anno 1679 und 80 als ein kleiner Sündfluß den Kopf gewaschen, da war alles fromm; da hat schier oft mancher gebetet, daß ihm die Zähn seynd roglich worden; da hat man geseufzet wie ein ganzer Wald voll Turteltauben; da hat man den Jonas ins Wasser geworfen, will sagen, alle Sünd beweint; da hat man auf die Brust geschlagen, als wollt man unserm Herrn ein Feuerwerk machen, welches von lautern solchen Schlägen und Innbrunst; da hat man in allen Händen Rosenkränz tragen, und wo vorhero so viel Knöpf waren, ist gleichsam das Land zu einem lautern Rosengarten worden; da hat man Almosen geben, und haben die Leut bekommen, wie der hl. Franziskus, alle durchbrochen; da hat sich Venus nit blicken lassen, sondern sich auf der kalten Herberg verborgen; da hat sich die Hoffart in dem tiefen Graben eingegezogen; da ist Fraß und Füllerei zum Wasser-Thor hinaus; und gleichwie im A B C auf das W gleich das X kommt: also auf solches allgemeine W in allen Gassen ist das X gefolgt; dann alle seynd zum X oder zum Kreuz geloffen, es lebten fast alle heilig. So bald aber diese große Straf vorbei und die gewünschte gesunde Luft wiederum ankommen, so hat[61] das Sanum das Sanctum vertrieben; da hat der schöne Paris die hübsche Helenam wieder besucht, der Stolze den Altum wieder gesungen, der Geizige den Gebhard wieder ins Haus genommen, und viel, viel, will nit sagen, die mehresten, wie die Hund', was sie vorhero von sich geben, nachmals ganz begierig wiederum geschlückt; dann – sie hatten es schon gewohnt.

Josue der tapfere Kriegsfürst, wie er wider die Cananiter und Hethiter und Phereziter und Gergesiter und Jebusiter und Ammoriter ausgezogen, hat er lassen die Arche oder den vergulten Bundskasten vorantragen. Als sie nun kommen seynd zu dem Fluß Jordan, siehe Wunder! da ist derselbe von freien Stucken obenher still gestanden, und hat sich das Wasser wie ein Berg aufgebäumt, und herab alles geloffen, daß also der Josue sammt den Seinigen und der Arche mit truckenen Füßen durchmarschirt. »Steterunt aquae.« Wie sie nun alle durch waren mit dem Bundskasten, so hat der Fluß Jordan wieder seinen vorigen Lauf genommen. – Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit einem, der schon durch lange[62] Gewohnheit in einem Laster veraltet ist: Der, wann ein heiliger Tag, das Fest Portiunculä oder eine andere Solennität herbei kommt, geht in den Beichtstuhl, klagt sich an, daß er sechsmal habe das sechste Gebot übertreten; er hat Reu und Leid, ein Vorhaben von Eisen und Stahl! Ego te absolvo. Glaubst du, dieser sey heilig? dieser Rab sey weiß? Im Winter wird man bisweilen wahrnehmen, daß ein Rab auf einem Baum sitzet, ganz überschnieben, zeigt nur allein einen schwarzen Kopf – es scheint, es trage dieser Gesell einen weissen Chor-Rock an; aber du mußt wissen, daß dieser nur auswendig weiß, nicht inwendig! ist um einen Flug zu thun, so ist die weiße Livere ausgezogen. Also zeigt sich auch dieser Patient weiß, aber nur auswendig. Warte nur, bis die Arche des Bundes mit dem Manna durch den Fluß, warte nur, bis der hl. Communion-Tag vorbei: so wird der Jordan seinen alten Lauf nehmen, so wird dieser in die Mistpfütze in das vorige Saubad wieder eilen. Warum? Er hats gewohnt, er kanns nit lassen und wirds nit lassen bis in Tod, auch dort wird ers nit lassen, sondern nur verlassen werden.

Nachdem der gütigste Heiland 5000 Männer, ohne Weib und Kinder, mit fünf Broden gespeist und gesättiget, dergestalten, daß auch die übergebliebenen[63] Stückel noch mit gleichem Wunder 12 Körb angefüllt; nach dieser so wundersamen Jausen schafft der Heiland seinen Jüngern, daß sie sollen in ein Schifflein treten und unverweilend über das Meer fahren. Er aber stieg auf den Berg zu beten. Bei angehender Nacht, als das Schifflein ziemlicher Massen von den Wellen gerieben und getrieben wurde, erscheint er auf dem Meer, welchen sie zwar Anfangs nit erkennt. So bald aber Petrus ersehen, daß es Christus der Herr sey, so schreit er überlaut auf: Herr, bist du's, so schaffe, daß ich zu dir komme auf dem Wasser! Veni! so komme! sagt der Herr. Petrus steigt eilends aus dem Schiffel, und gehet auf dem Wasser. Die andere Apostlen haben sich dessen verwundert, und einer zu dem andern gesprochen: Schau, schau, unser Peter kanns Wasser treten! Was geschieht aber? – er geht eine Weil auf dem Wasser, steigt tapfer drauf; da aber ein kleiner Wind entstanden, fängt er an sich zu fürchten, und sofern der Herr seine Hand nicht hätte ausgestrecket, so wäre Petrus ersoffen (von dem Juda aber wäre es im Zweifel gestanden, denn was an Galgen gehöret, ertrinket nit). Denjenigen widerfährt es nit anderst, welche lange Jahr in böser und lasterhafter Gewohnheit leben; bisweilen, so ihnen das Gewissen durch den Beichtvater oder durch ein geistliches Buch, oder durch einen apostolischen Prediger gerühret wird, so schöpfen sie ein guldenes Vorhaben, seufzen zu Jesum ihrem[64] Heiland, ja, gehen wirklich den geraden Weg zu unserm Herrn; – aber so bald wiederum ein Wind einiger Versuchung entstehet, so sinken sie, so senken sie sich selbst wieder in das vorige Laster: die Gewohnheit ziehts zu Boden, gar selten, daß Gott der Herr solchem die Hand bietet, wie dem Petro.

Rathet doch, welches die größte Stadt in der Welt, oder wo zum mehristen Innwohner gezählt werden? Zu Schweinfurt oder Erfurt? Nein. Zu Straubing oder Lauing? Nein. Zu Vincenz oder Placenz? Nein. Zu Verona oder Ancona? Nein. Zu Freistadt oder Neustadt? Nein. Zu Freiburg oder Neuburg? Nein. Zu Prag oder Haag? Nein. Zu Passau oder Nassau? Nein; sondern zu Lauingen im Schwabenland, alldort ist eine unzählbare Menge der Innwohner. Wie ist dieß zu verstehen? Wer den Weg in das römische Reich hinauf nimmt, der kommt erstlich in die Stadt Dillingen, nachmals erst auf Lauingen. Alle, alle Menschen, die wollen in das Reich reisen, nemlich in das Himmelreich, die kommen auf Dillingen. Da heißt es, da halten sie es, was geschrieben steht: Diliges Dominum Deus tuum etc. »seyd ganz inbrünstig in dilectione, in der Lieb Gottes und des Nächsten.« Es steht aber eine kleine Zeit an, so kommen sie auf Lauingen, werden bald ganz lau, ja mit der Zeit ganz erkalt' in der wahren Lieb; absonderlich ist solches zu sehen bei denjenigen, welche ein Laster gewohnt haben. Es geschieht zuweilen, daß einer oder des andern ihr[65] Saufbruder des gähen Todes stirbt, oder eine andere wohlbekannte Madam an einem Steck-Katharr ohne Beicht und Communion erstickt. Holla! das ist eine scharf geschraubte Petarde an seinem Herz. O Gott! o Gott! o mein Erlöser! wer weiß, wo diese unglückseligen Leut anjetzo seynd! o mein Heiland! jetzt will ich ein anders Leben anfangen, nichts thun, als dich lieben, dir dienen! O, O, O, O, O mein Gott! lauter Nulla. Glaub mir darum, lauter Nulla seynd diese O O O O, – es ist nichts dahinter. Jetzt ist er zu Dillingen, wird wenig Tag anstehen, so kommt er auf Lauing, alsdann gleich wieder in die Alt-Stadt, will sagen, zu dem alten Stand, in die alte Gewohnheit. Bei einem solchen heißt es also: heut süß, morgen wieder sauer; heut ein Heiliger, morgen wieder ein Lauer; heut Feuer, morgen wieder ein Wasser; heut ein Züchtiger, morgen wieder ein Prasser; heut eine Kreide, morgen wieder eine Kohle; heut Almosen geben, morgen wieder stehlen; heut ein Gold, morgen wieder ein Pech; heut ein Fasttag, morgen wieder eine Zech; heut schön, morgen wieder trüb; heut fromm, morgen wieder ein[66] Dieb; heut still, morgen wieder ein Getümmel; heut ehrbar, morgen wieder ein Lümmel. So kommt man aber nit in den Himmel!

Es ist ein gewisser Edelmann gewest, dessen Herr Bruder als ein vornehmer Bischof unter anderem ein sehr stattliches Pferd hatte, welches er auch um kein Geld zu verkaufen gesinnt war. Der Kavalier suchte und versuchte auf alle Weis', wie er doch möchte diesen Klepper in seine Gewalt bringen; und weilen er solches nec prece, nec pretio, weder durch Bitten noch Bieten kunnte werkstellig machen, also hat er einen lächerlichen Vortl an die Hand genommen: Er hat mehrmalen wahrgenommen, daß der Bischof, sein Herr Bruder, jederzeit, so oft er geritten, pflegte sein Officium oder Brevier zu beten, forderist diejenigen Horas oder Tagzeiten, welche er auswendig wußte: daher er sehr genau in Acht genommen, ob der Bischof etwann im Gottes-Dienst in der Kirche sich aufgehalten; dann allemal in dessen Abwesenheit hat er sich auf gedachten stattlichen Klepper gesetzt, und selbiges Roß lateinisch gelehrt, dergestalten: Er wußte gar wohl, daß alle Priester, so oft sie das Brevier zu beten anfangen, allezeit das heilige Kreuz[67] machen, sprechend: Deus in adjutorium meum intende. Dessentwegen er dasselbige Latein auf dem Pferd öfters wiederholt, und so oft er gesagt hat: Deus in adjutorium, hat er dem Klepper einen starken Sporn geben, daß er in alle Höhe aufgestiegen. Das Roß durch öftere solche Uebung hat es also gewohnet, daß es bereits, so oft er Deus in adjutorium geschrien, sich in die Höhe gebäumt und seltsame Sprüng gemacht; denn es nach diesen Worten schon den Sporn geforchten. – Wie nun auf eine Zeit der Bischof dieses Pferd zu reiten begehrt, unterwegs aber mit seinem Kapellan die Horas wollte anfangen, und mit einer Hand das Kreuz gemacht, und zugleich Deus in adjutorium gesprochen, so hat das Pferd aus Gewohnheit den Sporn gesorgt, deßwegen einen gähen Sprung in die Höhe gethan, wovon der gute Bischof aus dem Sattel gehebt in eine wilde Lache gefallen. Das hat dem Edelmann Anlaß geben, daß er den Herrn Bischof als seinen Bruder mit beweglichen Worten dahin beredet, daß er ihm das Pferd überlasse, indem er ihm sehr rathsam vorgehalten, dieser muthwillige Klepper tauge vielmehr für einen Soldaten als einen Bischof.

Was ein Pferd gewohnt hat, das läßt es nit mehr; eine Kunst, die der Hund gewohnt hat, die läßt er nit mehr; ein Liedl, welches der Vogel gewohnt hat, das läßt er nit mehr; auch eine Untugend, die ein Mensch gewohnt hat, die läßt er ebenfalls nit mehr. Weßwegen Gott durch den Propheten Jeremiam dem Volk in Judäa, und folgsam auch denen Leuten in[68] Germania, dem Menschen in Gallia, dem Sünder in Hispania, ja allen auf dem weiten und breiten Erden-Kreis, der runden Welt selbst fein rund unter das Gesicht sagt: Wann ein Mohr seine Haut verändern kann und ein Panther-Thier seine Fleck, so könnt ihr auch Gutes thun, die ihr das Böse gelernet habt! Alsdann wird aus einem Bachant ein Pachomius werden; alsdann wird aus einem Nerone ein Nereus werden; alsdann wird aus einem Venereo ein Venantius werden; alsdann wird aus einem Mammona ein Mammantes werden; alsdann wird aus einem Malcho ein Malachias werden; alsdann wird aus einem Kain ein Kajetanus werden: Alsdann wird ein Sünder die böse Gewohnheit lassen, wann ein Mohr wird weiß werden, hast gehört? wann ein Panther-Thier wird seine natürlichen Fleck verlieren, hast vernommen?

Es ließen sich in der volkreichen Stadt Sodoma zwei Engel sehen in Gestalt schöner Jüngling', welche der Loth als ein freundlicher und gutherziger Herr mit sich in sein' Behausung gezogen, bittend, sie wollen mit einer schlechten Suppe Verlieb nehmen und mit einer großen Schüssel voll eines guten Willens. Gegen Nacht vermerkt der Loth einen großen Tumult um sein Haus herum, und sieht, daß sehr viel seiner Landsleut und Mitbürger das Haus wollen stürmen.[69]

Fragt demnach, was ihr Begehren sey? Welche ganz ungestümm verlangt haben die zwei schönen fremden Jüngling, selbige muthwillig zu mißbrauchen; denen aber der gerechte Mann eine heilige und heilsame Lehr geben: sie sollen doch Gott und ihr eignes Gwissen mit solchem Laster nicht beleidigen, welche Lehr sie nicht allein schimpflich verworfen, sondern noch darüber das Haus wollten stürmen. Derenthalben Gott ein Wunder gewirkt, daß die Narren etlich Stund um das Haus herumgangen und keiner die Thür hat können finden. Tappen hin, tappen her, tappen oben, tappen unten; Lappen hin, Lappen her, Lappen oben, Lappen unten, haben nie die Thür gefunden. Diese verruchten Leut' wollten jenes Laster begehen; weßwegen nachmals die Stadt Sodoma und Stadt Gomorrha, die Stadt Adama etc. durch das Feuer vom Himmel verzehrt und in Asche gelegt worden, daß also dieser Schwefel-Regen 100000 Schritt lang, 25000 Schritt breit dermassen alles in die Erde hinein verzehrt, daß, wo vorhero diese berühmte Stadt gestanden, anjetzo das todte Meer ist, dessen Sand am Ufer noch vom Schwefel stinkt. – Wer seynd diese lasterhaften Gesellen gewest, welche dem Loth und seinem Haus so überlästig waren? Es seynd gewest Kerl mit 16 Jahren, aber auch einige mit 60 Jahren; es seynd gewest Schelmen mit 17 Jahren, aber auch viel mit 70 Jahren; es seynd gewest Bösewicht mit 18 Jahren, aber auch etliche mit 80 Jahren: »Vallaverunt domum à puero usque ad senem.« Soll denn möglich seyn, daß unter solchem Schnee eine schnöde Lust, daß unter solchen weißen[70] Haaren der Venus ihre Waaren können verborgen seyn? Die kommen mir natürlich vor, wie eine Glas-Hütte im Winter, welche übersich auf dem Dach mit lauter Schnee bedeckt, inwendig aber voll mit Feuer und Flammen. Es alte, es ausgemerglete, es dürre, es rotzige, es bucklete, es zahnluckete, es geschimmelte, es betagte Schelmen! wann euch doch der Asmodäus in eueren jungen Jahren also belehret hat, so legt doch wenigsten a modo solches Laster-Leben hinweg, indem ihr schon mit einem Fuß im Grab, mit einer Hand schon die Schnallen der Ewigkeit in Händen habt, mit einem Aug schon in die andere Welt schaut! Umsonst, umsonst ist all meine Meinung, meine Mahnung! Was sie gewohnt haben, das lassen sie nit mehr! Dessenthalben bitt ich dich um Gotteswillen, um Jesu Christi theuersten Bluts willen, der du solches liesest, und etwann in einer Sünd haftest: eil', eil' ohne Weil! ziehe geschwind dieselbe ab, wie der David den Panzer des Sauls, damit du in keine Gewohnheit gerathest, welche böse Gewohnheit nicht einen lässet zu rechter Buß kommen, sondern er wird sterben, wie er gelebt hat! Si Deus verax est, hujusmodi hominum vix unus aptus regno Dei invenitur de millibus. So kann ich denn, sagt[71] ein Alter, mich nicht bekehren? »In quo non corrigit adolescentior viam suam, nunquid desperandus est senior?« Ja, ja, es kann ein sechzig-, ein siebzigjähriger Sünder noch fromm werden, noch heilig werden, unmöglich ist es nicht; aber aus 100000000 nit viel, vielleicht gar wenig, – denn gemeiniglich, wie man lebt, so stirbt man.

Der hl. Bernardinus erzählt von einem sehr reichen Partitenmacher und Handelsmann, den er selbst gar wohl gekennt. Dieser hatte dreißig Jahr niemalen gebeicht. Nachdem er in eine tödtliche Krankheit gefallen, hat er keine andere Sorge getragen, als daß seine Leut sollen fleißig die noch restirenden Gelder einbringen. Zu diesem End diesem und jenem Bedienten einen ernstlichen Befehl geben, daß sie ausgehen, die Schulden einzufordern. Dieses Geld-Egels leiblicher Bruder bringt einen Pater in das Haus, welcher ihn sehr beweglich zur Buß und Pönitenz ermahnte. Von diesem wollte der Mammons-Bruder gar nichts hören; sondern unter währendem geistlichen Gespräch fragt er den Priester: Pater, wie theuer ist der Zentner Pfeffer? ja, er fragte öfters, wann dann seine Waaren werden ankommen? Als er bereits wollte in die Zügen greifen, schreit ihm der Bruder sehr anmüthig zu: er wolle doch um Gotteswillen beichten! Darauf er geantwortet: Non possum:[72] »Ich kann nit, ich kann nit, ich kann nit!« Und also hat er seine unglückselige Seel aufgeben. – Das macht die böse Gewohnheit. Wie man lebt, so stirbt man.

Mors est Echo vitae. Qualis vita, finis ita.

Mir ist von einem Pater der Societät Jesu, als einem sehr werthen und gelehrten Mann, der selbst gegenwärtig war, wie und wo es geschehen, folgende Geschicht glaubwürdig erzählt worden: Ein gewisses Weibsbild noch ledigen Stands pflegte sehr große Freundschaft, und – wie mans bei diesen verkehrten Zeiten thut nennen – sehr große Vertraulichkeit mit einem jungen Gesellen, dessen Namen war Martin; und dauerte solche, wie billig, verdächtliche Lieb etlich Jahr, auch selten eins Woche, öfters auch selten ein Tag vorbei gangen, an welchem sie ihres liebsten Martins nit mußte ansichtig werden, da doch beederseits kein Ziel zu einer Verehelichung, sondern blos eine Gewohnheit scheinte. Es geschieht, daß diese saubere Putentiana erkrankt, und zwar tödtlich. Aber hört ein wunderliches End, indem sie doch nicht von Sinnen kommen, noch einige Hitz den Verstand verruckt außer der Hitz der unmäßigen Lieb: sie kunnte nichts[73] anderes reden, als alleinig ihren Martin. Wie man ihr zuletzt hat zugeschrieen: Jesu, verzeihe mir meine Sünd! sagte sie: Martin, verzeihe mir meine Sünd! O Jesu, sey mir gnädig! wiederum sie: O Martin, sey mir gnädig! Man bittet sie, sie soll doch Gott vor Augen haben und nicht einen Menschen, sie soll mit Mund oder wenigstens mit dem Herzen schreien: O Jesu, stehe mir bei in diesem meinem Streit! Sie mehrmalen: o Martin, stehe mir bei in diesem meinem Streit! Jesu, in deine Händ befehl ich meinen Geist! sie auch, ob zwar mit schwacher Stimm: o Martin, in deine Händ befehl ich meinen Geist! – Ein sauberer Tod, eine seltsame Martins-Gans! Wer diese wird gerupft und gebraten haben, ist leicht zu erachten. – Die Gewohnheit ist halt eine eiserne Pfaid, ja eine eiserne Kette, welche sogar den menschlichen Willen binden thut.

Die Todten, so der Herr Jesus zu dem Leben erwecket hat, haben nicht viel Mühe oder Ceremonien zu ihrer Auferstehung gebraucht: Der todte Jüngling zu Naim ist mit vier Wörter, mit 23 Buchstaben, mit 10 Silben, mit so geringer Weis' von den Todten auferstanden; des vornehmen Jairi Tochter ist mit 19 Buchstaben, mit 9 Silben, mit 4 Wörter von den Todten erweckt worden. Es hat nur geheißen: Adolescens, tibi dico: surge; es hat nur geheißen: Puella, tibi dico, surge. Aber wie der[74] Lazarus ist erwecket worden, da war viel Mühe vonnöthen: es hebte der Herr Jesus seine Augen gegen den Himmel, er weinte bitterlich mit vermischten Seufzern, er bat seinen himmlischen Vater, er ließ den großen Stein hinweg wälzen, er ruft mit lauter Stimm: Lazare, veni foras! »Lazarus, komm heraus!« Warum geht es bei dieser Erweckung so hart her und bei den andern nit? Höre und vernimm die Antwort, so dir gibt mein hl. Vater Augustinus, mit Augustino Ambrosius, mit Ambrosio Hieronymus, mit Hieronymo Gregorius, mit Gregorio Chrysostomus: Der junge Sohn der Wittib, die junge Tochter des Obristen der Synagoge waren alle beede erst gestorben: diese haben bedeut' solche Sünder, die erst gesündiget, das erstemal gefallen, – die können noch wohl und leicht wiederum zu einem bessern und heiligen Wandel auferstehen. Aber Lazarus, der schon vier Tag' im Grab gelegen, und schon abscheulich gestunken, hat bedeut' einen solchen Menschen, der in dem Sündigen schon eine böse Gewohnheit gemacht, – der ist hart und über alle Massen hart zu erwecken, hart und unaussprechlich hart ihm die alte Gewohnheit abzuziehen. Der allmächtige Gott, wie er den ersten Menschen den Adam erschaffen, hat er ihm mit einem einzigen Blaser das Leben geben: dann der Leim war ganz neu und frisch, aus dem er zusammen gefügt worden; jene harten Todten-Beiner aber, welche der Prophet Ezechiel auf dem Feld angetroffen, mußten gar von vier Winden angeblasen werden, damit sie das Leben bekamen, denn es waren schon alte, erharte und erdorrte Beiner. Also[75] auch, der aus Gebrechlichkeit erst anfängt zu sündigen, der ist noch wohl zum Leben zu bringen, er ist noch frisch; welcher aber schon darinnen verhärtet und bereits eine lange Gewohnheit angezogen, der ist hart, sag's, hundert und hundertmal hart ist er zu bekehren. Dann die Gewohnheit ist eine eiserne Pfaid.

Petrus ist mit einem einzigen Augenblicker, welchen der Herr Jesus auf ihn geworfen, zur Buß bekehrt worden, daß er bitterlich angefangen zu weinen und seine Sünd zu bereuen; aber der Adam ist gar hart zur Erkenntniß seiner Missethat gelangt, ja er hat sich gar versteckt, daß ihm Gott laut zugeschrieen: Adam ubi es? Die Ursach solches Unterschieds war diese: Petrus hat in der Früh gesündiget in gallicinio, wie der Hahn hat gekrähet, wie der Tag hat angefangen: solche, die erst angefangen zu sündigen, die können noch wohl und leicht zur Buß geleitet werden; Adam hat Nachmittag gesündiget: solche, die schon spät in Jahren eine üble Gewohnheit haben, die seynd gar hart darzu zu bewegen.

Nit bald an einem Ort werden bessere Spitäler angetroffen, als zu Rom in dieser Haupt-Stadt. Allda ist zu sehen das Spital beim hl. Geist, welches in den jährlichen Renten und Einkommen über die 70000 Kronen zählt; item das Spital bei St. Salvator, das Spital bei St. Antonio, das Spital St. Mariä de Consolatione, das Spital bei der hl. Dreifaltigkeit, welches eines so großen Vermögens, daß es[76] alle arme Pilgram aufnimmt; und hat es schon etlichmal, meistentheils zur Zeit des Jubiläi, in einem Tag über 5000 Menschen ausgehalten, und dieses zwar in schönster Ordnung etc. Unter anderen ist ein Spital zu Rom, welches genennt wird S. Giacomo delli incurabili nel corso. In dieses Spital werden nur diejenigen aufgenommen, die gar alte Schäden und Zuständ haben, auch nit mehr können kuriret oder geheilt werden. Eines solchen Zustands war jene arme Tröpfinn in dem Evangelio, welche zwölf Jahr den Blutgang gelitten, ihre Armuthei völlig denen Doctoribus angehängt; und keine Excellenz war so excellent, daß er sie kunnte kuriren: »Nec ab ullo potuit curari,« bis sie endlich den Saum der Kleider Christi angerühret und durch solches Kleid ihr Leid vertrieben. In das Spital delli incurabili gehen alle diejenigen, welche am alten Zustand leiden, welche viel Jahr' in böser Gewohnheit leben: solche seynd nit mehr zu kuriren, dann was sie gewohnt, das können sie nit lassen, die Gewohnheit ist ein alter Zustand, welcher nit mehr geheilet wird, außer Gott durch ein sonders Wunderwerk hilft ihnen, wie er geholfen, der guten Frauen.[77]

Judas hat gestohlen, hat das Stehlen gewohnt, hat die Gewohnheit nit mehr lassen können. Judas hat Viele seines Gleichen. Ein solcher war jener in dem köllnischen Gebiet, von dem Cäsarius registriret, welcher so vieler verübten Diebstähl halber aufgehängt worden. Weilen nun gleich dazumalen ein Diener eines vornehmen Domherrn zu Kölln vorbei geritten und vermerkt, daß dieser arme Sünder sich noch ein wenig rühre, hat er alsobalden aus Mitleiden den Strick mit dem Degen abgehauet, mit seinem Hut aus dem nächst vorbei rinnenden Bach ein Wasser eilends herbei gebracht, wormit er den elenden Tropfen erquicket, welcher nachmals noch mit ihm in das entlegene Dorf gangen, aber noch nit lassen können das Stehlen, auch nachdem er den Strick schon gekost. Denn eben in diesem Dorf wollt' er diesem seinem Gutthäter, der ihn vom Tod errettet hat, diesem seinem Erlöser wollt er das Pferd stehlen. Weilen er aber ertappet und überzügen worden, hat er an demselbigen Galgen, wo er kurz vorhero ein Fruhstuck genossen, eine solche Jause müssen verkosten, woran er erstickt. Das heißt ja: Rarò funesto fur sine fune perit. Der Hund läßt das Bellen nicht, der Dieb läßt das Stehlen nicht, wann ers gewohnt hat; der Dachs läßt das Graben nicht, der Geizige läßt das Schaben nicht, wann ers gewohnt hat; die Sau läßt das Wühlen nicht, der Löffler läßt das Buhlen nicht, wann ers[78] gewohnt hat; das Kalb läßt das Plärren nicht, der Flucher läßt das Schwören nicht, wann ers gewohnt hat; der Hirsch läßt das Laufen nit, der Schlemmer läßt das Saufen nit, wann ers gewohnt hat. Holofernes hat das Schlemmen gewohnt, und hats nit gelassen; Senacherib hat das Gotteslästern gewohnt, und hats nit gelassen; Herodes hat das Buhlen gewohnt, und hats nit gelassen; Annanias hat den Geiz gewohnt, und hat ihn nit gelassen; Judas hat das Stehlen gewohnt, und hats nit gelassen.

Wie unser lieber Herr auf einem Esel triumphirlich nach Jerusalem eingeritten, da haben ihm die Herrn von Jerusalem, meistens aber der gemeine Pöbel, sehr große Ehr erwiesen; unter anderen haben sie auch ihre Kleider ausgezogen, und auf den Weg gelegt. Du, der solches liesest, ist es, daß du schon einen Habitum hast oder solche eiserne Pfaid, so bitte deinen Jesum, daß er dir die sondere Gnad gebe; verstehe mich recht, die sondere Gnad, daß du solches ausziehest, und zu seinen Füßen legest! Amen.

Quelle:
Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm für ehrliche Leutߣ. Sämmtliche Werke, Passau 1834–1836, Band 2, S. 33-79.
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