[Ich kan nicht lustig seyn/ mein traurig Hertze weinet]

[83] Ich kan nicht lustig seyn/ mein traurig Hertze weinet/

Wenn mein verstellter Mund erfreut zu lachen scheinet/

Die Sprache zwinget sich/ das Hertze saget nein/

Es komme wie es will/ ich kan nicht lustig seyn.


Ich weiß nicht was mir fehlt; ich darff nicht Mangel leyden/

Des milden Himmels Gunst hat mir mein Theil bescheiden/

Obgleich kein Uberfluß im Kasten wird gezählt/

So reicht es immer zu/ ich weiß nicht was mir fehlt.


Mir mangelt freyer Mutt/ ich darff nicht Liebe klagen/

Kan keuscher Ehe Frucht auff beyden Armen tragen/

Die Ehrsucht plagt mich nicht/ die manchem wehe thut/

Nur das ist mein Beschwer/ mir mangelt freyer Mutt.


Der schwache Leib empfind wohl offt Beschwerligkeiten/

Und sieht ihm allgemach sein frühes Grab bereiten/

Trägt seinen Tod mit sich/ doch iedes Adams Kind

Fühlt unterweilen/ was der schwache Leib empfind.


Die krancke Seele drückt wohl auch ein schwer Geblütte/

Jedoch am meisten steckt der Mangel im Gemütte/

Durch Hoffnung naher Grufft wird offt der Geist erquickt/

Wenn matter Glieder Last die krancke Seele drückt.


Ich leide steten Zwang/ bin bey vergnügten Stunden

An stille Traurigkeit/ Verdruß und Angst gebunden/[83]

Bin wachend voller Schlaff/ und bey Gesundheit kranck/

Bey Leben halber Tod/ ich leide steten Zwang.


Ich bin mir selber gram/ daß ich mich nicht kan zwingen

In ungezwungner Lust ein Stündchen hinzubringen/

Und mehre den Verdruß durch Ungedult und Scham/

Doch thu ich was ich will/ ich bin mir selber gram.


Wer lindert meine Qual? Last Gold und Silber fliessen/

Last mich der Perlen Staub/ Corallen-Blutt geniessen/

Bringt saure Quellen her/ und zieht den Geist aus Stahl/

Diß alles hilfft mich nicht: Wer lindert meine Qual?


Kein Arzt verschafft mir Rath/ glückselig ist im Leben

Wem Gott ein frölich Hertz und freyen Sinn gegeben;

Wofern der Höchste diß nicht mitgetheilet hat/

Ist alle Müh umsonst/ kein Arzt verschafft mir Rath.


Ach komm gewünschter Tod/ du Artzney vieler Klagen/

Du Anfang süsser Ruh/ du Ende schwerer Plagen/

Lust-Pforte/ Freuden-Schlaff/ Besieger aller Noth/

Ich sehne mich nach dir/ ach komm/ gewünschter Tod.


Willkommen liebes Grab/ du Wohn-Hauß vieler Brüder/

Der Müden Schlaff-Gemach/ du Ruhstatt sichrer Glieder/

Ich lege meine Noth mit Freuden bey dir ab/

Und sage wohlgemutt: Willkommen liebes Grab!


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 2, S. 83-84.
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