Die Schiff-Fahrt

[83] Der muste wohl ein Hertz aus Stal und Eisen tragen/

Mit dreyer Männer Mutt bepantzern seine Brust/

Der zwischen See und Lufft sein Leben hinzuwagen/

Sich erstlich unterstand: der Tod war seine Lust/

Das Leben seine Pein: O Menschen harter Sinnen/

Stieff-Söhne der Natur/ Schos-Kinder wilder Flutt/

Denckt ihr nicht/ daß ohn euch die Fische leben künnen?

Das weite Meer ist groß genung ohn euer Blutt.

Was suchet ihr den Tod bey den entlegnen Juden/

Der euch zu Hauß und da gleich bald erreichen kan?

Ihr wollet Perl und Gold in fernen Landen finden/

Trefft theuren Schaum der Flutt und kostbar Erdreich an/

Dem schnöder Wahnwitz hat so hohen Preiß gegeben/

Bringt in die Alte Welt der Neuen Uberfluß/

Den Raub von Land und See/ der wider euer Leben/

Zur Rache Rauber/ See und Land verhetzen muß.

Was traget ihr darvon? vom Scharbock matte Glieder/

Frost/ Hunger/ Hitze/ Durst/ Sturm/ Ungemach und Tod/

Gebt eur gewonnen Gutt mit Geist und Seele wieder/

Seyd bey dem Reichthum arm/ empfindet dürre Noth/

Bey vollem Uberfluß/ müst offt wie Tantal büssen/

Der ungesättigt Flutt und Aepffel für sich sieht/

Schaut Wasser ohne Maaß für euren Augen flüssen/

Mit dem ihr doch umsonst zu laben euch bemüht.

Ihr untergebet euch der Herrschafft leichter Winde/

Schliest euren freyen Leib in wenig Ellen ein/

Verstosset Weib und Kind/ verlasset Hauß und Gründe/[83]

Und wählt euch zwischen See und Lufft verbannt zu seyn.

Eur fichtnes Wasser-Hauß schwebt ohne Grund in Wellen/

Offt stüzt den frechen Bau der schweren Ancker Last/

Die eure Sicherheit auff Sand und Stricke stellen.

An statt der Thürne prangt der hoch-gesinnte Mast/

Der sich zu Nutz und Zier mit Pech hat überkleidet/

Mit Lumpen ausgeschmückt; den Mund/ die Nase füllt

Das Felsen-harte Brod/ das fast kein Eisen schneidet/

Der Tranck/ aus dem manch Wurm von langer Fäule quillt/

Der Käse schwere Kost/ der dürren Fische Grätten/

Der süsse Wohlgeruch von feistem Talg und Thär/

Den müden Leib erquickt die Lust der Lagerstätten/

Da manches Thier mit euch sich schwencket hin und her.

Eur edler Zeit-Vertreib ist auff- und ab zu steigen/

Um den beseilten Mast zu suchen was euch beist/

Das grobe Segel-Tuch dem Winde nach zuneigen/

Und was euch sonsten Wind und Zeit für Arbeit heist.

Solt ihr denn euren Mutt im Kriege lassen sehen/

Ein einig Feind vergnügt eur freches Hertze nicht:

Kan euch durch Waffen nicht eur völlig Recht geschehen/

So müst ihr seyn durch Flutt und Flammen hingericht/

Gemetzget und gewürgt/ gesotten und gebraten/

Nach Himmel und nach Höll halb lebend zugeschickt.

Das ungewisse Grab muß euch die See verstatten/

Wo nicht den todten Leib ein wilder Fisch zerstückt.

Doch eure Grausamkeit eur ungezähmtes Leben

Schleust billig euren Leib in solch Gefängnis ein/

Und wem das fromme Land nicht Auffenthalt will geben/

Dem muß die wilde See Hauß/ Grab und Hencker seyn.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 4, S. 83-84.
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