Thüringer Wald

[86] O schöne Gegend/ welche mir

Das alte Deutschland stellet für/

Wie unsrer Tuisconen Schaar

Vorzeiten so vergnüget war/

Wie sie dem linden Strome nach

Der Silber-hellen Spiegel-Bach

In ein begrüntes Thal hinaus

Gebauet manch geringes Hauß/

In welchem sie mit Fried und Ruh

Ihr langes Alter brachten zu/

Und/ ohne schnödes Mein und Dein/

Mit dem vergnüget konten seyn/

Was sonder viel-gebrauchte Müh

Darreichte Wiese/ Wald und Vieh.

O selig/ wer zu dem bereit

Beschlüssen kan den Lauff der Zeit/

In seines Vaterlandes Schoß/

Von gutten Freunden nimmer bloß/

Um Schätz und Gütter unbetrübt/

In keine Pracht der Welt verliebt/

Läst seine beste Lust allein

Freund/ Bücher und Gewissen seyn/

Geniest des Orts in stiller Ruh[86]

Der seinen Sitten saget zu.

Ihm zeiget sich der grüne Wald

Nicht minder nütz als wohlgestalt/

Der Glutt und Kühlung bey sich trägt/

Und tausend Sänger in sich hegt.

Da sieht er/ wie der kläre Fluß

Zum Tranck und Spiegel dienen muß:

Da giebt ihm Ruhe bey der Nacht

Vor Sorgen-voller Bette Pracht/

Die mehr als Bley und Centner schwer/

Das auffgebreitte Blumen-Heer/

Wenn seine Lichter schläffet ein

Der viel beschaute Monden-Schein/

Der Himmel und ein freyer Mutt

Deckt seine Glieder mehr als gutt/

Zur Speise dienet Frucht und Wild/

So den gesunden Magen füllt

Ohn eitle Sorge für den Leib.

Gedancken seyn der Zeit-Vertreib/

Die sich ohn allen Kummer frey

Dem Sternen-Dache schwingen bey/

Und hat er keinen Uberfluß

So ist nichts/ was er darben muß.


Quelle:
Hans Aßmann von Abschatz: Poetische Übersetzungen und Gedichte. Bern 1970, 4, S. 86-87.
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