3. Scene.

[5] Vorige. Liborius. Dr. Rüdiger. Kleines geistliches Gefolge des Abts.


LIBORIUS dicker Herr. Gelobt sei Jesus Christus!

GRÄFIN. In Ewigkeit, Amen!

DIETRICH spottend. Was müssen diese meine Augen sehen? Hund und Katze friedlich neben einander? Ihr lieben Herren, welche Wunderdinge geschehen in der Welt? Haben der kleine Herrgott von Rom und das große Licht von Wittenberg Frieden mit einander geschlossen; ist das verlorene Schaf in den Schooß der Alleinseligmachenden zurückgekehrt, und hat alle Noth und Ketzerei ein Ende?

LIBORIUS. Schweigt mit eurem Spott, Graf Dietrich. Es sind schwere Zeiten. Der Antichrist gehet umher auf Erden wie ein brüllender Leu und suchet, wen er verschlinge, und säet Unfrieden aus und gottlose Gedanken in die Herzen der Menschen.[5] Da müssen Alle sich eng aneinander schließen so überhaupt nur noch an eine göttliche Ordnung glauben. Der gute Katholik Hand in Hand mit dem lutherischen Ke– Rüdiger sieht ihn an, er beißt sich auf die Lippen und schüttelt den Kopf. Schwere Zeiten! Schwere Zeiten!

DIETRICH. Es hat euch wohl wieder der boshafte Kellermeister Wasser in den Wein gemischt, daß ihr also jammert.

LIBORIUS. Der Herr vergebe euch euren gottlosen Spott – es ist keine Frömmigkeit mehr in der Welt und von Tag zu Tag wächst der Bund der Gottlosen.

GRÄFIN. Sehr wahr, hochwürdigster Herr – aber was verschafft uns gerade heut diesen unerwarteten Anblick?

RÜDIGER. Gestattet, hochgeborene Frau, euch dies ganz kürzlich zu erklären. Es zeigen sich verdächtige Spuren eines gottlosen, widersetzlichen Geistes im Volke, die Bauern werden rebellisch, sie machen Miene, uns Ehrerbietung und Pflichterfüllung zu verweigern und Gott vorzuenthalten, was Gottes, dem Kaiser, was des Kaisers ist. Die Gotteshäuser werden von Tag zu Tag leerer. Man hört drohende Reden aus dem Munde der Bauern, man sieht sie sich zusammenrotten und bei Nacht heimlich mit einander berathen. In Eisleben hatten die Bauern gestern Zinstag. Kaum die Hälfte erschien und diese brachten kaum die Hälfte dessen, was sie zu steuern hatten. Als man ihnen dies verwies, ergingen sie sich in gröblichen Reden und meinten trotzig, die Herren sollten sich freudig mit dem begnügen, was sie brächten, denn die Zeit sei nicht mehr ferne, da es gar keine Steuern und Frohnden mehr geben werde.

LIBORIUS. Nein, es ist keine Religion mehr im Volke! Schwere Zeiten! Schwere Zeiten.[6]

DIETRICH mit Beziehung auf des Abts Bauch. Nun, bis zum Verhungern haben die Diener Gottes noch weit hin.

HELLDRUNGEN. Offen gesagt, auch ich habe unter meinen Bauern schon etwas von einem neuen widerbelligen Geiste bemerkt.

RÜDIGER. Ueberall im Lande hört man lose Reden gegen die Diener Gottes, die Obrigkeit, die ritterlichen Herren, ja in Eisleben wagte ein Wahnsinniger gestern laut zu äußern, Gott habe alle Menschen gleich geschaffen und bald sollten auch Alle einander wieder gleich werden. Man warf den Burschen in's Gefängniß, ein Haufe Volks tobte lange um dasselbe und versuchte den Gefangenen zu befreien. Der Geist Thomas Münzer's scheint wieder umherzugehen im Lande –

LIBORIUS entsetzt. Bei Christi Leiden, schweigt, beschwört diesen Schatten nicht wieder herauf!

GRÄFIN. Thomas Münzer – entsetzlich! Noch stehen die Unruhen in unser Aller Gedächtniß, die er hier in Thüringen vor drei Jahren angestiftet. Noch spricht ganz Altstedt von dem Geheimbunde, den er zum Sturz der gesellschaftlichen Ordnung, zur Lösung aller staatlichen Bande gestiftet –

LIBORIUS. Von der Zerstörung des Gotteshauses zu Mellerbach –

RÜDIGER. Und wie der Freche selbst vor den erlauchten Häuptern des erhabenen sächsischen Fürstenhauses seiner gottlosen Zunge nicht Zügel angelegt, sondern gegen den Uebermuth der Großen – wie er es nannte – gedonnert. Das ganze Volk lief ihm zu; wo er sich nur zeigte, griff der Brand um sich, den er angelegt!

LIBORIUS bei Seite. Satan siegte Beelzebub ob. Laut. Wie athmeten wir erleichtert auf, als ihn der Befehl der Obrigkeit endlich zwang, diese Gegend zu[7] verlassen und sich einen andern Landesstrich für sein gottlos Treiben zu suchen.

HELLDRUNGEN. Man sagte, daß er sich nach Franken begeben, und da während dreier Jahre keine Nachricht von ihm hierhergelangt ist, hofften wir und hoffen noch, daß er dort unten sein Ende gefunden.

GRÄFIN. Wenn jene Schreckenstage sich erneuern sollten – es wäre zu traurig – Gott kann es nicht zu lasse.

ERICH. Potz Tod, was seid ihr für Feiglinge! Helldrungen, von euch wenigstens war ich mir das nicht vermuthen. Von dieser Handvoll elender Bauern sich in's Bockshorn jagen lassen! Sie mögen doch kommen – wie Kraut und Rüben hauen wir sie in die Pfanne. Wir wollen ihnen den Freiheitskitzel schon austreiben. Faullenzen will das Pack, das ist Alles! – Es geht ihnen viel zu gut, der Haber sticht sie.

DIETRICH. Erlaubt mir, liebe Herren, recht herzlich über euch zu lachen. Wie, ihr nehmt dies Murren und Grollen ernst? Welche Verkehrtheit! Laßt sie immerhin reden und flüstern – offen mit Gewalt vorzugehen, wagt dies Gesindel nicht, dazu ist es zu feig. Diesen Münzer fürchte ich so wenig wie unsere andern guten Aufrührerlein, die ich alle kenne, weil ihr Treiben mich belustigt – es sind meine Hanswurste. Und sollten sie gar ein klein ernstlich Revolutiönchen wagen – liebe Herren – betrachtet euch diese Mauern: an denen hat sich schon Mancher den Hals gebrochen; dort oben die schwarzen Himmelsspender, Karthäunlein genannt, sind die beste Brücke zur Ewigkeit, und meine Reisigen, die jetzt gerade auf guten Beutefang abwesend sind, soll mir auch Keiner schelten. Aber so weit wird's gar nicht kommen. Glaubt mir, die Bäuerlein wissen recht gut, daß es in der Menschenwelt ist wie in der Thierwelt, und jeglicher Stand seine göttliche[8] Bestimmung hat, an der nicht zu ändern ist: die Löwen und die Edlen zu herrschen, die Lerchen und die Geistlichen zu singen, die Hunde und die Landsknechte zu wachen, die Hamster und die Krämer zu bauen und zusammenzuscharren – und das Vieh und die Bauern zu arbeiten.

LIBORIUS. Vortrefflich gepredigt, edler Herr, ihr hättet sollen geistlich werden.


Trompetenstoß hinter der Scene.


GRÄFIN. Ach, der Herr Bürgermeister –

ERICH. Ist Gerlind immer noch nicht zurück?

GRÄFIN. Nein, ich weiß nicht ... mir wird schier Angst.


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 5-9.
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