5. Scene.

[10] Vorige. Gerlind.


GERLIND erregt hereinstürzend. Gott sei gelobt, endlich!

GRÄFIN. Gerlind, liebe Tochter, was ist dir, was stürzest du so eilig daher?

GERLIND. Wenn ihr wüßtet, was mir widerfahren. Bemerkt die Geistlichen. Gott zum Gruße, ehrwürdige Herren –

LIBORIUS. Berichte, mein Kind!

GERLIND. Ich war, wie mein hochwürdiger Lehrer mir's gewiesen, mit meiner Kammerfrau hinabgestiegen in's Dorf; den Kranken unter den Bauern Arzneien, Verbandzeug und Trost nach Christi Vorschrift zu bringen. In mehreren Hütten war mir schon aufgefallen, wie seltsam zurückhaltend man sich heut gegen mich betrug. So kam ich auch zur Hütte des alten Wendelin, der vom Fieberfrost geschüttelt auf einem Steine vor seinem schlechten Häuslein saß. »Wie geht's euch, Wendelin?« fragte ich, »ich freue mich, daß ihr schon aufstehen könnt, bald werdet ihr ganz genesen. Hier bring' ich euch neue Arzenei: nehmt sie, sie wird euch wohl bekommen.« Da erhob sich der Alte mit schrecklicher Miene, rollte die Augen und schrie: ›Fort mit dir, Giftmischerin, fort mit deinem Teufelsgebräu!‹, und warf die Flasche zur Erde, daß sie zerbrach. Und wie ich mich umschaute, standen mehr als ein Dutzend bei mir mit drohenden Mienen: Sieche, Gichtbrüchige, alte Weiber und halbreife Buben, und drangen auf mich ein: »Giftmischerin! Giftmischerin! Schaff' uns Brot!« schrieen sie und entrissen der Kämmerin, was sie bei sich trug. Da eilte ich spornstreichs zurück – nicht daß ich mich gefürchtet hätte, sonder weil ich das freche Gesindel auch nur eines Wortes für[11] unwerth hielt. Aber der Haufe folgte mir, und um mein Ohr sausten, begleitet von häßlichen Flüchen, meine Flaschen und Tücher, und Steine groß wie eine Faust, und nur wie durch ein Wunder entrann ich dem Verderben.

DIETRICH. Diese Frechen, sie sollen mir büßen. Ich will einen Gerichtstag halten, darob ihnen die Augen übergehen sollen.

GERLIND. Ach ja, Herr Vater, und insbesondere wenn dieser Aufrührer, der Münzer, in eure Hände fällt, der, wie sie sagen, wieder im Lande sein soll, so leget ihm doch gründlich sein ruchlos Handwerk. Wie ich diesen Menschen hasse, den Feind unseres Standes! – Ich könnte mit kaltem Blut zusehen, wie er gebunden zum Schaffot geführt würde.

PROBST. Also, liebe Herren, gute Christen, lasset uns einig sein, denn dieses thut vor Allem Noth. Mögen unsere Ziele in Allem auseinandergehen soweit sie wollen – hier handelt es sich um Vertheidigung unserer gemeinsamen Gerechtsame und Vortheile gegen aufsässige Bauern, und da lasset uns zusammenstehen als ein Mann. Ist die Gefahr vorüber, so gehe Jeder wieder für sich. Zum Abt und Rüdiger. Reicht mir die Hände, ihr Herren – Für sich. Wer weiß, welcher einst siegt, der Papst oder der Luther: so verderben wir es mit Keinem. – Und auch ihr, Herr Graf, und ihr, Herr Ritter –

EIN KNAPPE. Herr Graf, eine Schaar Bauern zieht den Berg herauf –

DIETRICH. Mir gerade recht – die sollen meine Hand spüren.


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 10-12.
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