7. Scene.

[69] Vorige. Helldrungen ein Rescript in der Hand.


DIETRICH. Helldrungen, meine Tochter liebt euch heiß – ich habe mit ihr gesprochen – sie glüht darnach, euch Gemahl zu nennen – sie kommt um vor Sehnsucht – ich will euch beiden euren Willen thun – in einer Stunde sollt ihr vor dem Altar stehen. Wollt ihr?

HELLDRUNGEN. Graf Dietrich –

DIETRICH. Fragt sie nur selbst –

HELLDRUNGEN geht zu Gerlind hinüber. Gerlind –

GERLIND halblaut. Ritter, wenn ihr ein Herz habt, so gebraucht es mich zu verabscheuen, mich zu hassen, wie man die Sünde haßt! Ihr wollt mich zum Weibe nehmen? Ein Tiger würde mir in eurer Umarmung vor Augen stehen; nicht Söhne, Ungeheuer würde ich euch schenken.

HELLDRUNGEN halblaut. Ich weiß nicht, Gerlind, was so ein spitzfindiger Gelehrter, Humanist oder wie sie das nennen, die ja Alles wissen, in dem Falle denken und thun würde, oder was die griechischen und römischen Philosophen vorschreiben. – Ich kann euch nur sagen: seit ich euch zum ersten mal gesehen, war es mein heißer Wunsch euch zu besitzen. Und jetzt, da mir das angetragen wird, was mir jahrelang als höchstes Glück erschienen –

GERLIND wie oben. Wenn ihr niemals Frieden haben wollt in eurem Hause, wenn ihr jeden Trunk den ich euch bereite, vergiftet wissen wollt durch meine Flüche, jede Speise versalzen durch meine Thränen – gut, dann schleift mich fort von hier zum Altare – mein Vater will mich zwingen, ich bin in seiner Macht – und ihr und diese alle sind stärker als ich – was kann ich gegen euch, ein Weib?

HELLDRUNGEN. Ihr habt nie etwas für mich[70] gefühlt ... was ... ein Blinder hätte für Liebe greifen können –

GERLIND. Nie!

HELLDRUNGEN. Und ihr liebt diesen – Münzer?

GERLIND. Ja!

HELLDRUNGEN nach einer Pause laut. Graf Dietrich – wenn ich euch einst selbst von meiner Eidamschaft sprach – so nehmt dies für einen Scherz ... ich habe mich anders besonnen ... ich habe eure Tochter nie geliebt ... es war ein Irrthum ... ich weiß jetzt, daß ich eine andere liebe, und diese will ich –

GERLIND leise. Dank, Ritter, tausend Dank.

DIETRICH. Mit Verlaub, Helldrungen, ihr seid ein Narr. Doch wie ihr wollt, euch kann ich nicht zwingen. Aber wenn ihr der da in ihrem frechen Starrsinn zu helfen glaubt, so irrt ihr herb. Fort mit ihr, bindet sie, wie ich befahl, schafft sie hinunter – und ich selbst will diesen Kopf von Eisen schmieden, bis er die Form annimmt, die ich ihm geben will –

HELLDRUNGEN. Wohl, doch später; jetzt dürfte es an Zeit fehlen. Der Landgraf befiehlt euch, auf der Stelle mit euren Reisigen zu ihm zu stoßen Übergiebt ihm das Rescript. denn schon für die nächsten Tage, vielleicht für morgen schon wird die entscheidende Schlacht in der Frankenhäuser Gegend erwartet.

GERLIND. Er kämpft um die Krone – und ich kann nicht in seinem Kriegslager sein! Warum verließ ich es?

DIETRICH. Da soll doch ein Schloßenwetter – ist's denn so eilig? Zerknittert unwillig das Rescript. Nun gut, auch gut, so wollen wir erst dem Narrenspiel da unten eine Ende machen, und wenn die Hasenjagd zu Ende ist, in zwei, drei Tagen, der Gans das Hirn in die rechte Lage rücken! Wohl auf denn, zur Hetzjagd! Und die da sperrt derweilen in das Verließ – wenn ich ihr den Kopf ihres Buhlen vor die Füße lege,[71] wird sie wohl ein anderes Lied pfeifen. Auf, fesselt sie! Draußen, vom Burghof her, erklingt eine recht lustige Jagdfanfare. So recht die Musik, eine lustige Hetzjagd soll's werden, nichts weiter. Da die Knechte zögern. Thut, wie ich euch befahl! Knechte gehen auf Gerlind zu.

GERLIND. Zurück, ihr Elenden, wagt es nicht, eures Herrn Tochter zu berühren. Ward je solche Gewalt von einem Vater gegen sein Kind geübt?

DIETRICH. Hat je ein Kind so frech die Zunge gegen seinen Vater gebraucht? Zu den Knechten. Vorwärts!

GERLIND zu Helldrungen. Ritter, ihr habt mir soeben eine schöne Probe eures Edelsinns gegeben – soll ich euch bis an's Ende meiner Tage dankbar sein, so vollendet euer Werk – schützt mich –

GRÄFIN heimlich. Schützt mein Kind; was können wir Weiber gegen seinen Zorn.

DIETRICH. Helldrungen, laßt euch nicht beikommen, mir in den Weg zu treten: ihr kennt mich! Wer sich zwischen mich und mein Kind stellen wollte – bei Gott, und wär's mein bester Freund, er wäre verloren. Hier in meinem Hause bin ich Herr, und eher sollte dies freche Wesen zu Grunde gehen, als daß die väterliche Gewalt zum Kinderspott würde. Neue Fanfare.

HELLDRUNGEN. Graf, die Zeit drängt – wir müssen fort –

GERLIND zu einem der Knechte, der sich ihr nähert. Bruno, du, den ich immer allen andern Knechten vorgezogen – den ich zweimal selbst vor der Wuth meines Vaters beschützt habe – du wagst es die Hand zu erheben gegen deines Herren Kind? Laß ab, ich bitte dich –

EIN KNECHT. Edles Fräulein – es ist meines Herren Befehl – macht mir meine Pflicht nicht unnütz schwer.

GERLIND rings umherschauend. Bin ich ganz[72] allein? Keiner, der mir beisteht, dem Weibe? Bin ich ganz ausgeliefert der Rohheit haßerfüllter Männer? Und er fern von mir, von Feinden umdrängt, und ich von seiner Seite gerissen? Wie mit plötzlicher Eingebung. Nun denn – hier, nehmt mich, bindet mich! Führt mich in's Verließ! Aus der Tiefe meines dunkeln Gefängnisses, hungernd und dürstend, will ich hinauf zum Himmel schreien, daß es die Musik der Engel übertönen soll: so liebt ein Vater seine Tochter! Nehmt mich, führt mich fort! Und bergt mich klaftertief unter der Erde, wälzt Berge über mich, die eine Sintfluth nicht bewegen kann, legt dreifach Erz um die Riegel meiner Thür, daß kein Blitz vom Himmel stark genug ist, sie zu schmelzen – er wird doch die Felsen und Klammern sprengen! Er dringt zu mir, und findet mich, und führt mich mit sich fort, auf den Platz, der seiner würdig ist, und von dem ihr ihn niemals zurückhalten werdet! Geht hin, sorgt für seinen Ruhm, laßt euch von ihm in alle Winde jagen; ich will indeß die alten Eulen drunten im Gemäuer sei nen Namen aussprechen lehren, den ich aus eurem Munde nicht hören mag! Erneute Fanfaren.

DIETRICH. Und dann auf zur Hasenjagd!

HELLDRUNGEN im Abgehen. Sie liebt ihn. Münzer, Münzer – begegnen wir beide einander im Feld, so wahr' dich! –


Vorhang fällt.


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 69-73.
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