3. Scene.

[77] Vorige. Hans.


MÜNZER. Gottlob, da ist Hans. Komm her! Führt ihn nach vorn links, sehr erregt, leise. Nun?

HANS leise. Meister –

MÜNZER leise. Leise, leise!

HANS leise. Daß ich euch willkommeneres melden dürfte – kein Mund sollte es lieber thun –

MÜNZER leise. Er lehnt ab?

HANS leise. Mit Hohn nahm Graf Farnrode die Aufforderung auf, an einem verschwiegenen Orte zwischen beiden Heeren Stirn gegen Stirn um den Besitz seines Kindes zu kämpfen. ›Sag dem Rebellen – verzeiht, so waren seine eignen Worte –, daß ich‹ ihn mir aus der Schaar seiner Meuterer heraus holen und ihm unter'm Galgen von Farnrode Genugthuung leisten werde. Eine Zigeunerin soll mit ihm zugleich auf's Holz gezogen werden, damit er lerne, in welchen Kreisen seinesgleichen sich seine Liebe suchen mag. Und als ich ein mehreres sprechen wollte, ließ er mich durch Troßknechte aus dem Lager jagen.

MÜNZER. Er wagt mich zu beschimpfen? Ist dieses Volk denn auf beiden Augen mit Blindheit geschlagen? Sie wollen ihr Verderben! Nun wohl, er habe seinen Willen, von heut an ist Dietrich von Farnrode nur noch mein Todfeind, und meine Braut gilt mir als vaterlose Waise. – Geh', ich danke dir ... halte dich in meiner Nähe ... Reicht ihm die Hand. ich bedarf eines Freundes –

HANS. Dein bis in den Tod! – Ab.

PFEIFER. Thomas, nun verlange ich volle Offenheit. Ich darf es! Was wäre die Freundschaft, wenn sie nur Pflichten kennte. Du verbirgst mir etwas, läugne es nicht. Du bist zerstreut, du pflegst heimliche[78] Rede, ich seh's am Wellenschlag deiner Stirn, am Wanderspiel deiner Augen –

MÜNZER gezwungen heiter. Seit wann ist mein Freund unter die Dichter gegangen und sieht Schreckgespenster, wo Andere nur prosaische Laken erblicken? Und hätt' ich wirklich Heimlichkeiten – je nun, du weißt, es giebt einen Punkt in der Freundschaft – .... denke dir, mich zöge es zu irgend einem liebenswürdigen Kätzchen und der gute Hans machte zwischen uns den Liebesboten ... Hans als Liebesbote, köstlich! ....

PFEIFER. Und wär's selbst das, so müßte ich als Freund warnen. Thomas, wer dem Fluge seiner Gedanken kein niedereres Ziel setzte, als das Glück seines Vaterlandes, muß auf eignes Glück verzichten, und wär's selbst ein so winziges wie die Augenblicksgunst eines verliebten Kätzchens. Er darf eben nichts anderes kennen, darf gar nicht anderes sehen, als nur jenes eine hohe Ziel. Nur eine Liebe darf der Mann des Volkes haben: sein Volk, nur ihm darf er dienen.

MÜNZER. Das Volk! Wodurch ersetzt es dem die Liebe, der ihm sein ganzes Herz hingiebt? Sage mir, wie dankt das Volk? Weiß es seine Männer zu ehren? Würde es ihnen für alle ihre Mühen und Plagen je eine Krone anbieten, wenn es eine zu vertheilen hätte?

PFEIFER. Welche Sprache! Ich verstehe, du stellst mich auf die Probe. Ich fühle so gut wie du, wie wenig dem Mann des Volks Ehren oder Kronen sind. Nur Mitleid könnte ihm das Angebot derselben wecken. Der Edle kämpft für das Gute, weil es ihm als das Gute erscheint.

MÜNZER. Das Gute allein um des Guten willen? Giebt es wirklich Menschen, die so handeln können, so bewundre ich sie aus voller Seele, doch, mein' ich, müßten sie, um das zu vermögen, zwei Flügel an den[79] Schultern tragen. Sie dürften nicht Menschen sein, wie ich, sie müßten ihre Flügel gebrauchen, sich über alle Undankbarkeit, Erbärmlichkeit und Kleinigkeit derer hinwegsetzen, um derentwillen sie allnächtlich mit der Natur um den Schlaf ringen! Sie müßten Sohlen von Stahl besitzen, die nimmer ermüden, und ein Herz in einer Hülle von Elendsleder, an der alle Pfeile der Narrheit abprallen.

PFEIFER für sich. Wie? Sollte das mehr sein als Scherz? Laut. Thomas, ich frage jetzt als dein Freund, als dein Mitkämpfer ... antworte mir auf dein Gewissen ... sprachst du das Alles im Ernst, oder fällt in Wahrheit der Schatten eines Weibes zwischen dich und die deinen? Ist dein Herz noch bei uns oder bist du deiner Arbeit schon müde, bevor sie noch recht eigentlich begonnen.

MÜNZER. Du irrst, Freund – wir befinden uns nicht mehr in der Klosterschule. Damals bestimmte der Pater dich als den Stärksten zu unserem Aufseher, und mit Wollust gabst du Acht, ob keiner, indeß wir des heiligen Augustinus Bekenntnisse lasen, heimlich unter der Bank ein Verslein für sein Mädchen schrieb.

PFEIFER. Ja, ich mochte schon damals das Weibszeug nicht leiden, nur begriff ich nicht, wie ein braver Junge sich von dem Gezücht könne zum besten halten lassen ....

MÜNZER. Damals wart du an deinem Platz, doch die Zeiten sind vorbei. Und so bitte ich dich jetzt, heute dein Vorgesetzter, an deinen Platz, zu deinem Haufen zu gehen.

PFEIFER. Ich werde meinem – Vorgesetzten gehorchen. Für sich. Das Wort will ich dir nicht vergessen! Mein Platz ist weit von hier ... Du hast ihn mit gutem Bedacht ausgewählt .... aber mein[80] Auge ist scharf, es dringt bis hierher und weiter. Laut. Mein Feldherr – dein Untergebener empfiehlt sich deiner Gunst! Mit militärischem Gruße kurz ab.


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 77-81.
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