5. Scene.

[81] Münzer. Pfeifer. Roder.


PFEIFER. Verzeiht, mein Vorgesetzter, daß ich hier einzudringen wage, doch dieser Mann aus meiner Abtheilung will wichtige Kunde –

MÜNZER. Rede, was bringst du?[81]

RODER. Meister, ich schlich mich als Viehtreiber verkleidet in's Lager des Landgrafen. Was sah ich dort! Alle Fürsten Deutschlands haben sich vereinigt gegen uns, ihren gemeinsamen Feind, sie wollen, wie sie sagen, der Schlange den Kopf zertreten. Ein Wald von Waffen starrt die Ebene, so viel Eisen sah ich noch nie in meinem Leben beisammen, man könnte damit die Erde umpanzern. Und stündlich treffen noch neue Zuzüge ein, wilde, trotzige Wuth auf Aller Mienen. Kein Herrlein in Deutschland ist so klein, das nicht wenigstens seine zween Knechte sendete. Und selbst aus den Städten kommen sie herbeigeströmt, Landsknechte, von den Reichen angeworben, die für ihre Säckel zittern. Schon sind einige Städte von uns abgefallen, schon haben sich einzelne Gemeinden unterworfen.

MÜNZER. O Luther, Luther, ich erkenne den Werk! Welcher Dämon trieb mich zu dir! Das war der thörichteste Knabenstreich meines Lebens!

RODER. Meister, das wird ein Kampf auf Tod und Leben, wie ihn Deutschland noch nicht gesehen. Laß uns aufmerksam auf unserem Posten sein, denn wie sie sagen, kann jede Stunde der Sturm losgehen. Den Landgrafen von Hessen haben sie auf Luther Antreiben zum Befehlshaber gemacht, und er hat geschworen schon im Mai so reiche Ernte zu halten, daß kein Bauernkopf mehr auf dem Halme bleiben soll.

MÜNZER. Unbesorgt, wir werden ihrer Herren werden. Die Furcht ists, die sie so prahlen heißt. Ich danke dir. Geh' jetzt zu deinem Fähnlein.

RODER. Gott schütze euch, Meister!

PFEIFER. Und mir habt ihr keine weiteren Befehle zu ertheilen?

MÜNZER. Nein! Geh! Pfeifer geht bis zur Thür. Doch halt ja – hierher komme. Und ich befehle dir, mir die Hand zu drücken und mich zu umarmen! Da[82] Pfeifer zögert. Nun ja – so komm doch her, du Thor. Wie kann ein Freund dem Freunde nachtragen, was er vor mehr als drei Athemzügen gesprochen. Bist du denn nicht mehr mein Heinz, mein treuester Kamerad aus guten und schlechten Tagen? Komm her, umarme mich, ich befehle es dir, ich bin dein Vorgesetzter!

PFEIFER schlägt in seine Hand. Thomas, dein Freund wie immer. Doch jenes Wort war das überflüssigste deines Lebens.

MÜNZER. Wahrhaftig, jetzt ist nicht der Augenblick, daß zwei Freunde auf so verantwortlichem Posten noch Zeit hätten zu schmollen – was sollten die Unsern denken –

PFEIFER. Bei Gott, da hast du Recht! Alle unsre Blicke sind voll Spannung nur nach außen gerichtet: so müssen wir uns im Innern wenigstens völlig sicher wissen. Der nächste Tag, die nächste Stunde schon kann uns die langerwartete Entscheidung bringen – siegen wir, so sind wir die Herren von Mitteldeutschland, und was bleibt, ist nur noch ein Kinderspiel – unterliegen wir, so ist auf hundert Jahre hinaus in Deutschland Alles verloren und Deutschland um hunderttausend brave Köpfe und arbeitsame Hände ärmer. Nicht wahr, jetzt soll uns kein Schatten eines Zwistes trennen?

MÜNZER. Nein, du hast Recht, wir sind Brüder, wie bis auf diesen Tag!

PFEIFER. So leb' denn wohl! Für sich. Und dennoch laß ich ihn nicht aus dem Auge. Sein ist die Schuld, wenn hundert seiner Worte nicht ganz austilgen können, was eines anzudeuten schien. Ab.

MÜNZER allein. Bedarf ich deiner Weisheit. Ich weiß, Freund Heinz, du wirst das Haupt schütteln du wirst mich verkennen, so gut wie die andern. In der Stunde der Entscheidung wird sich's zeigen, wer an mich glaubt! Gerlind, du hast, was Edles und[83] Großes in mir lag, erst zur vollen leuchtenden Flamme geweckt! Erst seit ich dich liebe, weiß ich, was ich aus der Welt suche Wie liebe ich dich! Doch keine Zeit verloren! – Hans!


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 81-84.
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