9. Scene.

[95] Münzer zuletzt. Blinte.


MÜNZER. Und wenn der Mond vor Scham den Glanz verlöre und die Sterne stürzten herab aus ihrer Aetherhöhe – ich muß zu ihr, der Herrin meiner Seele! Und winkte mir die Krone des ganzen Erdreichs, und spräche der Herr zu mir: komm her, ich will dich neben mir sitzen lassen auf meinem goldenen Throne, und ich sollte das Weib, das ich liebe mit jeder Faser meines Herzens, allein und hilflos lassen, dem Tode gegenüber; ich spräche: behalte deinen[95] Thron, in ihren Armen dünk' ich mich mehr als tausend Götter, und ohne sie käme ich an deiner Seite um vor Frost. Stirbt sie – was ist mir Krone, Sieg, Ruhm, Freiheit, Volk? – Was wage ich, wenn ich gehe? Ich bin kein feiger Ängstlich, wie jene. Mir hat der Himmel bis hierher geholfen, auf seinen Ruf hab ich das Werk begonnen, er ist wir's schuldig mich ans Ziel zu dringen, und eine gute Forderung hab ich an ihn. Er darf mir keinen Streich in zwölfte Stunde spielen, er muß mich meinen Weg vollenden lassen, wenn noch ein Glaube an ihn fortleben soll. Jetzt will ich dich auf die Probe stellen, göttlicher Weißbart, jetzt hast du eine gute Stunde dich vor der Welt zu bewähren, den wankenden Glauben an dich neu zu stärken. Nein, meine Sache führe ich zum Siege, wie ich will! Blickt zum Zelt hinaus. Wie's durch meine Adern stürmt, wie es in mir wallt und siedet und glüht! »Zu ihr!« ruft jeder Nerv und jede Sehne, und jeder Blutstropfen kreist dreimal schneller! .... Alles liegt im Schlaf, nur ferne schreiten im Nebeldämmerglanz die Posten auf und nieder. Fort, fort, ich muß – hier sitzt's und wühlt und triebe mich von hinnen, selbst wenn ich mich mit tausend Krallen an diesen Boden klammerte. J müßte zu ihr, und stünde längs der Straße Feind an Feind und Jeder zielte mit vergifteten Speeren nach meinem Herzen. Längst bin ich zurück, bevor die Morgendämmerung graut! Die Nacht der Liebe und den Tag dem Kampfe, dir heute Rettung, Gerlind, und euch morgen Brot und Freiheit! Will ganz vorn links ab, aus der Coulisse tritt ihm entgegen.

BLINTE. Ei, Meister, wohin noch in so später Stunde? Geht ihr spazieren? Die Luft ist schwül, es wird ein Gewitter geben.

MÜNZER für sich. Belauscht? Wenn er vernommen, wenn er weiß – ich bin verloren.[96]

BLINTE. Darf ich euch nicht begleiten, Meister?

MÜNZER. Nein, du Elender sollst mir wahrhaftig meine Pläne nicht zerstören. Nimm den Lohn, Unthier, den deine Erbärmlichkeit schon längst verdiente – stirb! Ersticht ihn, Blinte fällt mit einem dumpfen Laut zu Boden. Gottlob, er ist todt, nun schnell an's Werk! Ab.

BLINTE sich mühsam aufrichtend. Ha! Noch nicht! Noch nicht so ganz! ... Noch ... blieb den Füßen Kraft genug, ... mich hinüber in's Lager des Landgrafen zu tragen ... und ihm zu sagen, ... daß du ... dein Heer ... verlassen .... Wankt ab. In dem Augenblicke zuckt fern am Firmament der erst Blitz auf. Schwacher Donner.


Vorhang fällt.


Quelle:
Conrad Alberti: Brot! Leipzig 1888, S. 95-97.
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