Sechstes Kapitel.

Der späte Gast.

[31] Zwei Sonnen vertragen sich nicht am Himmel. Der Spieltisch, an dem die Geheimräthin Lupinus saß, war sehr einsam geworden! die Vögel, die nach dem Licht flackerten, blieben aus, seit das Licht des wirklichen Geheimrathes durch die Zimmer flackerte.

»Aber meine beste Frau Geheimräthin!« rief ihr Partner, der Ehemann der schönen Frau, »wir hätten die Trics gewiß gemacht, wenn –«

»Die schönen Augen der Frau Baronin haben mich geblendet, – Sie haben da eine Hülfe bei sich, Baron, die eigentlich unerlaubt ist.«

Die Geheimräthin war am Geben. Sie vergab sich. Es war der Augenblick, wo sie den wirklichen zur Thür hereinblicken und sich rasch wieder entfernen sah.

»Die Frau Geheimräthin sind wohl unpässlich,« bemerkte die schöne Frau.

»Ich! meine liebe Baronin? – Ach nein. Die Seele muß immer Herr sein über den Körper. Das sagt mein guter Lupinus so oft. Dadurch erhält er sich in seinen anstrengenden Arbeiten. Und ich –«

Sie hatte sich wieder vergeben.

Die andern Partner sahen sich verlegen an. Der Baron zeigte die Karten seiner Frau: »Jammerschade, daß man solches Spiel fortwerfen muß.« Die Lupinus hielt sich das Taschentuch aus Gesicht: »Es ist nichts, nur ein heftiges Herzklopfen, es wird gleich vorüber sein. Wirklich, liebe Baronin,« sagte sie zu dieser, welche von Hoffmannstropfen gesprochen – »der Schmerz ist gar nichts, wenn nur der Verdruß nicht wäre, daß mein Unwohlsein die Gesellschaft stört. – Sehen Sie, jetzt habe ich nicht vergeben. Was ist Atout, wenn ich fragen darf? Coeur oder Pique? Es flimmert mir nur vor den Augen.«

– »Frau Geheimräthin haben kein Atout mehr.« Sechs Augen starrten die Spielerin in gläserner Verwirrung an. Die schöne Baronin öffnete ihre Lippen weiter als nöthig war, um ihre Perlenzähne bewundern zu lassen. Die Spielerin hatte noch eine Hand voll Trumpf.

Stumm hatte die Geheimräthin die Karten niedergelegt. »Sie sind ein Engel voll Güte,« sagte sie zur Baronin, als diese die Karten nahm. »Und nun um Gotteswillen kein Derangement.«

Sie entschlüpfte – nur um einen Augenblick sich zu erholen. »Ein Glas Wasser wird es thun.« Aber die Wirthin betraf sie, als sie ihr Umschlagetuch nahm, um fortzugehen.[31]

»Liebste Geheimräthin, Sie werden uns das nicht anthun. Ich führe Sie in die Schlafstube, ein halb Stündchen Ruhe, ich kenne ja Ihre Seelenstärke, und Sie haben sich erholt, wenn Sie uns gut sind.«

»Beste Geheimräthin,« erwiderte die Lupinus, »ich erkenne Ihre himmlische Güte, aber glauben Sie mir, die Luft erdrückt mich.«

»Im Speisesaal ist sie ganz anders. Es ist gedeckt. Wir warten nur auf den interessanten Fremden, den Legationsrath v. Wandel, Sie haben doch schon von ihm gehört, er ist sehr begütert in Thüringen. Mein Mann sagt, ein Mann von eminenten Gaben. Ich hatte es mir so hübsch vorgestellt, er sollte Sie zu Tisch führen. Wo konnte ich ihm eine geistreichere Nachbarin verschaffen. Er ist nur zu einer Audienz bei Prinz Louis Ferdinand ganz plötzlich beschieden, aber er muß den Augenblick hier sein.«

»Ich einen Mann von Geist unterhalten! Sie spotten meiner. Ach aber es ist nicht das. – Mein armer Mann – er sitzt noch bei der Studirlampe – ich sehe ihn wieder, verzeihen Sie, theuerste Freundin, es presst mich, es sprengt mir die Brust – ja, mir ist, als wenn jetzt ein großes Unglück zu Hause geschähe. Nicht mir, meines guten Mannes wegen verzeihen Sie die Störung.«

»Es ist recht schade, daß die Frau Geheimräthin an Visionen leidet,« bemerkte die Hofräthin am Spieltisch, der man die Zufriedenheit ansah, daß die Baronin die Karten übernommen hatte. »Es ist doch mit dem Nervensystem etwas Singuläres. Und es stört mancherlei.«

»C'est le temps!« bemerkte Bovillard, der inzwischen hinzugetreten. »Un peu mystique, un peu clair-obscur, un peu clairvoyance et un peu de vérité, voilà tout. Es ist wie mit dem Schnupfen. Man glaubt ihn los zu sein, da kommt er wieder.«

»Herr Jemine,« rief die Baronin, als sie ausspielen sollte. »Ich kann ja nicht, ich habe meinem Manne seine Karten gesehen.«

Das sah Jeder ein. Die Hofräthin öffnete vor Schreck den Mund, fast wie vorhin die junonische Frau. Die Partie war wirklich zerstört. Da übernahm der wirkliche Geheimrath die Karten. Er blieb der Gott des Abends. Man sprach noch nach Wochen in den Kreisen von der Liebenswürdigkeit dieses Staatsmannes. – Er ist später gestürzt; die Hofräthin hielt fest am Glauben. Sie versicherte noch nach langen Jahren, es sei nur die schwärzeste Kabale, die einen solchen Mann stürzen können.

Unten im Hausflur wartete Johann. Er zitterte noch immer. Indem er der Geheimräthin die Enveloppe umgab, ging die Hausthür auf, ein verspäteter Gast trat ein. Als er den Mantel abwarf und seinem Diener Anweisungen wegen des Abholens gab, erkannte sie in ihm den Fremden, dem sie vorhin auf der Hintertreppe begegnet[32] war. Die Blässe seines Gesichts war durch die schwarze, seine Hoftracht nicht gemindert. Ein Mann in mittleren Jahren und stattlicher Figur, stieg er leicht mit den Bewegungen vornehmer Sicherheit die Treppe hinauf. Ein Ordensband und Kreuz schien unter der Halsbinde versteckt. Ein Band am Knopfloch deutete auf ein anderes Ehrenzeichen.

Der Fremde hatte die Geheimräthin, die im Schatten der aufgehenden Thür stand, nicht gesehen. Einen Augenblick schien sie im Zweifel, ob sie nicht umkehren solle. Sie fühlte sich wieder wohl. Die frische Luft im Flur hatte wahrscheinlich gut gewirkt. Aber – es schickte sich nicht.

Sie saß im Wagen. Die Thür schlug zu. Sie lehnte sich in die Ecke und – weinte. Weil es sich nicht schickte! – Darum? – »Und das heißt leben,« fuhr sie auf, »unter diesen langweiligen, nüchternen, abgeschmackten Puppen wandeln, sich kleiden, sprechen, die Gefühle und Gedanken zusammenhalten, damit ja nichts entschlüpft, was sich nicht schickt. Und darum leben wir!«

Der Herr Geheimrath sind noch auf, hörte sie, im Hause angelangt, aber Sie haben befohlen, es soll Sie Niemand stören, Sie sind in einer wichtigen Untersuchung.

Zum ersten Mal, seit wie langer Zeit! fühlte die Geheimräthin ein Verlangen, ihren Mann zu sehen. Er war doch etwas anders, als die Larven in der Gesellschaft. Er liebte die Menschen in seinen Büchern; im Vergleich mit Jenen war er ein freier Mann, denn von dem Gesetz des Sichschickens, was diese tyrannisirte, hatte er sich losgemacht. Hatte er doch auch, als sie vor langen Jahren nach Italien reisten, geschwärmt, wie er es konnte, wenn nicht für Kunst und Natur, doch in dem reichen Trümmerlande für die Wege, welche Horaz geschildert, für die Ruinen, welche die Sage nach ihm nennt.

Das waren nun längst vergangene Dinge. Die Geheimräthin schwärmte nicht mehr für Italien. Sie wäre einmal gern nach London oder Paris gereist; jetzt auch vielleicht nicht mehr. Berlin war ihr unausstehlich, aber sie wusste nicht, wohin sich wünschen.

Sie wollte ihren Mann sehen, irgend etwas mit ihm sprechen, was sie nicht an die Gesellschaft erinnerte. Vielleicht traf sie doch auf einen Ton, wo ihre Seelen zusammenklangen.

Er sah nicht auf, als sie eintrat. Er hörte auch nicht die leis geöffnete Thüre, nicht das Rauschen ihres Kleides. Den Lichtschirm vor den Augen, die Feder im Munde, saß er zwischen zwei Folianten, in denen seine Finger als Zeichen lagen, um die Varianten in jedem Augenblick aufschlagen zu kennen, und seine Augen flogen von der einen zur andern Stelle. Sie trat näher; auch da keine Regung. Mit unterschränkten Armen betrachtete sie ihn. – Ist das ein Mensch oder eine Pagode? – Sie schritt langsam im Kreis um ihn, ohne[33] sich zu sehr Mühe zu geben leis aufzutreten; aber die mit Heu dicht unterstopfte Decke verrieth sie nicht. In einem Moment war es ihr, als ob sie auflachen müsse; im nächsten, als müssten die Thränen ihr aus den Augen stürzen. Sollte sie ihn anreden? Das hieße einen Nachtwandler aus seinem Traum aufrufen. Erst als sie sich wandte, um hinauszugehen, wehte er mit der Hand. Es war als ob instinktartig eine Ahnung ihn überkommen, daß ein Wesen in der Nähe sei, das ihn stören könnte.

Leise hatte sie die Thür wieder zugedrückt. Durch das Flurfenster schien der Mond auf die Rumpelkammer, durch die der Weg nach ihrem Schlafzimmer führte. Die wunderlichen Ecken und Spitzen der alten Möbeln starrten sie im Mondenlicht eigenthümlich an. Es überfuhr sie ein Schauer, sie lachte, um sich Luft zu machen, hell auf. Aus den Winkelu schien es ihr zu antworten.

Die Jungfer hatte die Nachtlampe in ihrer Schlafstube hingestellt. Der Geheimräthin war es zu dunkel. Sie musste die Kerzen auf dem Armleuchter anzünden. Sie war beim Entkleiden ungehalten, sie behauptete, die Jungfer verfahre mit Absicht ungeschickt. Sogar entfuhr der sanften Frau der Vorwurf: sie steche sie aus Bosheit. Die Jungfer weinte. Die Geheimräthin hielt ihr eine ernste Vorhaltung, ob das ein Grund sei, um Thränen zu vergießen? Sie erinnerte sie an die vielen leidenden Kreaturen, denen der Schöpfer nicht einmal eine Stimme gegeben, um zu klagen. Wenn Jeder klagen wollte, was ihn drückte, ob es in der Welt vor Gewimmer und Thränen auszuhalten sei! Die Geheimräthin fragte sie mit Würde, ob sie glaube, daß die armen Mädchen mehr litten als die vornehmen Damen, die ihre Schmerzen verhalten müssten? Sie ermahnte sie zur Duldung, zum Gehorsam, zur Tugend, und entließ sie.

Die moralische Vorhaltung schien auf die Predigerin selbst keine Rückwirkung geübt zu haben. Sie saß entkleidet an ihrem Bett, das Gesicht im Ellenbogen gestützt, und starrte in die Lichtschnuppen der Kerze. Da fiel ihr Auge, den Lichtstrahlen folgend, auf ein Spinnengewebe am Winkel der Zimmerdecke. Es war Freitag. Das Reinigungsgeschäft sollte erst am Sonnabend erfolgen. Die dicke Spinne, die sie heut nicht zum ersten Male bemerkt, lag schlafend in der Mitte des Raubnetzes, das sie ausgespannt, gesättigt und erschlafft, schien es, von dem Mordgeschäft, worauf die todten Fliegen im Netz deuteten. Die Geheimräthin stand auf und nahm den Armleuchter. Ihre Augen waren scharf, ihr Arm aber reichte nicht bis an die Decke. Ein Kitzel, die Nemesis zu spielen, überkam sie. Die Bäume im Hofe, vom Winde bewegt, schlugen gegen das Fenster. Das war doch keine warnende Stimme! Es war ja kein Unrecht, ein solches mörderisches Ungeziefer zu vertilgen, das selbst seine Netze ausspannt zur Vertilgung seiner Mitgeschöpfe. Sie holte[34] einen Stuhl. Auch der war zu niedrig. Sie schleppte mit Anstrengung einen Tisch heran. Warum that sie es mit angehaltenem Athem, warum bemühte sie sich, ja kein Geräusch zu machen? Warum schlich sie auf den Zehen, da sie schon in bloßen Füßen ging? Warum pochte ihr Herz, als sie auf den Stuhl und vom Stuhl auf den Tisch stieg? Die Spinne regte sich nicht. Nur das Gewebe schaukelte etwas, wie eine Hängematte vom Hauch des Lichtes angeregt. Draußen rauschten wieder die Aeste. Hätten sie die Spinne geweckt, vielleicht hätte die Geheimräthin sie geschont. Was schonen! Morgen vollbrachte es der Besen der Magd.

Wer ihr ins Gesicht gesehen, wie die Augen glänzten, die Lippen sich krampfhaft verzogen! Jetzt war's geschehen. Ein Knistern. Die Spinne, zusammenglühend, schien sich einmal zu krümmen, dann flackerte das Netz in leichten Flammen auf und der verkohlende Körper schwebte nieder. Die Geheimräthin schloß, krampfhaft zurückfahrend, die Augen, als sie einen heftigen Schmerz empfand. Die schief gehaltene Kerze hatte einen heißen Wachstropfen auf ihren bloßen Fuß gespritzt.

Die Aeste rauschten zum dritten Mal. Es war der Grabesgesang. »Die hat ausgelitten! Sie empfindet keinen Schmerz mehr! Und wie leicht und schnell!« sagte die Geheimräthin. Ihr Fuß musste ja noch morgen bei der zarten Komplexion ihres Körpers empfindlich schmerzen.

Jetzt aber schmerzte er sie nicht. Sie empfand ein Wohlbehagen, das der Empfindung eines Rausches verwandt war. Sie hatte eine Kreatur, die doch zum Tod verdammt war, rascher aus der Welt geschafft, als es morgen der stumpfe Besen der gefühllosen Magd gethan hätte. Und im Schlaf! Sie hatte ihr einen seligen Tod bereitet.

Sie suchte noch mehr Spinnen; aber im Zimmer war keine mehr zu entdecken. Dagegen hingen an den Wänden unzählige Fliegen, die der regnerische Tag hineingetrieben. Noch vorsichtiger schlich sie auf den Zehen heran, und es glückte ihr, die erste, zweite, auch eine dritte durch das schnell angehaltene Licht zu tödten. Morgen würden sie langsam, unter furchtbaren Qualen am Fliegenstock verenden; jetzt im Lichtschein, im Taumel, waren sie einen Augenblick erwacht und verglüht.

So musste auch Semele in einem Moment glückselig und todt sein, angeleuchtet von Zeus' Lichtglanz und verbrannt von der Wonne – dachte die Geheimräthin.

Aber nicht alle Fliegen wollten diesen seligen Tod sterben. Als sie der einen die Flügel angesengt, und das Insect summend aufflog, löste sich allmälig der Schwarm von den Wänden. Sie summten um das Licht, um ihren Kopf, und die Geheimräthin stand[35] wieder athemlos in der Mitte des Zimmers, mit dem freien Arm die aufgestörten Thiere abwehrend. In dem Augenblick war ihr nicht wohl zu Muthe. Die Thiere wurden so groß und schwarz und mit feurigen Augen; sie kamen ihr wie die Erynnien vor. In dem Augenblick wünschte sie, sie hätte nicht angefangen.

Sie wollte das Licht auslöschen, sich ins Bett vergraben und die Decke über den Kopf ziehen, aber sie fürchtete sich ohne Licht. Da hörte sie die Stimme ihres Mannes, der draußen die Thüre öffnete: »Johann, ich will zu Bett gehen.« Aber Johann hörte nicht, auch nicht auf den wiederholten, verstärkten Ruf. Johann hatte sich auf ihr Geheiß zu Bett gelegt, um zu schwitzen. Es war ihr lieb, daß Johann nicht hörte; er schlief also wahrscheinlich. »Dem thut es mehr Noth,« dachte sie, »und Lupinus kann sich selbst helfen.«

Der Geheimrath schlug brummend die Thür zu, und musste sich wohl selbst geholfen haben. Sie hörte nichts mehr. Auch die Fliegen hatten sich wieder zur Ruhe begeben. Aber nach einer Weile schellte sie nach der Jungfer. Sie schellte immer stärker und die Jungfer musste aus dem Bette.

Als sie ins Zimmer kam, war die Geheimräthin eigentlich in Verlegenheit. Sie wusste nicht, warum sie nach ihr verlangt.

»Befehlen Frau Geheimräthin vielleicht Cremor Tartari? Oder soll ich Kamillenthee kochen?«

»Nein, mir ist ganz wohl,« sagte die Geheimräthin. Aber im nächsten Augenblick sagte sie, morgen früh solle zum Hofrath Heym geschickt werden: »Und ganz früh. Hört Sie, Lisette. Damit Sie ihn noch zu Hause treffen. Und ich ließe ihn dringend ersuchen, mich zu besuchen, ehe er zur Prinzeß Ferdinand fährt. Die hält ihn immer so lange auf. Ja, hört Sie, es soll ihm recht dringend gemacht werden, denn ich fühle, ich werde sehr krank werden. Und er kann auch für den Johann gleich ein Recept verschreiben, die Sache muß doch endlich zu Ende kommen.«

Wenn ängstliche Träume ein Zeichen der Ungesundheit sind, musste die Geheimräthin sehr krank sein. Es waren nicht mehr Fliegen und Spinnen, sondern lauter Marionetten, die ihr keine Ruhe ließen. Da kam der fieberkranke, blasse Johann und sprang mit zusammengehaltenen Beinen und fragte sie, ob es nun nicht bald mit ihm zu Ende ginge? Dann füllte sich die Schlafstube mit der ganzen Gesellschaft vom vorigen Abend, lauter Gliederpuppen, die an Drähten vom Schornstein aus geführt wurden. Sie tanzte und das Holz klappte unangenehm. Wenn sie am Bette vorbeikamen, gähnten sie und fragten: ob es nicht bald Schlafenszeit wäre? Gern hätte die Geheimräthin gesehen, wer den Draht führte, aber sie konnte, wie sie auch sich anstrengte, den Kopf nicht in den Schornstein[36] zwängen, und wenn es ihr einmal gelang, schoß eine neue Figur herunter und schreckte sie zurück. Dazu klappte ihr Mann als Pantaleone immerfort durch die Stube, und hauchte sich in die Hände und sagte, ihn fröre, und wer ihn nur heiß machen könne! Da rief eine Stimme aus dem Schornstein, deren sie sich nicht entsann, aber gehört hatte sie dieselbe schon ein Mal: Wenn's weiter nichts ist, man braucht ja nur alle die Puppen zu verbrennen, das giebt ein gutes Kaminfeuer. Und dann war es ihr, als ob alles um sie her verbrenne. Sie gerieth in Angst, daß sie mit verbrennen könne und hüllte sich in ihr Bette, bis eine wohlthätige Transpiration ihrer Natur zu Hülfe kam, und sie in einen tiefen, ruhigen Schlaf einhüllte, der so lange andauerte, daß sie erst aufwachte, als das freundliche Gesicht des Hofrath Heym mit den durchdringenden blauen Augen sie anschaute und er mit seiner etwas kreischenden Stimme ihr den Morgengruß bot: »Na, da leben Sie ja noch, Frau Geheimräthin; hab' ich doch wirklich nicht anders geglaubt, wie das Mädchen reinstürzte, als Sie wären schon maustodt.«

Quelle:
Willibald Alexis: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Vaterländische Romane, Berlin: Otto Janke, 4[1881], Band 7, S. 31-37.
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