»Das Lied an den Abendstern«

[41] Die meisten »besonderen« Frauen, die nicht gerade, nun, Sie wissen schon, erwünschen sich naturgemäß einen »Ritter Toggenburg«, einen »Wolfram von Eschenbach«, Einen, der nur singt, dichtet, und verehrt, und dabei schon ganz glücklich ist! Was sonst in ihm vorgeht, interessiert sie nicht, denn sie sind doch Gott Lob seine »Egerias«. Sie helfen ihm, ich weiß zwar nicht, wozu, sie helfen ihm, ach ja, zu seiner Begeisterung für sie! Denn daß er sie verehrt, ohne irgend welche Gegen-Ansprüche zu stellen, beweist doch klar, daß sie es auch ohne Gegenansprüche wert sind, verehrt zu werden! Fern sei es von mir, diese edle »Mittelalterliche Romantik« gerade in unserer verderbten[41] naturalistischen Zeit nicht anzuerkennen und nach Gebühr zu schätzen, aber ich frage mich nur immer, ob es nicht bequemer sei für beide Teile, und das Ganze nicht doch wieder nur ein »raffiniertes« Geschäft sei, unter dem falschen Titel: Selbstlosigkeit?! Eine Frau, die »in der Konversation« anziehender wirkt als »ohne« Konversation, wird immer Den bevorzugen, dem ihre »Konversation« die höchste, die letzte Seligkeit bereitet! Billig! Ich für meinen Teil verzichte gern auf »Konversation«, das ist aber nur, weil ich wirklich ganz frech zurückgeblieben ungebildet bin!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 41-42.
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