Besprechung mit sich selbst

[104] Ob ich Ihn liebe oder Er mir diese ganze komplizierte, interessante, merkwürdige, rätselhaft verworrene Welt einfach ersetzt,

ich weiß es nicht ganz klar, selbstverständlich.

Aber Eines weiß ich: Ich fürchte seinen Haß, seine Verachtung,

sein künftiges unbedingtes »moralisches Urteil«

über mich!

Ist das Liebe?! Nein, aber irgendwie hängt es damit zusammen.

Nicht existieren zu wollen, zu können,

wenn »ein Bestimmter« Uns

menschlich verdammt und mißachtet! Vor Uns, über Uns innerlichst verachtend ausspuckt![104]

Ich möchte, aus innersten hunderttausend lebendigen Energieen,

die in mir nach einem Ausweg, sich ununterbrochen zu betätigen, drängend suchen,

kämpfen, ja, mich martern, mich zerstören,

auf seinen Haß, auf seine Verachtung

verzichten können, brutal-Napoleonisch,

doch ich kann es nicht!

Weshalb zwingt Er mich nicht unter sein Joch,

sondern schaut absichtlich ruhig zu,

nach welcher Seite ich mich endlich wenden werde?!?

Er weiß, daß ich nicht genug stark bin,

den rechten Weg anständiger Entschließung

allein zu schreiten!

Wie eine »drohende Wolke« schwebt also sein Haß, seine Verachtung über meinem feigen blonden Haupte!

Er achtet mich vielleicht eines anständigenEntschlusses für würdig – – –.

Ich bin es nicht!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 104-105.
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