Das Echo

[76] So viele ganz gebildete Männer sagen mir: »Nein, auf Intelligenz bei einer Frau, über das Maß hinaus (welches, mein Lieber?!),

verzichte ich, ja, es stört mich sogar. Intelligent, sehen Sie 'mal, bin ich selber. Aber Schönheit, Anmut, Kindlichkeit, das Andere des Lebens!«

Das verstehe ich nicht. Ohne geistigen Einklang gibt es keinen Einklang. Und auf die sogenannte ursprüngliche geniale Intuition der Ur-Kraft des Weibchens verlasse ich mich nicht, nehmen Sie mir es nicht übel.

Es ist eine »Falle«.

Beethoven, Schubert, dachten zwar tief in »Musik«.

Aber die Frau drückt sich mit Worten aus wie wir. Auf diesem Instrumente spielt nur der »tief erkennende Weltgeist«! Habe ihn oder habe ihn nicht, mit Intuition ist da wenig geholfen.

Wenn eine Frau aber seelisch-geistig die ewige photographische Platte meines Weltenlebens ist, erlebe ich mich in ihr,

vielleicht geläutert, reiner, deutlicher, von momentaner Unrast nicht beunruhigt.

Sie nimmt liebevollst zärtlichst mütterlich schwesterlich freundschaftlich mein Geistesleben in sich auf,

und zeigt es mir, verklärt, durch ihre Frauen-Ruhe, vielleicht in seinem wahreren Wesen!

Wie könnte ich, wenn ich laut in diese verwirrte Welt meines Geistes tieferes Erkennen ängstlich rufe,

auf das Echo verzichten, das mir wenigstens aus verständnisvollster Frauenseele widerschallt?!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 76-77.
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