Die Äußerlich »vollkommene«

[145] Kurz ist mein Frühling!

Es auszunützen wäre gemein und ungenial.[145]

Obzwar Alle es tun.

Ich könnte die Verantwortung nicht auf mich nehmen,

dann noch zu gefallen, wenn ich nicht mehr gefalle,

nicht mehr so, so, so mysteriös-märchenhaft, so zauberhaft unerklärlich gefalle, rühre und begeistere!

Kurz ist mein Frühling.

Auch Blumen verblühen, Sträucher, Bäume, Alles.

Aber sie tragen keine Verantwortung ihres Verblühens! Sie dürfen es.

Ich aber, wie könnte ich leben von der bisher merkwürdigen Anerkennung meines bloßen Seins,

wenn ich es einst erleben müßte,

daß Jener ein wertloser Idiot war,

wenn er mich noch anerkennt,

wenn nichts mehr an mir anzuerkennen ist!?

Wodurch, wodurch sollte ich es ihm ersetzen können,

daß ich ihm nicht mehr erscheine wie blühender Flieder im Mai?!

Daß er sich nicht mehr gräme um mich, nicht um mich zittere und krank werde,

und meiner Finger leiser Druck ihn nicht mehr heile?!

Kurz ist mein Frühling!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 145-146.
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