Entwicklung

[223] Du, angeblich Kultivierter, selbstverständlich höchst Unkultivierter, hast nicht das Recht, ewig bis an Dein Lebensende (Deine begrenzte Ewigkeit eben) von Schicksals Ungnaden aus Der zu bleiben, der Du bist! Sondern im Gegenteile, es ununterbrochen, wenn auch ganz vergeblich sogar, es zu versuchen, Dich irgendwie noch ganz zuletzt zu verbessern, und deine zahlreichen Lebensirrtümer innerlich zu beichten, zu bereuen! Ich sage nicht: Der Raucher gebe seine ihm vorläufig oder auch nachläufig unentbehrliche Zigarette auf! Aber ich sage: Er arbeite daran mit seinen ihm noch vorläufig übriggebliebenen geistigen[223] Energieen, zu der theoretischen Erkenntnis wenigstens vorzuschreiten, daß »Rauchen« für die menschliche Funktionierung unserer Lebens-Maschinerie vollkommen unnötig, ja, hemmend sei! Gewisse Kranke rauchen von selbst plötzlich nicht mehr, sie müssen mit ihren übriggebliebenen Kräften haushalten! Wohin aber dann, bitte, mit den beim gesunden Organismus überschüssig gewonnenen Lebens-Spannkräften?!? Jeu?! Weiber?! Sammler-Irrsinn?!? Welcher Vorteil, bitte?! Seine überschüssigen Lebens-Spannkräfte richtig zü geln ist Alles, ist »moderne Kultur des Einzelnen«!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 223-224.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]