Frauenerziehung

[11] Du bist, Mädchen, so wie du eben bist, und wahrscheinlich sein mußt, aus irgendwelchen geheimnisvollen oder nicht geheimnisvollen Gründen!

Wenn du dich verändern könntest, mir zuliebe? Aber welches unsinnige Erwarten meinerseits!? Welche stupide Hoffnung meinerseits?!

Du wirst ewig nur deinen Weg gehen, obzwar du von Sokrates, Diogenes, Tolstoi, Mackaulay, Hamsun, Strindberg, Maeterlinck, Altenberg und anderen, besonderen,

genugsam lernen könntest, es erlernen könntest, einfach selbstverständlich, richtigere, weisere, vornehmere, anständigere, gottgefälligere Wege zu wandeln als du in deiner bisherigen Selbstgefälligkeit gewandelt bist![11]

Aber Ihr erlernt es nicht, weil zu viele

um eure Gunst girren, sich um euch bemühen, denen Ihr gerade recht seid, so wie Ihr seid! Pfui!

Pfui, Ihr hunderttausend Zufriedene mit geistig-seelischer Pofelware, die Ihr den eventuellen »Idealismus« des Mädchens feig dadurch ermordet, indem euch ihre Unzulänglichkeit genügt, man weiß wofür.

Pfui über euch, die Ihr falsch nachsichtig, falsch liebevoll, falsch rücksichtsvoll, falsch aufmerksam, falsch ergeben, falsch opfermütig seid!

Das Schicksal bestraft euch, wenn auch spät, für eure frech-feige und bequeme Lebenslüge!

Der Mann »gibt stets nach«, er ist der geborne Nachgeber im harten, schweren, arbeitsamen, schrecklich komplizierten tragischen Leben!

Aber die Frau »gibt nie nach«!

Das ist ihre schrecklich anziehende und zugleich abstoßende Eigentümlichkeit! Wehe dem, der glaubt, daß sie je nachgibt!

Sie hat nicht die Kraft, nachzugeben, außer sie lebt »für die Kinderln«! Dann ist sie gebrochen, eingekerkert durch ewige Muttersorge!

Dann hat man ihr die Kraft, renitent zu sein, künstlich-organisch gebrochen!

Mutter werden heißt also: zum einzig möglichen Frauenfrieden gelangen!

Es ist also eine physiologische Angelegenheit.

Diejenigen, die aber auch das Natur-gemäße nicht »zu Ruhe und Frieden« bringt auf Erden, die soll man als »leider Hysterische« tief mitleids-voll behandeln wie andere Kranke, von denen man nichts erwartet, weil sie eben krank sind, also in[12] der gesunden allgemeinen Welt nicht leistungsfähig irgendwie!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 11-13.
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