Spende

[13] Jemand schenkte mir zwanzig Kronen, sagte: »Tuen Sie damit etwas, was Ihnen eine Art von langandauernder Freude bereiten könnte!« Für zehn Kronen kaufte ich mir infolgedessen eine bestimmte, längst erschaute und ersehnte, rein und wolkig zugleich seiende Bernsteinspitze für Zigaretten. Die anderen zehn Kronen sandte ich an eine Zeitung, für den Kriegsblinden in einer mir bekannten großen Papierhandlung. Ich schrieb als Motto: »Was ich – weiß, macht mir – heiß!« Dann meinen vollen Namen. Im »Ausweise« erschien jedoch: »Was ich weiß, macht mir heiß,« ohne Namensnennung. Ich denke mich sogleich anständigerweise, gerechterweise in die »Psychologie« der Redaktion hinein: »Aha, da schau her, der Altenberg, der Schlaucherl, will bei dieser Gelegenheit einen ›Geistesblitz‹ umsonst mitabdrucken lassen, daß man von ihm redet und seinen ›Geistesblitz‹ bewundert, nein, dazu, mein lieber Herr, ist der Anlaß doch wohl ein bißchen zu ernst und tragisch, nicht?!«

Ich hingegen sage in diesem Falle hinwiederum folgendes, auch nicht Unlogisches: »Wenn Ihr meinen ›Geistesblitz‹ authentisch und mit vollem Namen bringet, so macht Ihr erstens eine Menge Schriftsteller, die ein größeres Einkommen als 400 Kronen monatlich haben, aufmerksam, sich ebenfalls zu betätigen in solchen tragischen Fällen!« Ferner aber, die allgemeine Philosophie: Wenn du schon in all[13] gemeinen Dingen hartherzig, verschlossen, geizig, unmenschlich, liebelos, unreligiös, unbarmherzig bist, und dich nur »Frau und Kind und Schwiegermutter und Erbonkel« interessieren, dann mache wenigstens eine Ausnahme in jenen wenigen Fällen, wo du zufällig die Tragödie mit Namen und Wohnungsadresse und detaillierten Umständen des Ereignisses leider kennen gelernt hast! Das bedeutet mein: »Was ich – weiß, macht mir – heiß!« Das ausgelassene »nicht« ist' eben eine Entschuldigung für die, denen Gott sei Dank nichts heiß macht, was sie nicht wissen. Aber die, die es wissen?!? Die Zeitung hat recht, und ich habe recht, ein jeder von seinem Standpunkte.

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 13-14.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]