Schicksal, du bewahrst mich

[347] Habe ich wirklich eine Mission mitbekommen von irgendwoher (es gibt Weltenrätsel), die Menschen aufzuklären, kraft meines engbegrenzten Schreib-Talentes, über ihre Lebens-Lügen, die ihnen Milliarden Lebens-Spannkräfte rauben, sie vorzeitigem Verwelken entgegen-verurteilen?!? Ich will von dem Irrsinnigen in Gmunden nicht sprechen, der mir schließlich den Tod durch Pistolenschüsse ankündigte, von dem Irrsinnigen in Graz, August J., der mich nachts 1 Uhr mit einem Küchenmesser überfiel, nicht von den sieben Sanatorium-Gefangenschaften usw. usw. usw. Aber in der gestrigen Nacht, 19. Juli 1918, stand ich unter Schicksals gnädigstem Schutze, unbedingt! Ich erwachte sanft um 4 Uhr morgens. Ich sah auf meinem herrlichen braun-karierten, mit zartesten Eiderdaunen gefüllten,[347] riesigem Plumeau (Bauern-Duchent!) einem großen, leeren, weißen Fleck mit rotglühendem Rande. Meine Zigarette! Ich schlich vorsichtig unter der Decke hinaus ins Zimmer, begoß vorsichtig genau den ganzen rotglühenden Rand mit Wasser, legte mich sofort nieder und schlief herrlich tief bis 8 Uhr. Seitdem aber weiß ich es, daß ich, aus irgendeinem Grunde, vom Schicksale bestimmt bin, noch nicht zu sterben! Unzählige Male errettete mich das Schicksal, aber diesmal ließ es außergewöhnlich eindringlich sein Mahnwort ertönen, an mich Sünder!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 347-348.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]