Stammgäste

[160] Stammgäste eines bestimmten Lokales, in der Großstadt, kommen Einem ein bißchen beschränkt zurückgeblieben, falsch konservativ vor. Aber Stammgäste eines bestimmten Landaufenthaltes sind rührend konservativ und äußerst sympathisch. Vor Ihnen, hinter Ihnen liegen Stationen mit Wäldern, Hügeln, Bächen, Bergen, Seen, nein, sie steigen samt Gepäck und Familie, oft sogar ohne Familie, an einer ganz bestimmten Station aus, und verbringen dortselbst ihren Sommer. Kein Freund kann ihnen den seit Jahrzehnten vielgeliebten, vielgeschätzten Ort »mies« machen durch Berichte über andere Orte. Solange er dorthin hingeht, wo er hingeht, wird Ihm nichts Böses widerfahren. Er kennt jeden Baum und jeden Strauch. Er kennt alle Begrüßungsworte und alle Abschiedsworte und alle Worte dort überhaupt. Rechts geht man dorthin, links wo die »7 Eichen« sich noch nicht vermehrt haben und der »Scheiterplatz« noch »Scheiterplatz« heißt. Die »Kleine Aussicht« ist noch nicht größer geworden, und dort, wo es nach »Mühle« geduftet hat, dort duftet es noch jetzt nach »Mühle«. Zimmer Nr. 7 wird immer für ihn reserviert gehalten, sowie Zimmer Nr. 12 für den Anderen. Man glaubt, man sei der[160] Herr über das Alles. Ist man es denn nicht, da man es tief in seinem Herzen genießt?!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 160-161.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]