Tapeten

[129] Ich zeigte der Dame viele wunderbare Tapeten-Muster, für Schlafzimmer, Speisezimmer, für überflüssige Zimmer, Tapeten-Muster, billig, die für mich und Paula »Ideale« wären, wenn wir genügend unvernünftig wären, uns »für ständig« einzunisten irgendwo, pfui. Die Dame sagte: »Das ist zu unruhig, zu apart, was würden die Besucher dazu sagen?! Und die Tante und der Herr von Pipsti?! Lassen Sie sich daraus ein Gewand machen, Sie fallen ja gern auf!« Infolgedessen wußte ich, was Paula schon seit eh und je weiß, daß man Niemandem hinauf-helfen kann, sondern nur Schimpf und Schande dabei einheimst! Selbst bei Tapeten rächen sie sich bereits, daß sie sogar von Tapeten nichts verstehen! Denn »nichts verstehen« von einer Sache, erzeugt nicht Demut, sondern Rache! Diese gehören zusammen, die schon seit jeher zusammen gehören, und die Anderen sind die feigen, erbitterten, blödsinnigen Gegner! Was der Heiland erlebte, erlitt, erleidet ein Jeder, der richtiger denkt als die Anderen. In den »kleinsten, unscheinbarsten Angelegenheiten« des Lebens findet es statt, nicht nur in den wichtigen. Weshalb soll eine besondere, aparte, zarte, künstlerische Tapete Deines Zimmers nicht Deines ganzen Lebens Richtschnur sein?! Die Frau, die es »häßlich« findet, meide! Weise[129] sie sogleich von Dir, sie wird noch mit ganz andern Dingen nicht einverstanden sein in Deinem Leben. Wie kannst Du sie, Esel, glücklich, ja nur zufrieden machen, wenn sie schon Deine Tapete stört?!?

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 129-130.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]