Verdienen

[130] Es gibt so viele, so unzählige, wirklich aber nicht mehr zählbare Menschen, die wollen nur verdienen, verdienen, verdienen. Der Taumel hat sie erfaßt; der Andere, mein Lieber, verdient auch, und besser als Du. Das läßt Du Dir also bieten?! Aber wofür, wofür er dem Verdienste nachrennt?! Will er in die »Oper« dafür zu Richard Wagner?! Oder zur Sommerszeit ins »Gesäuse«? Oder besondere Bücher, ja nur besondere ihm genehme Taschentücher?! Oder, nein darüber wollen wir nicht sprechen, obzwar es möglich wäre, Gott, die Frauenwelt!? Nein, er will verdienen, weshalb, weil Andere verdienen. Aber nein, das »Verdienen«, dieses nichtssagendste, inhaltsloseste Wort allein reizt ihn. Verdienen! Wofür?! Um zu »verdienen«. Und dann?! Dann wieder und noch. Bis man tot ist. Eine Pflicht, die man sich selbst aufgebürdet hat. Willst Du Dir nicht, Verdiener, schließlich an dem Wolfgang-See ein Nestchen bauen, ein Motor-Boot, Fremdenzimmerchen für Erlesene, der romantischen Natur Dich edel-weise hingebend für Deine letzten 20 Jahre?! Nein, er will nicht. Er will verdienen! Ruhe-los! Verdienen!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 130.
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Mein Lebensabend: [Reprint der Originalausgabe von 1919]