Siebenter Tag.

[104] Nach acht Vhren als ich erwachet, vnnd mich schnell angelegt, wolte ich mich wider hinein in den Thurn begeben, Aber es waren der finstern Gäng in dem Wall so viel vnd mancherley, daß ich ein gut weil jrr gieng, ehe ich ein Außgang gefunden. Diß geschah anderen auch, biß wir entlich in dem vntersten Gewelb wider zusammen kamen, vnd wurden vns gantz gelbe [Rand: die Gäste / legen ihre / Trauer ab, / werden zu / Rittern ernennt und / beschenkt] Kutten sampt vnsern guldin Flüssen gegeben. Dazumal zeiget vns die Jungfraw an, wir weren Ritter zum Guldin Stein, welches wir zuvor nie wusten. Nach dem wir vns nun also fertig gemacht, vnnd das Frühstück genommen: verehret der alte Mann jedem ein stuck Golds, auff der einen seiten stunden diese Wort:


AR. NAT. MI. [Rand: Ars / naturæ / ministra / Temporis /natura / filia]


Auff der andern seiten diese:


TE M. NA. F.


Vermahnet vns auch darzu, wir solten vber vnd wider diesen Denckpfennig nit handlen. Hiemit zogen wir auff das Meer hinauß, da waren vnsere Schiff so köstlich zubereitet, daß nit wol müglich gewest, es müssen solche schöne Sachen erst daher gebracht worden[105] sein. Der Schiff waren zwölffe. Sechs der vnserigen, vnd sechs deß alten Herren. Der ließ seine Schiff mit lauter wolgebutzten Soldaten besetzen. Er aber begab sich zu vns in vnser Schiff, da wir alle beyeinander [Rand: sie schiffen / ab] waren: Ins erste setzeten sich die Musicanten, deren der alte Herr auch eine grosse anzahl hat, die fuhren vor [Rand: Flaggen / der Schiffe] vns her, die weil zu kürtzen, vnsere Fahnen waren die zwölff Himmlische Zeichen, so sassen wir in der Wag, [Rand: das Schiff / des Verf. / hat eine / Vhr] Neben andern hatte vnser Schiff auch ein herrliche schöne Vhr, die zeiget vns alle Minuten, so war das Meer so still, daß es ein sonderlicher lust zufahren was. Vber [Rand: Gesprächigkeit / des Alten] alles aber war deß Alten gespräch: Der kundte vns mit wunderlichen Hystorien die weil dermassen vertreiben, daß ich mein Lebenlang hätte mögen mit jhm fahren. Vnter deß giengen die Schiff mechtig schnell fort, denn ehe wir zwo stund gefahren, saget vns der Schiffman, Er sehe allbereit fast den gantzen See mit Schiffen bedeckt, darbey wir kundten abnemmen, man zoge vns entgegen, welches auch wahr gewesen, dann so bald wir auß dem Meer durch obangeregten Fluß zu dem See [Rand: 500 Schiffe / kommen / ihnen entgegen] kommen, hielten allda in die fünffhundert Schiff, vnter welchen eines von lauter Goldt vnd Edelgestein schimmert, darinnen sassen der König vnd Königin, sampt mehr Hochgebornen Herren, Frawen vnd Jungfrawen. So bald man nun vnser recht ansichtig worden, ließ man [Rand: salutieren / einander] zu beyden theilen alle Stuck loß gehen, vnd war von Posaunen Trommeten, vnd Heertrumlen ein solch geprassel, daß alle Schiff auff dem See gezittert. Entlich so bald wir hinzu kommen, vmbringeten sie vnsere Schiff miteinander, vnd hielten also still. Alsbald machet [Rand: Atlas thut / eine Anrede] sich der alte Atlas vons Königs wegen herfür, thät ein kurtze doch zierliche Oration, darmit er vns hieß willkommen sein, mit begeren ob die Königliche Gaab zugerüst were: Meine andere Gesellen nam größlich wunder, warvon dieser König aufferstanden were, dann sie meineten nit anderst, dann sie musten jhn wider erwecken:[106] Wir liessen sie auff jhrer verwunderung bleiben, vnd stelleten vns auch als obs vns frembd däuchte: Auff des Atlantis Oration machet sich vnser Alter herfür: Respondieret etwas weitleuffigers, darinnen er dem König vnd [Rand: dem / antwortet / der Alte] Königin alles Glück vnd vermehrung wünschet, vberlieffert hierauff ein klein zierlich Trüchlein, was aber darinnen weiß ich nicht, allein wurde es Cupidini, so zwischen jhnen beyden vmbhasplet zubewahren befohlen: [Rand: Cupido beschenkt das / Königliche / Paar] Nach vollendter Oration ließ man abermal frewden Schuß abgehen, vnd fuhren wir also ein gute zeit miteinander dahin, biß wir entlich zu einem anderen gestad kamen.

Diß war nahe bey der ersten Porten, da ich von erst hienein kommen. Auff diesem Platz warteten abermal ein grosse mennig deß Königlichen Hoffgesinds, sampt etlich hundert Pferden. So bald wir nun ans Land gestossen, vnnd außgetretten, botten vns der König vnd Königin alle mit einander die Händ, mit sonderer freundtlichkeit, vnnd musten wir also zu Pferd sitzen. Hie wil ich den Leser freundtlich gebetten haben, Er wolle mir folgende Narration zu keinem eygenen Ruhm oder stoltz deuten, sondern mir das zutrawen, daß da es nicht ein sonderliche Notturfft, wolte ich solcher mir erzeigten Ehr wol gar geschweigen: Wir wurden alle nach einander vnder die Herren außgetheilt: Vnser Alte Herr [Rand: Ehre, die / dem Verf. / widerfährt] aber, vnnd ich Vnwürdiger musten neben dem König reiten, vnnd trug vnser jeder einen Schneeweissen Fahnen, mit einem rohten Creutz, Ich zwar wurde vmb meines Alters willen gebraucht, dann wir beede hatten lange grawe Bärt vnd Haar. So hatte ich meine Zeichen auff dem Hut herumb gehefftet, deren der Junge König bald war genommen, vnd gefragt, ob ich der were, so die Zeichen vnder dem Chor hätte lösen können? Ich antwortet vntertheniglich, Ja: Er aber lachet mein, mit vermeldung es bedürffe sich fürohin keines geprängs. Ich wer sein Vatter. Fraget mich Hierauff, warmit ich [Rand: Vatter][107] sie doch gelöset hätte? Ich antwortet, mit Wasser vnnd [Rand: hatte seine / Zeichen / mit Saltz / und Wasser / gelöset] Saltz, da verwvndert er sich, Wer mich so witzig gemacht. Hierauff wurde ich etwas keckers: Vnnd erzehlet jhm wie es mit meinem Brot, der Tauben vnd Raben ergangen. Er ließ jhms gefallen, sagt auch außtruckenlich, es musse mir Gott sonderlich viel glück hierzu verliehen haben.

Hiemit kamen wir zur ersten Porten, da der Hütter mit dem blawen Kleyd stund, der trug in der Hand ein Supplication, So bald er mich nun neben dem König ersehen: Vbergab er mir die Supplication, deß vnderthenigen anersuchens, Ich wolte seiner Trew gegen mir [Rand: der erste / Pförtner, / wer er gewesen, / was er / verbrochen] bey dem König gedencken: Nun fraget ich erstlich den König, wie es doch umb diesen Hüter beschaffen wäre? Der antwortet mir freundtlich: Es wäre ein berümbter trefflicher Astrologus, so allwegen bey seinem Herren Vattern in hohem ansehen gewesen. Nun hab er sich [Rand: der Verf. / wird / wegen / gleichen /Verbrechens / von ihm / verrathen] auff ein zeit gegen Fraw Venere verwürcket, vnd die in jhrem Ruhbett besichtiget, deßwegen jhm diese straff auff erlegt worden, daß er so lang der ersten Porten hüten solte, biß ihn jemand würde hievon erlösen. Ich antwortet, ob er dann auch zu erlösen wäre: Der König sprach ja, so jemand erfunden wurde, der sich so hoch versündigt als er, der müste an sein statt stehen, vnd er wer loß: Diß Wort gieng mir zu Hertzen, dann mein Gewissen vberzeuget mich, daß ich der Thäter wäre, doch schweig ich still, vnnd vbergab hiemit die Supplication: So bald er die gelesen, Erschrickt er hefftig, daß es auch die Königin, so nur hinder vns mit vnseren Jungfrawen, vnd noch einer Königin, deren ich oben in Auffhenckung der Gewicht gedacht, geritten, gemercket, Ihn deßwegen gefragt, was dieser Brieff zubedeuten habe. Er aber wolte sich nichts vermercken lassen, sondern nam den Brieff zu sich, vnd fieng an von anderen Sachen zu reden, biß wir also umb drey Vhre vollends in das Schloß hinein kamen.[108]

Da wir abgestiegen, vnnd den König in obgedachten seinen Saal begleitet: Alsbald fordert der König den Alten Atlanten zu sich in ein klein Stüblein, zeiget jhm [Rand: was hierauff im / Schloß vorgefallen] den Brieff, der saumet sich nit lang, ritt wider zum Hütter hinauß, die sachen besser einzunemmen. Hierauff setzet sich der Junge König mit seinem Gemahl, auch andern Herren, Frawen vnd Jungfrawen nider. Da fieng vnser Jungfraw an, vnsern gehabten fleiß, mühe [Rand: die Jungfraw mit / der Fackel] vnd arbeit hoch zu rühmen, mit bitt, vns Königlich zu begaben, Sie aber jhrer Commission fürohin geniessen zulassen: So stund auch der alte Herr auff, vnd bezeugets, dz alle der Jungfrawen reden wahr, vnd deßwegen billich, daß wir zu beeden theilen befriediget wurden: Hiemit musten wir ein wenig abtretten, Vnd wurde beschlossen, jedem einen müglichen Wunsch zuthun, so solle er dessen gewert sein, dann es wer nicht zu zweifflen, der Verständige wurde auch den besten wunsch thun, vnd hierauff solten wir vns besinnen, biß nach dem nachtessen. Dieweil fiengen der König vnnd [Rand: das Königl. / Paar / spielet] Königin kurtzweil wegen miteinander an zuspielen. Das sahe einem Schach nicht vngleich, allein hätt es andere Leges: Es waren aber Tugendt vnd Laster wider einander, da kundte man artlich sehen, mit was Practicken die Laster der Tugendt nachstelleten, vnd wie jhnen wider [Rand: ein künstlich Spiel] zu begegnen, diß gieng so artlich vnd Künstlich zu, daß zu wünschen, wir hetten dergleichen Spiel auch.

Vnter dem Spiel kommet Atlas wider daher, thut sein Relation heimlich, doch gieng mir der Roth an allen orten auß, dann mein Gewissen ließ mir kein ruh, hierauff bot mir der König die Supplication selbsten zulesen, [Rand: die Supplik des / Pförtners / wird dem /Verf. vbergeben] deren Inhalt war vngefahrlich dieser: Erstlich wünschet er dem König Glück vnnd vermehrung, daß sein Same weit außgebreitet werde: Darnach zeigt er an wie das nuhn mehr der Tag erfüllet, daran er der Königlichen Zusagung nach solt erlediget werden. Dann Venus sey allbereit von seiner Gäst einem auffgedeckt worden, dann[109] seine observationes können jhm nicht liegen. So solle nun, Königliche Majestat scharpff vnd fleissig inquirieren, werde er befinden, daß seine entdeckung wahr, dann wann solches nit werde also befunden werden, wölle er sein Lebenlang vor der Porten verbleiben. Bitte demnach auff das aller vnterthänigst, man wölle jhn auff sein Leibs vnd Lebens gefahr bey heintigem Nachtessen sein lassen, wölle er verhoffentlich den Thätter selbsten erspähen, vnd zu erwünschter erledigung kommen. Diß war nun außführlich vnd zierlich gestellet: Dabey ich sein Ingenium wol spüren kundte, aber mir war es zu scharpff, vnnd hätt mögen leyden, Ich hette es nie gesehen. Nun gedacht ich, ob jhm vielleicht durch meinen Wunsch möchte geholffen werden. Fraget demnach den König: Ob er sonsten durch keinen andern weg könte erlediget werden? Nein antwortet der König, dann die sachen haben ein sonders bedencken, doch können wir in seines begehren auff diese Nacht wol gewehren: Schicket also einen hinauß jhn herein zuholen: Vnter deß wurden Taflen in einem Saal zugerüst, in dem wir zuvor nie gewesen, der war das Complete, vnd dermassen beschaffen, daß mir nit müglich ist, jhn nur anzufangen zuerzehlen. [Rand: wird in / ein prächtigen Saal / geführt] In diesen wurden wir mit sonderm Pomp vnd Ceremonien geführt.

Cupido war dißmal nit vorhanden: Dann wie ich berichtet worden, hat jhn der Schimpff, so seiner Mutter begegnet, vmb etwas erzürnet, In Summa, mein that, vnnd die ergebene Supplication waren ein vrsach [Rand: Cupido ist / unwillig, / der König / auch] vieler trawrigkeit. Dann dem König war bedencklich, vber sein Gäst zu inquirieren, mehrertheils darumb, daß es also auch die, denen es noch vnbewust, wurden erfahren. Ließ also den Hüter selbsten, so schon albereit ankommen, sein scharpffes auffsehen haben, vnd stellet [Rand: die Gäste / aber sind / vergnügt] er sich so frölich er kondte. Doch fieng man zuletzt an wider lustig zu werden, vnd mit allerley kurtzweiligen nutzlichen Gesprächen einander zu zusprächen. Wie nun[110] die Tractation, vnd andere Ceremonien damalen gewesen, ist vnvonnöten zusagen, weil solches dem Leser nit von nöten, vnd zu meinem vorhaben vndienstlich, alles aber vber die maß, mehr von Kunst vnd Menschlicher geschickligkeit, dann das wir mit Trincken weren beschweret worden, vnnd diß war das letste vnd herrlichste Maal, bey welchem ich gewesen. Nach dem Pancket, wurden [Rand: Nach der / Tafel werden die / Ritter verpflichtet] die Tisch schnell auffgehebt, vnnd etliche schöne Sessel im Zirckel herumb gestellet, darein wir vns sampt dem König vnd Königin, deren beyden Alten, der Frawen vnd Jungfrawen, nidersetzen müssen. Hierauff eröffnet ein schöner Knab das obgedachte herrliche Büchlin, Bald [Rand: Seite 61] stellet sich Atlas in die mitte, vnd fieng folgends Inhalts mit vns an zu reden,

Königliche Mayestät hetten noch nicht in Vergeß gestellet, was wir an jhm gehandelt, vnnd wie fleißig wir vnserm Ampt abgewartet, hetten vns demnach zur Vergeltung sampt vnnd sonders zu Rittern des Guldin Steins erwehlet. So sey nun von nöten, daß wir vns nachmalen nit allein gegen Königlicher Majestät obstringieren, sondern auch auff folgende Articul angeloben, So werden alsdann Kön. May. abermal wissen, wie sie sich gegen jhren Bundsgenossen sollen verhalten. Hierauff ließ er den Knaben die Articul ablesen: Die waren diese.

I. Ihr Herren Ritter solt schweren, das jhr ewern Orden, keinem Teuffel oder Geist, sondern allein Gott, Ewerm Schöpffer, vnd dessen Dienerin der Natur jederzeit wöllen zuschreiben.

II. Daß jhr alle Hurerey, Vnzucht, Vnreinigkeit wöllen gehaß sein: Vnd mit solchen Lastern Ewern Orden nicht beschmeissen.

III. Daß jhr durch Ewere Gaben, menniglich wer deren werth, vnnd bedürfftig, wöllen zu hülff kommen.

IV. Daß jhr solche Ehr nicht begeret zu Weltlichem Pracht, vnnd hohem ansehen anzuwenden.[111]

V. Daß jhr nicht wöllet lenger leben, dann es Gott haben will.

Vber diesen letzten Articul musten wir gnug lachen, mag auch wol nur zum Possen hinzugesetzt worden sein. Wie nun dem allem, wir musten bey deß Königs Scepter angeloben. Hierauff wurden wir mit gebräuchlicher [Rand: Privilegien] Solennitet zu Rittern installiert, vnd vnder andern Privilegien vber Vnverstand: Armuth: vnd Kranck heit: gesetzet, mit denselben vnsers gefallens zu handlen. Vnd diß wurde hernach in einer kleinen Capellen (dahin wir in aller Proceßion geführet worden) bestettigt. Gott hierumben gedanckt: Da ich dann auch Gott zu Ehren mein Guldin Flüß, vnd Hut auffgehenckt, vnd zu ewiger Gedächtnuß allda gelassen. Vnd weil jeder da sein Namen schreiben muste, schreib Ich also:


Summa scientia nihil scire


Fr. CHRISTIANUS ROSENCREUTZ,


Eques aurei Lapidis:


Anno 1459.


[Rand: sollen / sagen, was / jeder / wünscht] Andere schrieben anderst, vnd zwar jeder was jhm gut dauchte. Hierauff wurden wir wider in den Saal gebracht, vnd nidergesetzt, auch ermahnet, wir solten vns schnell besinnen, was jeder wündschen wolte: Der König aber mit den seinigen hatte sich in das kleine Stüblein gesetzt, daselbsten vnsere Wündsch anzuhören. Nun wurde jeder insonderheit hinein gefordert, daß ich also von keines einigen Wunsch etwas sagen kan. [Rand: Verf. bittet /um die / Befreyung / des / Pförtners] Ich gedachte, es wer nichts Löblichers, dann wann ich meinem Orden zu Ehren ein löbliche Tugend sehen ließ. Befand auch, daß keine jetzmals rühmlicher, vnnd die mich säurer ankam, dann die Danckbarkeit. Deßwegen[112] vnangesehen Ich mir wol etwas liebers hette wündschen können, vberwand ich mich selbst, vnnd beschloß auch mit meiner Gefahr den Hüter, meinen Gutthäter zuerledigen: Wie ich nun hinein gefordert wurde, zeiget man mir erstlich an, weil ich die Supplication gelesen, ob ich nichts vom Thäter gemerckt, oder verargwohnet hette? Hierauff fieng ich an vnerschrocken zuberichten, wie alle sachen ergangen, wie ich auß vnverstand dahin gerathen, Erbot mich also, alles außzustehen, so ich hierüber verwürcket [Rand: Verf. bekennt sein / Antheil an / dem Verbrechen] hette: Der König vnd andere Herren verwvnderten sich hoch ab solcher vnverhoffter Bekandtnuß: Hiessen mich also ein wenig abtretten. So bald Ich nun wider fürgefordert wird, zeiget mir Atlas an: Es were gleichwol Königlicher Majestat schmertzlich, daß ich, den sie vor andere geliebet, in solchen Vnfall gerahten, weil aber jhr nicht müglich vber jhr Altes herkommen zuschreiten, wuste sie mich nicht anderst zu Absolvieren, dann das jener loß, vnnd ich mich an sein statt stellen solt, wölle sie verhoffen, es wurde sich bald ein anderer vergreiffen, damit ich also wider heimkommen köndte. Gleichwol were kein Erledigung vor jhres Zukünfftigen Sohns [Rand: vernimmt / das Vrtheil] Hochzeitlichem Fest zuhoffen. Diß Vrtheil hatte mich bey nahem vmb das Leben gebracht, vnnd war ich mir vnd meinem Verschwatzten Maul erst feind, daß ichs nicht hette Verschweigen können, fasset doch entlich ein Hertz, vnd weil Ich gedachte es muste einmahl sein, referiert [Rand: rühmt die / Wohlthaten des / Pförtners] ich, wie mich dieser Hüter mit einem Zeichen begabet, vnnd bey den andern Commendiert. Durch welcher hülff ich auff der Wag bestanden, vnd also alle eingenommene Ehr vnd Frewd theilhafftig worden, So habe sich nun wöllen gebühren, daß er sich gegen seinem Gutthäter danckbar erzeige, weil es dann anderst nit sein könne, bedanck ich mich des Vrtheils, wölle gern von dessen wegen etwas vngelegens thun, der jhm zu solchem Stand behülfflich gewesen, da aber mit meinem wundsch etwas außzurichten were: wündschet ich mich wider heim,[113] were also dieser durch mich, Ich aber durch meinen [Rand: wird vom / König / gelobt] wundsch erlediget: Mir wurde zur Antwort: Das wünschen erstreckte sich so weit nit, sonst hette ich wol jhn Loß wündschen können: Doch ließ J.R.M. wolgefallen, daß ich mich so fein darein schickt, sie besorgten aber, ich möchte noch nit wissen, in was elende Condition ich mich durch solchen Fürwitz gestecket.

[Rand: die übrigen / gehen vergnügt ab] Hiemit, wurde der gute Mann ledig gesprochen, vnd must ich mit trawrigem hertzen abtretten. Nach mir wurden die vbrigen auch erfordert, die kamen alle frölich [Rand: Verf. macht / Grillen] herauß, welches mir noch schmertzlicher war, dann ich meinet nit anderst, Ich must mein Leben vnter dem Thor beschliessen. Spintisiert auch hin vnd her, was [Rand: Hoffnung, / Furcht vnd / Trost] ich doch anfangen, vnnd warmit ich die zeit hinbringen wolt. Entlich gedacht ich, ich were nunmehr alt, hette natürlicher weise wenig Jahr mehr zu leben: So würde mich dieser Kummer vnd Melancolisch leben leicht hinrichten, so were dann mein Hüten auß. Köndte ich mich auch selbsten durch seligers Schlaffen bald ins Grab bringen: dieser Gedancken hätte Ich mancherley. Zu weilen verdroß mich, daß ich so schöne sachen gesehen, vnnd deren muste beraubt sein. Zu weilen frewet mich, daß Ich dannoch vor meinem Ende zu allen Frewden genommen worden, vnnd nicht so schandlich abziehen müssen, wap also diß der letste vnd beste stoß, den ich erlitten. Vnder solchem meinem Tichten wurden die anderen fertig, vnnd deßwegen, nach dem sie eine gute Nacht von dem König vnnd Herren genommen, ein jeder in sein Losament geführt. Ich armer Mann aber hatte keinen der mir den Weg zeiget, vnnd muste mich [Rand: der Verf. / bekommt / einen Ring] noch darzu vexieren lassen, vnnd damit ich doch meiner künfftigen function gewiß were, muste ich den Ring, den jener zuvor getragen anstecken. Endlich ermahnet mich der König, daß weil ich jhn einmahl jetzvnder daß letstmahl in solcher gestalt sehe: Solte Ich mich doch meinem Beruff gemeß, vnd nicht wider den Orden, halten: Nam[114] mich auch hierauff in den Arm, vnnd küsset mich, welches ich alles dahin verstund, als muste ich morgen zu meinem Thor sitzen. Nach dem sie nun alle noch ein weil mit mir freundlich geredt, vnnd zu letst die Hand gebotten, mich Göttlichem Schutz befohlen, werde ich durch beyde Alte: dem Herren deß Thurns vnnd Atlante [Rand: Verf. schläft / sammt dem / Atlas und / dem Alten / ein] in ein herrlich Losament geführt, darinnen drey Bett gestanden, vnnd jeder in eines gelegen. Da brachten wir noch fast zwo, etc.


Hie manglen vngfehr zwey quart Bletlin, vnd ist er (Autor huius) da er vermeinet er muste morgens Thorhüter sein, heimkommen.


ENDE.[115]

Quelle:
Johann Valentin Andreae: Chymnische Hochzeit: Christiani Rosenkreutz. Berlin 1913, S. 104-116.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz anno 1459
Fama Fraternitatis (1614). Confessio Fraternitatis. (1615). Chymische Hochzeit: Christiani Rosenkreutz. Anno 1459 (1616)

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon