Sie singt ihm einen Lobgesang

[209] 1

Dich, Jesu, loben wir,

Dich ehrn wir für und für.

Dir, o Jesu, wolln wir geben

Ruhm, Preis, Dank und Herrlichkeit

Hier durch unser ganzes Leben

Und darnach in Ewigkeit.


2

Du bist das ewge Licht

Und hast dich uns verpflicht.

Auf die Erden bist du kommen,

Da du wesentlicher Gott

Unsre Menschheit angenommen,

Uns zu retten aus der Not.


3

Du hast herum geeilt

Und unsre Sucht geheilt.

Unsre Last hast du getragen

Und mit unerhörter Huld

Aufgenommen alle Plagen,

Die die ganze Welt verschuldt.


4

Du hast den Feind zerstört

Und Gottes Reich gemehrt.

Siegreich hast du triumphieret

Und den Himmel aufgetan,

Hast die deinen drein geführet

Mit des heilgen Kreuzes Fahn.
[210]

5

Du sitzest Gotte gleich

Und hältst mit ihm das Reich.

Alles ist dir übergeben

Von dem Vater, du allein

Bist, der über Tod und Leben

Soll der einge Richter sein.


6

Dich ehrn die Seraphim,

Dich ehrn die Cherubim.

Dir zu Ehren schrein die Chöre:

Heilig, Heilig, Heilig ist,

Dessen Herrlichkeit und Ehre

Unvergleichlich, Jesu Christ.


7

Die Väter allzumal

Mit der Propheten Zahl

Und die Jünger, deine Lieben,

Danken deiner Gütigkeit,

Daß sie sind beständig blieben

Dir zu Ehren in der Zeit.


8

Die ganze Christenheit

Ist dich zu ehrn bereit,

Die Bekenner helfen alle

Deines Namens Ruhm vermehrn

Und die Kinder schrein mit Schalle

Das Osanna dir zu Ehrn.


9

Dich lobt auch in Gefahr

Der Märtrer treue Schar.[211]

Dir zu Ehren wird gestritten

Bis aufs Blut und bis in Tod

Und mit größtem Glimpf erlitten

Alle Schmach, Schimpf, Hohn und Spott.


10

Dir wohnen viel ganz frei

In öder Wüstenei,

Und viel tausend der Jungfrauen

Halten dir sich keusch und rein.

Alle, die den Himmel bauen,

Wollen deine Diener sein.


11

Der ganze Erdenkreis

Ist voll von deinem Preis.

Und der Himmel, da du sitzest,

Flammt von deiner Herrlichkeit;

Deiner Allmacht, wenn du blitzest,

Weichet alle Feindlichkeit.


12

O großer Herr und Gott,

Erbarm dich unsrer Not.

Schau, du König aller Zeiten,

Wie dein Volk bedränget ist,

Wie wir täglich müssen streiten

Mit des Feindes Macht und List.


13

Komm, nimm dich unsrer an,

Du starker Kriegesmann.

Hilf uns selig überwinden,

Daß wir unsren Lauf vollführn

Und mit dir, befreit von Sünden,

Unaufhörlich triumphiern.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 209-212.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anselm von Canterbury

Warum Gott Mensch geworden

Warum Gott Mensch geworden

Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.

86 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon