[20. Kapitel]

Wie die Fraw Schultheissin mit jhrem newen Beltz zur Kirchen pranget / Predigt zuhören / vnnd

was sich da begeben habe.

[81] Die folgende gantze lange Nacht / lag mein E.W. Fraw die newe Schultheissin in schweren tieffsinnigen Gedancken / welcher massen sie doch den newgeweschenen Beltz anlegen / vnd darinnen prangen möchte: damit sie jhres Mans E.W. nicht geschendete nach verkleinerte / wann sie sich nicht grauitetisch gnug /als sichs einer Dorffschultheissin gepühret / gestellete. Welches dann gemeinlich aller Weybern art ist /daß sie nur allein darauff gedencken / wie sie sich rechtschaffen auffmutzen / schmucken / zieren / malen / auffthun / eynbreysen / schnüren / köpffen / häublen / vmb den Ars fütern vnnd beharnischen / bereyffen /bestreichen / etc. können: damit sie nur jhren Männern ein Ehr (pfuch der Ehren) seyen (wie dise Schultheissin) ja damit sie nur jhnen gefallen / vnd offt vmbs Dinglin angesprochen werden.

In dem sie sich nun also hin vnd her wendet / vnd vngefehr mit dem Elnbogen jhren Herrn den Schultheissen / welcher auch mit einem rechtgeschaffnen Narrn / der jm wenig ruhe liesse / schwanger gieng /vnd die gantze Nacht vber damit zuschaffen hette / in ein seiten also vngestümmiglich stiesse / daß er darab erwachet / sprach er zu jren: Bey wem ligst du? Sie that dergleichen als ob sie schlieffe / vnnd antwortet wie ein Hund / wann er gefragt wirt. Vber ein halbe stundt fragt er wider: Fraw Schultheissin / bey wem[81] liget jr? Da er jhr jren Ehrntitul gab / gedacht sie / da kanstu ein Aug zuthun / wie jener bettelvogt sagt: welcher so er nur ein Aug zugethan / gantz blind gewesen: sagt deßhalben gantz fäuliglich: Bey dir. Der gute Schultheiß / welcher seinen Ehrntitul noch nicht recht gehabt / war deßn nit zu frieden / daß sie jn so schlechtlich empfieng / stieß sie derowegen bald wider / fragend: Gnedige Fraw Schultheissin / bey wem ligt E.W.? Die Fraw Schultheissin ward vnwillig vber dem fragen / dann sie sonst mit jhrem Beltz anders zuschaffen gehabt / sagt deßhalben inn rechtem keyb: Was fragst vnd plagst doch eins lang? Beym Narrn lige ich. Ey neyn / mein Fraw / sprach der Schultheiß / das sage bey leyb nicht / dz du bey einem Narrn ligest: dann der / bey dem du ligst / ist der Schultheiß Lale zu Laleburg. Auß solchem vermerckt die Fraw / daß jhr E.W. etwas höhn vnd erzürnt were / kehrt sich derowegen vmb / gienet / strecket vnd gestellet sich / als ob jhren gedrummelet hette / vnd sie deßhalben vom Schlaff erwachet were / sagt: Was / was ists? Hiemit ward es tag / vnd kam ein Saw / vnd biß jme ein Ohr ab.

Die gute Fraw Schulthessin förchtet jmmer / die gantze Nacht were zu lang / vnd es wurde nimmer tag werden / daß man hette können jren Beltz sehen: freuwet sich deßhalben deste mehr / da sie gesehen den lieben tag hereyn brechen. Also stunde sie sehr frühe auff / vnnd fienge an sich zumutzen vnd zu butzen /vorhabens / dieweil es eben Sonntag / vnd die Nachbawrn alle in der Kirchen bey einandern versammelt weren / sich alda zubeschawen lassen: damit sie nicht etwan müste von Hauß zu Hauß / vnd von einem Lale zum andern gehn / vnd sich lassen besehen: welches dann gar zuviel zeit wurde gekostet haben / dann sie auch zu Mir vnd zu Dir hette kommen müssen.[82]

Mit diesen gedancken / war sie gantz vnd gar verhaspelt / verjrret vnd verwirret / also daß sie auch deß Leutens inn die Predigt nit wargenommen. Vnd als sie zuletzt / nit ohne grosse mühe vnd arbeit / fertig wurde / vnnd meinen Herrn den Schultheissen / welcher vor jren stunde / vnd den Spiegel hielte / wol hundert mal gefragt hette / ob sie hinden vnd vornher were / wie ein Frauw Schultheissin sein solte / vnd er ja darzu gesagt hette / gieng sie auß dem Hauß der Kirchen zu. Gewißlich hat sie vber die Gassen her gepranget / wie ein Geyß an einem strick.

Nun weiß ich nit / welches die schuld ist: ob mein G.F. die Schultheissin zu lang geschlaffen / oder ob der Meßner zu früh geleutet / oder aber / welches vil eher zuglauben / ob der Pfaff deß abends zu ladridang beym weyn gesessen / deßhalben nit auff die Predig gestudirt / vnd es also kudridurtz gemacht habe: je /als sie mit jrem newen Beltz zur Kirchen hineyn gerauschet / war eben die Predigt auß / also daß jedermann auffstunde. Die gute Fraw verstunde den handel nit / sonder vermeinet vnd beredt sich selbs / dieweil jr Mann Herr Schultheiß / vnd sie deßhalben Fraw Schultheissin were / zu dem dz sie einen nagelnewen Beltz anhette / so besehene solches jr E.W. zugefallen / vnd stünden die Nachbawrn jren vnd jhrem Beltz zu ehrn auff: sprach deßhalben gantz sittiglich vnnd tugendlich (dann sie es schon gelehrnet) sich auff beide seitten kehrend / zu jnen: Liebe Nachbäwrnen / ich bitte wöllet still sitzen: dann ich den tag noch wol gedencke / daß ich eben so arm gewesen / vnd so zerlumpet vnd zurissen hereyn gegangen / als jhr: darumb setzet euch nur auffs Loch wider nider.

Bald auff sie / kam auch mein Herr der Schultheiß /welcher so lang an seinem Bart gestrelet vnd gestrigelt / hineyn getretten / vnd als er gesehen / daß etliche Hund in der Kirchen herumb lieffen / vnd Hochzeit machen wolten / sprach er auß rechtem schultheißlichem eyfer vnd bitterm ernst: Nun wil ich auch ein Ordnung vnter die Hund bringen / so wol[83] als vnter meine vnterthanen / welches ich bißher nie können zuwegen bringen / damit man auch von mir zusagen habe / oder ich will nicht jhr Schultheiß vnd Amptman sein.

Dz aber die Predigt so kurtz gewesen / war die vrsach: der Pfaff hatte nur von vier stucken geprediget. Dz erste / sprach er / weiß ich / aber jhr wissets nit / sprach er: das ander / sprach er / wisset jhr / aber ich weiß es nicht / sprach er: das tritte / sprach er /wissen wir beide nicht / sprach er: das vierte / sprach er / wissen wir beide nur gar zu wol / sprach er. Böse Hosen hab ich / das weiß leider ich / aber der lange Rock decket mich / daß so ichs nit sage / jhr es nicht wisset / sprach er. Dargegen wisset jhr / ob jhr mir wöllet newe machen / welches mir nicht zuwissen ist /sprach er. Jch solt euch sagen / sprach er / was heut für ein Euangelion fellt / das weiß ich sammer botz Kerbholtz nicht / vnd jhr viel minder / sprach er: aber das Wiertshauß wissen wir allesamen nur gar zu wol. Hiemit nemme jeder sein Häfelin / vnnd laßt vns alle mit ein andern daselbsthin ziehen / vnd hinderm Tisch rhatschlagen / wie man den Keyser empfahen wölle /sprach er.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 81-84.
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